Monteverdi und das Erbe des Musiktheaters

Saison 2020/2021 |

Monteverdi verband Musik und Theater auf einzigartige Weise. Wie lebt sein Erbe heute weiter – und was bedeutet das für moderne Operninszenierungen?

Claudio Monteverdi hatte eine bahnbrechende Vision: Musik und Theater als zwei untrennbare Ausdrucksformen zu verschmelzen. Diese innovative Idee wurde jedoch im Lauf der Operngeschichte häufig kompromittiert. Eine zu starke Fixierung auf die Partitur und die „reproduzierbaren“ Elemente der Oper verdrängte oft den lebendigen, szenischen Augenblick. Statt als gegenwärtige Theaterkunst verankert zu bleiben, reduzierte sich die Oper vielfach auf ein kulturelles Ritual, oft mit prominenten Dirigenten und Gesangsstars im Vordergrund.

Um das festgefahrene Repertoire auf den Spielplänen der Opernhäuser aufzubrechen, ist unkonventionelle szenische Kreativität erforderlich. Für die Wiener Staatsoper ist dies mit Barrie Koskys Beteiligung an einem dreijährigen Mozart-Da-Ponte-Zyklus ein bedeutender Schritt – ein Gewinn, der durch die Ambitionen des Opernintendanten Bogdan Roščić ermöglicht wurde.

Barrie Kosky: Meister der Inszenierung

Barrie Kosky zählt zu den innovativsten Opernregisseuren unserer Zeit. Als Regisseur, Pianist und Performer schöpft er aus einer Vielzahl kultureller Einflüsse, die er zu einem einzigartigen Erlebnis verbindet. Bereits 2003 stellte er dies in Wien unter Beweis, als er Monteverdis Musik mit Cole-Porter-Songs verknüpfte. Kosky meistert die Balance zwischen klassischer Oper und modernen Einflüssen, indem er ästhetische und kulturelle Vielfalt zusammenführt und immer neue Perspektiven schafft.

Kritischer Denker und Meister der Unterhaltung

Kosky bricht mit traditioneller „Ehrfurcht“ vor Klassikern und bevorzugt lebendige, intelligente Unterhaltung, sei es Offenbach oder Wagner. Für ihn muss Theater – gerade in der Oper – authentisch und kraftvoll sein. Gemeinsam mit Choreographen und Bühnenbildnern schafft er für jede Inszenierung ein unverwechselbares Erlebnis. Kosky vermeidet stereotype Stilmittel und entwickelt für jedes Stück eine individuelle, tief durchdachte Form.

Vielfalt und Offenheit: Koskys Engagement in Berlin

Als Nachfahre jüdisch-russischer und polnisch-ungarischer Einwanderer hat Kosky seit 2012/13 die Komische Oper Berlin auch für die türkische Community geöffnet. Seine Inszenierungen richten sich häufig gegen rassistische und sexistische Stereotype und fordern Denkanstöße zu Identität und Vielfalt. Souverän setzt sich Kosky auch mit provokanten Themen auseinander und ist bereit, sich in kritischen Diskursen zu behaupten.

Eine Neudeutung: „Fürst Igor“ in Paris

Kosky inszenierte Alexander Borodins Oper „Fürst Igor“ 2018 in Paris mit dem Dirigenten Philippe Jordan und brachte dabei die epische Struktur und musikalische Breite dieses Werks eindrucksvoll auf die Bühne. Er betonte die religiös-anmutende Dramatik der Chorstücke und präsentierte die Oper als vielschichtiges, kraftvolles Musiktheater. Koskys innovativer Zugriff inszenierte die Handlung um Fürst Igor als eine tragische, körperliche Erschütterung – eine Darstellung von Macht, Schwäche und Konflikt, die tief beeindruckte.

In der Pariser Aufführung zeigte sich die körperliche Verfassung Igors als Symbol für sein zerrissenes Schicksal, verstärkt durch starke, choreografische Bilder, die emotionale Intensität und Intellektualität vereinten. Diese Inszenierung von „Fürst Igor“ verdeutlicht Koskys Fingerspitzengefühl und seinen spielerischen Umgang mit den Bedeutungen und Freiräumen der Vorlage.