»Il trittico« – eine Trilogie für die Ewigkeit
Saison 2023/2024 |
Puccinis Il trittico hat sich, mehr als hundert Jahre nach seiner Uraufführung, einen festen Platz im Opernrepertoire erobert. Die Mischung aus verschiedenen emotionalen „Farben“ und die brillante Musikalität machen die Trilogie zu einem außergewöhnlichen Werk, das nicht nur Puccinis Schöpferkraft bezeugt, sondern auch die Vielfalt der Oper als Kunstform aufzeigt. Die besondere Dramaturgie des Werkes ist heute noch so relevant wie zu Zeiten seiner Uraufführung – und wird auch in Zukunft immer wieder die Herzen von Opernliebhabern erobern.
»Il trittico« – Das Triptychon der Opernwelt
Der Begriff Triptychon ist aus der Kunstgeschichte bekannt und bezeichnet drei zusammengehörige oder miteinander verbundene Werke, sei es in der Malerei, der Bildhauerei oder in der Architektur. Häufig finden Triptychen in christlichen Kirchen Verwendung, wo sie als Altarkunstwerke dienen. Doch was hat der berühmte Opernkomponist Giacomo Puccini mit diesem Kunstbegriff zu tun? Ist der Schöpfer realistischer Menschendramen, der Orchestrator der tragischen Schicksale von Tosca und Madama Butterfly, wirklich in der Lage, ein solches Triptychon zu komponieren?
Puccinis Trilogie: Ein ungewöhnliches Werk
Puccini selbst sprach lieber von einem Triolet statt von einem Triptychon. Dies war bereits ein erster Hinweis darauf, dass seine Trilogie von Einaktern, die 1918 in New York uraufgeführt wurde, ein außergewöhnliches Werk war. Zunächst war der Name Il trittico weder auf den Klavierauszügen noch auf den Programmen der Uraufführung zu finden. Trotz der Anlage als Trilogie boten die ersten Aufführungsverträge die Möglichkeit, die einzelnen Einakter separat aufzuführen. Diese Flexibilität wurde auch schnell genutzt, und so wurde das Werk lange Zeit im Opernrepertoire unterschätzt. Doch trotz dieser Anfangsschwierigkeiten ist es heute ein geschätztes Meisterwerk, dessen besondere Reize immer wieder neu entdeckt werden.
Puccinis Vision eines „emotionalen Triptychons“
Schon um 1900 hatte Puccini die Idee, eine Trilogie zu schaffen, die aus drei unabhängigen Einzelwerken bestehen sollte, die jedoch eine gemeinsame Aufführung erfahren sollten. Die große Herausforderung bestand darin, die richtigen Stoffe und die passende emotionale „Färbung“ zu finden. Puccini wollte keine inhaltliche oder musikalische Verbindung zwischen den Werken schaffen, sondern sie sollten jeweils eine eigene Stimmung oder „Farbe“ verkörpern: tragisch, sentimental und komisch. Diese „Farben“ holte er aus den Straßen von Paris, die er in seiner Oper La Bohème verewigte.
Il tabarro – Die tragische Farbe
Der erste Einakter der Trilogie, Il tabarro (Der Mantel), wurde durch ein Stück von Didier Gold inspiriert, das Puccini 1912 im Pariser Théâtre Marigny sah. Der Stoff schien ideal für die tragische Farbe, die Puccini suchte. Es geht um Michele, einen Schiffer, dessen Frau Giorgetta eine Affäre mit dem Arbeiter Luigi hat. Die Tragödie kulminiert in einem Mord: Michele tötet Luigi und präsentiert seiner Frau die Leiche ihres Geliebten in seinem Mantel, der einst Symbol für Geborgenheit und Schutz war. Puccinis Musik unterstreicht die düstere Atmosphäre der Oper mit einem Flussmotiv, das in wechselnden Takten immer wieder auftaucht und ein Gefühl der Ausweglosigkeit vermittelt.
Suor Angelica – Die sentimentale Farbe
Der zweite Teil der Trilogie, Suor Angelica, wurde von Puccini als sentimentales Werk konzipiert und war die einzige Originaldichtung in der Trilogie, geschrieben von Giovachino Forzano. Die Geschichte spielt in einem Kloster, wo die Nonne Angelica nach Jahren der Buße von ihrer Tante besucht wird, die ihr mitteilt, dass ihr uneheliches Kind vor Jahren gestorben ist. In ihrer Verzweiflung nimmt Angelica Gift und stirbt, was als mystische Verklärung dargestellt wird. Musikalisch spiegelt sich die sentimentale „Farbe“ in den ruhigen, klanglichen Motiven und der dramatischen Verwandlung Angelicas wider.
Gianni Schicchi – Die komische Farbe
Der letzte Einakter der Trilogie, Gianni Schicchi, ist ein vollkommenes Kontraststück zu den beiden vorherigen Werken. Die Geschichte basiert auf einem Abschnitt aus Dantes Göttlicher Komödie und ist die humorvolle Geschichte eines Mannes, der sich als ein verstorbener Onkel ausgibt, um das Testament zu manipulieren. Der Einakter entwickelte sich schnell zum beliebtesten Stück der Trilogie und wird oft mit anderen Einaktern kombiniert. Besonders hervorzuheben ist die berühmte Arie „O mio babbino caro“, die Lauretta, Schicchis Tochter, singt.
Puccinis Musik ist hier so meisterhaft, dass sie die Komödie perfekt unterstreicht und gleichzeitig die tragische Komik der Handlung verstärkt. Der synkopische Beginn und die lebendigen Dialoge zwischen Orchester und Figuren machen Gianni Schicchi zu einem musikalischen Höhepunkt der Trilogie.
Ein moderner Theaterexperiment
Mit Il trittico schuf Puccini ein modernes Opernexperiment, das über die traditionellen Grenzen hinausgeht. Es kombiniert verschiedene emotionale „Farben“ – tragisch, sentimental und komisch – und stellt so eine ungewöhnliche Dramaturgie dar, die bis heute immer wieder eine Entdeckung wert ist. Dieter Schickling, in seiner Biographie über Puccini, verweist darauf, dass Il trittico in seiner episodischen Struktur eher mit Werken wie Alban Bergs Wozzeck verglichen werden kann als mit den klassischen Opern des 19. Jahrhunderts.