Mit den Ohren von heute gehört

Saison 2024/2025 |

Ida Gut kreiert erstmals ein Kostümdesign für den Opernball

Die Eröffnung des 67. Wiener Opernballs am 27. Februar 2025 verzaubert mit einem besonderen Glanzstück: Ballettdirektor Martin Schläpfer hat für 20 Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts und vier Studierende der Ballettakademie der Wiener Staatsoper eine neue Choreographie zum berühmten Kaiserwalzer von Johann Strauß (Sohn) geschaffen. 

Die Kostüme sind exklusive Kreationen von Ida Gut. Die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Schweizer Designerin steht mit ihrem Label seit über dreißig Jahren für Mode mit einzigartiger Schnitttechnik, hochwertigen Materialien und höchstem handwerklichen Anspruch. Regelmäßig ist sie mit ihren Kollektionen bei den wichtigen europäischen Fashion Shows sowie in Ausstellungen in der Schweiz, Japan und China vertreten. In ihrem Zürcher Atelierladen verbindet sie gekonnt Entwurf und Verkauf mit Nachhaltigkeit. Anlässlich ihres Kostümdesigns für den Opernball sprach Anne do Paço mit der Modeschöpferin. 

AdP: Wien und seine Bälle: das ist eine besondere Tradition. Was verbinden Sie damit?

IG: Ich bin ein unbeschriebenes Blatt, was den Wiener Opernball betrifft. Natürlich kenne ich Bilder davon. Nicht allzu viel über seine Geschichte und die Traditionen zu wissen, regt mich zum Denken an und motiviert mich, mich unvoreingenommen der Aufgabe zu widmen. Mich interessiert die Suche nach etwas, das ich noch nicht kenne. 

AdP: Was hat Sie an einem Kostümdesign für Martin Schläpfer gereizt?

IG: Es sind oft einzelne Mosaiksteinchen (eine Begegnung, ein Anlass, ein Gespräch) und Zufälle, die das eine zum anderen bringen. Ein Puzzleteil, das passt. Auch wenn ich nicht als Kostümbildnerin arbeite, ist die Bühne mir nicht unvertraut. Es gibt durchaus Verbindungen zu einer Modeschau auf dem Laufsteg. Auch hier geht es um Präsenz und Wirkung. Wenn unsere Berufe vordergründig auch nichts miteinander zu tun haben: Beides sind »unmögliche« Tätigkeiten, mit denen man sich enorm exponiert, und bereits bei den ersten Sätzen, die wir austauschten, war für mich klar, dass Martin Schläpfer und ich gut zueinander passen. Ich hatte mich schon in anderem Zusammenhang mit Fragen wie »Was ist Bewegung? Was ist Tanz? Was kann ein Kleidungsstück machen?« beschäftig, aber vorerst sehr unspezifisch. Dann kam die Anfrage von Martin Schläpfer und ich konnte etwas zur Reife bringen, das sich auf einem Nebenschauplatz schon entzündet hatte. Hat es etwas mit unserer Herkunft aus der Appenzeller Region zu? Gibt es ähnliche Wurzeln oder Prägungen, wie man Dinge anschaut, an Dinge herangeht, welche Haltung man entwickelt? 

AdP: Sie gelten als Schnittvirtuosin. Welche Ideen stehen hinter Ihrem Kaiserwalzer-Entwurf?

IG: Im besten Fall lösen die Kleidungsstücke etwas beim Choreographen aus. Ich hatte das Bild des großen Ballsaals vor mir und eine Vorstellung, dass man diesen Raum füllen muss. Es braucht Volumen. Im Zentrum meines Entwurfs steht die Hose. Alle, Männer wie Frauen, tragen eine Hose. Das ist für einen Opernball untypisch. Eine Männerhose ist im Entwurf weitaus komplexer als ein Rock. Ich denke immer aus der Konstruktion heraus. In Wien handelt es sich um »Flügelhosen«. Durch Volumen und ein ziemlich sperriges Material erhalten sie einen skulpturalen Charakter. Sie nehmen die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer auf und verstärken diese. Licht und Reflektion spielen ebenfalls eine große Rolle – und das, was in der Bewegung passiert. 

AdP: Was verbinden Sie mit der Musik von Johann Strauß (Sohn)? 

IG: Der Kaiserwalzer hat in seiner Klangabfolge eine Großartigkeit, die seit über 130 Jahren wohl alle Zuhörenden berührt. Am Opernball tanzen Menschen von heute zu dieser Musik von damals. Auch für meine Arbeit habe ich mir den Kaiserwalzer bewusst als Mensch von heute angehört. Mit Ohren von heute. Für mich ist es wichtig, aus dem Jetzt heraus zu arbeiten. Denn auch Traditionen verändern sich. Es geht mir aber nicht um einen Gegenentwurf, sondern bleibt eine Gratwanderung, bei einem solch großartigen Stück die richtige Dosierung zu finden, eine zeitgemäße Lösung, die sich schlüssig anschließt.

AdP: In ihren Kollektionen legen Sie großen Wert auf Nachhaltigkeit und eine lokale und faire Produktion – gilt das auch für Ihre Opernball-Kostüme?

IG: Wirklich nachhaltig wären die Kostüme, wenn das Ensemble nicht nur einmal, sondern hundert Mal darin tanzen dürfte. Es wird so viel über Nachhaltigkeit gesprochen und vieles marketingtechnisch ausgeschlachtet. Aber die meisten wissen gar nicht mehr, was es heißt, ein Produkt zu machen oder nachhaltig zu konsumieren. Natürlich ist es nachhaltig, die Stücke lokal zu produzieren. »Wert legen« hat für mich etwas mit einer Grundhaltung zu tun, wie man mit dem Prozess arbeitet. Für mich ist sehr wertvoll, die Menschen aus der ganzen Produktionskette zu kennen. Nachhaltigkeit ist eine grundsätzliche Lebenshaltung. 

AdP: Können Sie uns noch etwas mehr Details über Ihre Arbeitsprozesse geben? 

IG: Ich kreiere nicht Couture, also Maßanfertigung, sondern mache in der Regel Kleinserien, bei denen die Arbeitsabläufe anders angelegt sind. Für den Kaiserwalzer habe ich zehn Kostüme für Tänzerinnen, zehn für Tänzer und vier für Kinder entworfen. Zu Beginn eines Projekts hat man ja immer erst eine Ahnung und noch keine Gewissheit. Ich arbeite grundsätzlich sehr schnell im Prototyp. Ich mache nicht erst einen zeichnerischen Konzeptentwurf, sondern entwerfe im Prozess, was mir mehr liegt und ich sehr viel interessanter finde. Als ich in Wien meine Entwürfe vorgestellt habe, lag also bereits ein ganzer Prozess mit dreidimensionalen Umsetzungen hinter uns, sodass wir sofort beurteilen konnten, wie sich das Material in der Bewegung verhält. 

AdP: Was werden Sie am Opernball tragen?

IG: Ich habe so viel über die Kostüme der Tänzerinnen und Tänzer nachgedacht. Mein Beruf ist es, für andere zu denken, es geht mir nicht um eine Eigendarstellung.

Mehr Informationen über Ida Gut: www.idagut.ch

© Wiener Staatsoper
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