Il Trittico

GIACOMO PUCCINI

»DIE HÖLLE, DAS SIND DIE ANDEREN.«

 JEAN-PAUL SARTRE

Musikalische Leitung  PHILIPPE JORDAN
Inszenierung  TATJANA GÜRBACA
Bühne  HENRIK AHR
Kostüme  SILKE WILLRETT
Licht  STEFAN BOLLIGER
Kostümmitarbeit  Carl-Christian Andresen


IL TABARRO Oper in einem Akt
Text GIUSEPPE ADAMI nach DIDIER GOLD

Michele  MICHAEL VOLLE
Giorgetta  ANJA KAMPE
Luigi  JOSHUA GUERRERO
Tinca  ANDREA GIOVANNINI
Talpa  DAN PAUL DUMITRESCU
Frugola  MONIKA BOHINEC
Ein Liederverkäufer  KATLEHO MOKHOABANE 
Ein Liebespaar  FLORINA ILIE, TED BLACK

In der zweiten Serie singen
ELENA STIKHINA die Giorgetta, 
MIRIAM KUTROWATZ und 
AGUSTÍN GÓMEZ das Liebespaar.


SUOR ANGELICA Oper in einem Akt
Text GIOVACCHINO FORZANO

Schwester Angelica  ELEONORA BURATTO
Fürstin  MICHAELA SCHUSTER 
Äbtissin  MONIKA BOHINEC 
Lehrmeisterin der Novizinnen  PATRICIA NOLZ
Schwester Eiferin  DARIA SUSHKOVA
Schwester Genoveva  FLORINA ILIE
Schwester Pflegerin  ISABEL SIGNORET
Almosensucherin  ANNA BONDARENKO

In der zweiten Serie singen
ELENA STIKHINA die Schwester Angelica und 
ALMA NEUHAUS die Lehrmeisterin sowie die Schwester Pflegerin.


GIANNI SCHICCHI Oper in einem Akt
Text GIOVACCHINO FORZANO nach dem 30. GESANG DES INFERNO aus der GÖTTLICHEN KOMÖDIE von DANTE ALIGHIERI

Gianni Schicchi  AMBROGIO MAESTRI
Lauretta  SERENA SÁENZ
Zita  MICHAELA SCHUSTER
Rinuccio  BOGDAN VOLKOV
Gherardo  ANDREA GIOVANNINI
Nella  ANNA BONDARENKO
Betto di Signa  CLEMENS UNTERREINER
Simone  DAN PAUL DUMITRESCU
Marco  ATTILA MOKUS
La Ciesca  DARIA SUSHKOVA
Maestro Spinelloccio  HANS PETER KAMMERER
Amantio di Nicolao  SIMONAS STRAZDAS

In der zweiten Serie singen
FLORINA ILIE die Lauretta, MARTIN HÄSSLER den Betto di Signa und DARIA SUSHKOVA die Ciesca


Einführungsmatinee  24. SEPTEMBER 2023
Premiere  4. OKTOBER 2023
Premierenserie  4. / 7. / 13. / 16. / 20. / 23. OKTOBER 2023
Zweite Serie  14. / 17. / 20. / 24. FEBRUAR 2024


ZU DEN TICKETS

Drei unterschiedliche Handlungen, die zusammen ein Programm ergeben: So einfach sich die Idee beschreiben lässt, die Il trittico zugrundeliegt, so komplex ist der dahinterstehende Gedanke. Denn Giacomo Puccini, der die Idee eines Triptychons aus drei Einaktern um 1900 zu entwickeln begonnen hatte, wollte diese drei kurzen Opern durch eine komplexe Dramaturgie verbunden wissen. Nicht die vordergründigen Handlungen, sondern die in diesen vorherrschenden emotionalen Grundfarben sollten dabei den Ausschlag geben: eine Dramaturgie der Stimmungen.

Schon in früheren Werken Puccinis hatten sogenannte »controscene« eine wichtige Rolle gespielt – vielschichtige Szenentableaus wie der Beginn des Quartier-Latin-Bildes in La bohème, in denen verschiedene Stimmungen, von Puccini als Farben (tinte) bezeichnet, als kurze Schlaglichter effektvoll in den Vordergrund gebracht werden. Der Trittico, so Puccinis Idee, sollte dieses Prinzip so vergrößern, dass drei kurze Stücke mit je eigener Farbe ein fein aufeinander abgestimmtes Ganzes ergeben würden. Ein tragisches, ein »sentimentales« und ein komisches Stück wurden dafür gesucht – ganz im Sinne des beschriebenen Bildes aus La bohème, für das Puccini in einem Brief eben jene drei Stimmungen beschrieb.

Von deren Beschaffenheit hatte Puccini so genaue Vorstellungen, dass die Suche nach den entsprechenden Stoffen sich äußerst schwierig gestaltete. Mit dem Drama La Houppelande von Didier Gold fand sich schließlich zunächst der tragische erste Teil, der zu Il tabarro werden sollte. Einmal mehr wurde dabei der Besuch einer Schauspielaufführung zur Inspiration für eine von Puccinis erfolgreichen Opern – auf diese Weise hatte er auch die Vorlagen zu Tosca (nach Victorien Sardou), Madama Butterfly und La fanciulla del West (beide nach David Belasco) gefunden.

Il tabarro ist ein düsteres Ehedrama, das im Milieu der Pariser Seineschiffer spielt: Zwischen den Eheleuten Michele und Giorgetta steht die Trauer um ihr verstorbenes Kind, Giorgettas Affäre mit dem Arbeiter Luigi endet in einer Tragödie.

Puccini komponierte den ersten Teil relativ zügig, aber die Suche nach jenen beiden »tinte«, die sich nach den Vorstellungen des Komponisten zu der ersten fügen würden, nahm fast epische Ausmaße an: Am Ende sollten von der ersten Idee bis zur New Yorker Uraufführung ganze achtzehn Jahre vergehen.

Suor Angelica, die »sentimentale« Geschichte, zu der Giovacchino Forzano das Libretto schrieb, erzählt vom Leid der namensgebenden Ordensschwester, die ihre Lebenskraft aus der Erinnerung an ihren Sohn zieht – Ergebnis des »Fehltritts«, der sie an diesen Ort gebracht hat –, bis sie dieser Stütze beraubt wird. Für den komischen dritten Teil, Gianni Schicchi, baute wiederum Forzano eine kurze Episode aus Dantes Inferno aus: Um an das Erbe des reichen Florentiners Buoso Donati zu kommen, beauftragen dessen Verwandte Gianni Schicchi, dessen Platz einzunehmen und – als vermeintlich im Sterben Liegender – ein Testament zu ihren Gunsten zu diktieren.

Jedes der Werke hat seine eigene, faszinierende musikalische Originalität – das unerbittlich voranschreitende Flussmotiv im Tabarro, unterbrochen von Puccinis unvergleichlichen Realismen, Schiffssirenen, Autohupen, kleinen Nebenszenen; die trügerische Ruhe der Klosterkonversation in Suor Angelica, die mit ungeheuerlicher musikdramaturgischer Präzision auf den dramatischen Höhepunkt hingeführt wird (der seine Reflexion in »Senza Mamma« findet, einer der bekanntesten und berührendsten Arien der Operngeschichte); der vielgestaltige musikalische Witz in Gianni Schicchi, der von verspielter Heiterkeit bis zum vergnüglichen Chaos reicht.

Die Gesamtdramaturgie seiner Konzeption war Puccini ein leidenschaftliches Anliegen. An eine Neuproduktion stellt sie eine wunderbare Herausforderung. Denn wie die »tinte« der kleinen »controscene« in La bohème stehen die drei Teile des Trittico in einem größeren, dem größten denkbaren Kontext: Ihre »tinte« sind Farben des menschlichen Zusammenlebens. So unwiderstehlich einfach und hochkomplex ist das, was Il trittico im Innersten zusammenhält. Eine Comédie humaine für die Opernbühne.

SPOTIFY-PLAYLIST ZUR EINSTIMMUNG



Über die Playlist

Auch wenn es sich bei den Puccini-Einaktern, vor allem bei Gianni Schicchi um Ensemblestücke handelt, so wurden doch im Laufe der Aufführungsgeschichte aus den durchkomponierten Werken einzelne Solo-Szenen herausgelöst, meist für Portrait-Alben und Konzerte: die beiden Tenor-»Soli« aus Il Tabarro und Gianni Schicchi, der Monolog des Michele (auf unserer Playlist auch in der Alternativ-Fassung zu hören), Giorgettas Traum von einem besseren Leben, Angelicas Monolog Senza mamma und ihre Selbstmord-Szene. Das prominenteste Beispiel ist allerdings Laurettas O mio babbino caro – was in Konzerten leider oft losgelöst vom Kontext gegeben wird, als populäre Zugabe, bei der man noch einmal die schöne Stimme zeigen kann. Die Aufnahme der Callas lässt indes keinen Zweifel dran, worum es hier geht: Heiratswillige Tochter triggert Vater mit emotionaler Erpressung (»Sollte meine Liebe vergebens sein, gehe ich zur Ponte Vecchio und stürze mich in den Arno!«).

»›Wie schwer es ist, glücklich zu sein.‹ Giorgettas Seufzer aus Il tabarro steht wie eine Überschrift über den drei Teilen von Puccinis Il trittico. Wie wir einander, getrieben von unseren Leidenschaften und Sehnsüchten, die Hölle auf Erden bereiten – auf jeweils ganz unterschiedlichen Weisen ist dieses große Menschheitsthema in Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi verarbeitet. Ein Satz aus Jean-Paul Sartres Die geschlossene Gesellschaft würde sich deshalb auch ganz gut als Überschrift eignen: ›Die Hölle, das sind die anderen.‹«