Liebesglück ohne Zuckerguss

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Zur Wiederaufnahme von »Arabella«

Wie fing alles an? Und: Wann? Antwort: Sehr früh. Nämlich bereits im Jahr 1910, fast 25 Jahre vor der Uraufführung der Oper, als Hugo von Hofmannsthal eine knappe Novelle (mehr ein Entwurf) mit dem Titel Lucidor verfasste. Es geht darin um eine verarmte Witwe, die zwei Töchter hat: die ältere Arabella und die jüngere Lucile. Nur darf zweitere nach außen keine Frau sein, denn der finanzielle Rahmen zwingt die Familie zum Sparen – und Lucile zum Verkleiden als jungen Mann, eben Lucidor, denn das Ausstatten eines Sohnes ist billiger. »Es lebte sich leichter mit einer Tochter als mit zweien von nicht ganz gleichem Alter; denn die Mädchen waren immerhin fast vier Jahre auseinander; man kam so mit einem kleineren Aufwand durch.« Damit sind die Weichen für ein Verwirrspiel gestellt – und dieses sollte sich nach Hofmannsthals Plan zu einer vollgültigen Komödie auswachsen. Doch dazu kam es nie. Der Text lag brach – bis der Komponist Richard Strauss seinen Lieblingsdichter Hofmannsthal um ein weiteres Libretto bat, »einen zweiten Rosenkavalier ohne dessen Fehler und Längen«. 

Nach einigen Zwischenschritten schließlich skizzierte Hofmannsthal seinen neuen Operntext als einen, der »an Lustigkeit dem der Fledermaus nicht nachgibt – und dem Rosenkavalier verwandt ist«. Man arbeitete gemeinsam, doch sollte Hofmannsthal die Uraufführung 1933 in Dresden nicht mehr erleben, er verstarb an den Folgen eines Schlaganfalls.

Vieles an diesem Opernstoff Arabella erkennt man aus Lucidor wieder: Wien als Handlungsort, die Verkleidung, einzelne Figuren. Und doch ist die Oper, nicht nur im Bezug auf eine viel komplexere Handlung, anders: Die Figur der Arabella wird aufgewertet, nun ist sie die Zentralperson – und ihr werden deutlich positivere Charaktereigenschaften zugeschanzt als in der Novelle. Dass es vor allem um ihr Liebesglück geht, ist auch neu: dieses erfährt sie mit Madryka, einem kroatischen Grafen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass sich beide auf den ersten Blick verlieben und eine Wahrsagerin am Anfang der Oper die Grundtendez des Geschehens vorhersagt. Es klingt also vieles mit in dieser zutiefst romantischen Oper: eine Art Bestimmung füreinander, Vertrauen, Glaube und letztlich das Glück, dass es den oder die Richtige – bei allen Schwierigkeiten – tatsächlich gibt.

Das wird übrigens auch musikalisch unterstrichen. Der eigentliche »Schlager« dieser Oper, der so rein gar nichts Schlagerhaftes hat, ist ein Duett, das Arabella und ihre Schwester singen: »Der Richtige, wenn’s einen gibt für mich / der wird mich anschaun und ich ihn / und keine Zweifel werden sein und keine Fragen«. Die Melodie dieser betörenden, und nach dem ersten Mal Hören unvergesslichen Szene ist übrigens kein originaler Strauss: der Komponist entlehnte sie aus einem slawischen Volkslied. Dass diese Melodie bereits in der Szene mit der Wahrsagerin im Untergrund erklingt, zeigt nur einmal mehr, wie sehr Mandryka und Arabella von Anfang an zusammengehören.

Noch im Uraufführungsjahr war Arabella an der Wiener Staatsoper zu erleben, inszeniert von Lothar Wallerstein, mit der großen Lotte Lehmann in der Titelpartie. Zahlenmäßig so richtig losgegangen mit einer Staatsopern-Arabella ist es allerdings erst 1959, als die inzwischen dritte Neuproduktion herauskam: Joseph Keilberth dirigierte, Lisa Della Casa sang die Titelpartie, insgesamt 100 Mal war diese Produktion zu erleben.

2006 schließlich feierte die aktuelle Inszenierung Premiere – inszeniert von Sven-Eric Bechtolf. Dabei verlagerte er die Handlung in die Entstehungszeit der Oper, also in die 1930er Jahre, um der Gefahr zu entgehen, »eine Liebesschnulze aus vergangenen Zeiten« zu erzählen.

Die aktuelle Wiederaufnahme bringt neben bemerkenswerten Sänger­namen auch einen große Dirigenten: Christian Thielemann, der diese Spielzeit bereits für seine Palestrina-Wiederaufnahme gefeiert wurde, fügt mit dieser Strauss-Oper seinem Staatsopern-Repertoire ein weiteres Werk hinzu.