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Ein neues Design für George Balanchine

Bühnen- und Kostümdesigns zahlreicher renommierter Künstler*innen sind 2023/24 in den Premieren des Wiener Staatsballetts zu sehen: Namen wie David Salle, Peter Speliopoulos, Santo Loquasto und Keso Dekker stehen neben Karl Lagerfeld und Jürgen Rose. In Zusammenarbeit mit dem George Balanchine Trust New York ist außerdem eine neue Ausstattung für die Wiener Erstaufführung von George Balanchines Brahms-Schoenberg Quartet in der Premiere Shifting Symmetries entstanden. Von Vera Richter stammt das Kostümdesign. Dramaturgin Anne do Paço sprach mit dem Bühnenbildner Thomas Ziegler hat einen Raum kreiert, der dem Geist des 1963 uraufgeführten Werkes mit dem Blick und Materialien unserer Zeit begegnet. Dramaturgin Anne do Paço sprach mit dem Schweizer

Neben Designs für Ballett-Uraufführungen und Operninszenierungen hast du auch für Werke des Repertoires neue Ausstattungen entworfen. Wie kam es zu der aktuellen Wiener Arbeit?

Thomas Ziegler: Meine ersten Kreationen dieser Art entstanden im Auftrag des New Yorker Tudor Trusts für Antony Tudors Jardin aux Lilas und Dark Elegies sowie den Pas de deux aus The Leaves are fading. Martin Schläpfer hatte diese beim ballettmainz bzw. Ballett am Rhein programmiert, und Donald Mahler, der sich nach seiner Tänzerkarriere in Kanada und den USA intensiv für den Erhalt von Tudors Erbe einsetzte und Einstudierungen verantwortete, zeigte sich für die Idee sehr offen, diesen Werken neue Räume und Kostüme zu schenken. Er hatte einige meiner Arbeiten gesehen, die ihm sehr gefielen – und so begann eine intensive Zusammenarbeit. Für die Neueinstudierung des Brahms-Schoenberg Quartet erhielt ich nun erstmals einen Auftrag für ein Balanchine-Ballett, allerdings war der Weg ein ganz anderer. Der Balanchine Trust kannte meine Arbeitsweise nicht. Ich habe mich also – wie Vera Richter mit ihrem Kostümbild – mit einem Konzept präsentiert, das in New York dann streng diskutiert wurde.

Brahms-Schoenberg Quartet zählt mit einer Besetzung von 55 Tänzer*innen zu den großen Ensemblewerken Balanchines. Bereits zweimal wurde es in von der Uraufführung abweichenden Designs gezeigt: mit dem Ballett der Pariser Oper in einem Entwurf von Karl Lagerfeld, mit dem Hamburg Ballett in der Bühne von Heinrich Tröger und den Kostümen von Judanna Lynn. Wie bist du an das Stück herangegangen?

Thomas Ziegler: Unser Bild von Balanchine ist ja vor allem durch seine Black & White-Ballette geprägt: choreographisch radikale, häufig athletische Choreographien in schlichten, schwarz-weißen Leotards oder Trikots, die den Körper stark betonen. Die Bühne ist in der Regel eine Blackbox mit einem hell leuchtenden Horizont. Dieser Stil ist aber nur eine Seite Balanchines. Wir dürfen nicht vergessen, dass er über seine gesamte Schaffenszeit auch sehr opulente Produktionen herausbrachte, für die ihm u.a. mit Karinska eine fantastische Kostümbildnerin zur Seite stand.

Aus diesem Repertoire waren in Wien zuletzt Jewels sowie Liebeslieder Walzer zu sehen, in diese Serie gehört auch das Brahms-Schoenberg Quartet ...

Thomas Ziegler: ... und natürlich wollen wir diese Seite von Balanchines Ästhetik in unserem Entwurf auch zeigen. Mir war es wichtig, die Ideen des Originals zu respektieren, aber in eine modernere Sprache zu übersetzen. Die New Yorker Version Peter Harveys aus dem Jahr 1963 habe ich genau studiert und mich – wie übrigens auch Karl Lagerfeld in Paris – entschieden, die dort zu findende Szenerie aufzugreifen: eine alte Schlossfassade. Ich habe die Architektur aber gedreht, die Situation also auf die Gartenseite des Gebäudes verlegt und – auf Wunsch des Balanchine Trusts – auf die Szenenwechsel zwischen den einzelnen Teilen verzichtet. In der Originalversion erfährt die Bühne durch helle Seidenschleier an den Seiten eine deutliche Begrenzung, das Raum-Volumen ist also klar definiert. Das wollte ich auflösen, eine offenere, amorphere Atmosphäre schaffen und zugleich auch gewährleisten, dass mein Entwurf nicht nur von den Mittel-, sondern auch von den Seitenplätzen zu sehen ist. Entsprechend habe ich schwarze Gassenwände gesetzt, die ich aber in die Malerei einbeziehe, sodass eine Arena-Situation entsteht, die Bühnengestaltung also den Tanz quasi umarmt und nicht in Form eines Rück-Prospektes einfach als Aussage dasteht.

Dein Entwurf wird von den Theatermaler*innen bei Art for Art umgesetzt. In welchem Stil ist er gehalten, mit welchen Materialien arbeitest du?

Thomas Ziegler: Da das Schlossmotiv das ganze Stück über präsent ist, rückte seine maltechnische Ausführung für mich stark in den Fokus. Als das Projekt an mich herangetragen wurde, war es Frühling – eine Jahreszeit, die ich immer als sehr inspirierend empfinde. Direkt vor meiner Wohnung gibt es große alte Bäume, deren Laub auf eine sehr feine Art ausschlägt. Diese fast wächsern wirkenden Blattpunkte haben mich zu einer pointillistischen Arbeitsweise inspiriert. Gemalt wurde auf schwarzen Samt, ein Material, das eine sehr hohe Saugkraft hat. Im ersten Auftrag verblasst die Farbe zunächst. Es entsteht eine Grundierung, die ich mit einer zweiten Farbschicht punktuell übermale. Diese steht nun gut auf der Grundierung und gewinnt durch die Arbeit mit Goldpunkten, die sehr sensibel auf Licht reagieren, nicht nur an Leuchtkraft, sondern steigert durch die unterschiedliche Reflektionskraft der einzelnen Punkte, Farbschichten und Materialien auch die räumliche Wirkung.

Lincoln Kirstein spürte in Balanchines Choreographie zu Schönbergs Orchestrierung des 1. Klavierquartetts von Brahms die »Verunsicherungen, die sich mit dem Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie verbanden«, sah in ihr aber auch die »Suggestion einer Welt, die sich an Wein und Rosen berauscht«.

Thomas Ziegler: Genau diese Atmosphäre des Diffusen, Schwebenden, aber auch Verlassenen und Verlorenen zu betonen war mir wichtig. In meinem Entwurf hat das Schloss den Charakter eines Luft- oder Traumschlosses. Es gibt keine leuchtende oder festliche Fassade, sondern die Fensterzonen sind dunkel gehalten. Es ist ein Bild aus der Vergangenheit, vor dem sich Balanchines Tanzfest entfaltet.

Ein Tanzfest, das ebenfalls eine Art Echo ist: in Balanchines Übersetzung ein Nachhall der großen Divertissements Marius Petipas, in denen Balanchines Kunst ihre Wurzeln hat.