Zerstört und wiederaufgebaut. 80 Jahre nach den Bomben
Saison 2024/2025 |
Auf den Tag genau 80 Jahre ist es her, dass die Wiener Staatsoper von Bomben getroffen wurde. Große Teile des Hauses brannten aus, erst nach 24 Stunden konnte man das Feuer löschen. Bühne, Werkstätten und Zuschauerraum wurden ebenso zerstört wie die im Prater befindlichen Dekorationswerkstätten.

Dem Bombardement ging in der Zeit zwischen 1938 und 1945 das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Hauses voran. Unmittelbar nach dem »Anschluss« war die Barbarei des NS-Regimes auch im Haus am Ring voll angekommen. Beklemmend penible Listen jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden veröffentlicht, die sofort zu beurlauben, zu kündigen oder in Zwangspension zu schicken waren – aus dem Orchester, dem Chor, dem Ensemble, dem Betrieb und der Verwaltung. All das war von langer Hand geplant, die illegalen nationalsozialistischen Betriebszellenorganisationen im Haus hatten schon vor dem »Anschluss« Vorarbeit geleistet.
Jüdische, »jüdisch versippte« – so der Wortlaut der NS-Ideologen – und politisch andersdenkende Mitarbeiter wurden verfolgt, ausgegrenzt, vertrieben und ermordet, Künstlerinnen und Künstler durften nicht mehr auftreten, Werke jüdischer Komponisten mussten verstummen. Auf höheren Befehl erklangen nun Opern wie Königsballade des Nationalsozialismus-Verherrlichers Rudolf Wille – nur wollte das Werk keiner hören: mangels Publikumszuspruch gab’s letztlich nur vier Vorstellungen. Man spielte, künstlerisch eingeschränkt, weiter, hatte doch die Staatsoper nun vor allem die Funktion, die Bevölkerung abzulenken. 1945 war dann Schluss – aber nicht Wagners Götterdämmerung, wie die Legende oftmals erzählt, war die letzte Vorstellung, sondern Friedrich von Flotows Martha am 5. Jänner 1945.

Am 12. März folgte dann eben die Zerstörung. Doch schon knapp zwei Monate später, unmittelbar nach der Befreiung Wiens, wollte man wieder spielen. Also beeilte man sich, einen künstlerischen Notbetrieb zu ermöglichen: In der Volksoper gab die Staatsoper – unterstützt durch die Sowjets – am 1. Mai 1945 bereits wieder Mozarts Hochzeit des Figaro, am 24. Mai 1945 verkündete Staatssekretär Julius Raab den Wiederaufbau des zerstörten Hauses am Ring, am 6. Oktober 1945 eröffnete man als zweites Ausweichquartier das eilig restaurierte Theater an der Wien. In diesen beiden Häusern sollte die Wiener Staatsoper die kommenden zehn Jahre lang spielen.
Zerstört und wiederaufgebaut
Währenddessen entstand das Haus am Ring neu. Einstimmig unterstützten die Parteien der provisorischen Regierung 1945, bestehend aus ÖVP, SPÖ und KPÖ, den Plan des Wiederaufbaus, entgegen mancher Legende stand ein Abriss des Hauses nie zur Diskussion. Unterstützt wurde man auch von den Alliierten: finanziell, mit Baumaterialien und mit technischem Know-how. Was nun am Ring gebaut wurde, war eine Mischung aus Historismus anno 1869 und dem Stil der 1950er im Inneren, ein architektonisches Wechselspiel, das bis heute den einzigartigen Charakter des Gebäudes ausmacht.

Die feierliche Wiedereröffnung fand 5. November statt. Nach einem Festakt am Vormittag mit viel Politik spielte man am Abend Beethovens Fidelio, die Oper schlechthin über unrechte Herrschaft und Befreiung aus Liebe. Die Vorstellung wurde zum Symbol für ein neues Österreich. Wer nicht dabei war, konnte über Lautsprecher mithören, 40 Rundfunkanstalten aus der ganzen Welt übertrugen die Aufführung, gleichzeitig schlug auch die Geburtsstunde des Österreichischen Live-Fernsehens: in Sälen und Gasthäusern – denn wer hatte 1955 schon ein TV-Gerät daheim – drängten sich die Menschen, um wenigstens via Fernsehen dabei zu sein. Streng wurde über die Eintrittskartenvergabe gewacht, bis zu 5.000 Schilling kostete ein Platz, selbst Politiker und Ehrengäste bekamen keine Freikarten. Und wer einen (Steh-)Platz im freien Verkauf wollte, stellte sich tagelang an.