»Fin de partie« - Wie es (vielleicht) endet

Saison 2024/2025 |

Mit Fin de partie hat György Kurtág möglicherweise einen neuen Klassiker des zeitgenössischen Musiktheaters geschaffen.

Eine Sensation in der Musikgeschichte

Es war eine wahre Sensation: 92 Jahre alt, feierte György Kurtág 2018 in Mailand die Uraufführung von Fin de partie – seiner ersten Oper. Dieses Werk ist nicht nur das längste im gesamten Katalog des ungarischen Komponisten, sondern auch ein zentrales Highlight seines 60-jährigen Schaffens. Kurtág, bekannt für seine kleinen, prägnanten musikalischen Formen, beschloss, mit Fin de partie das Gegenteil zu schaffen: eine opulente, komplexe Oper. Dennoch bezeichnet er die aktuelle Fassung als „vorläufig“ – trotz der Tatsache, dass er inzwischen 97 Jahre alt ist.

Die Oper krönt ein einzigartiges vokales Werk, das sämtliche Facetten der Musik umfasst: von Orchestermusik und Solostimmen über Kammermusik bis hin zu Chorwerken. Der Titel Samuel Beckett: Fin de partie: Scènes et Monologues spiegelt die episodische Struktur wider, die sowohl Kurtágs als auch Becketts Werke kennzeichnet. Kurtág nutzt etwa 60% des Originaltexts von Beckett, hebt die einzelnen Momente so hervor, dass sie fast für sich allein stehen könnten, und folgt dabei der dramatischen Struktur des Stücks.

Kurtág und Beckett: Eine lange Verbindung

Kurtág hat sich schon zuvor mit Texten von Samuel Beckett beschäftigt: Zwei Werke aus den 1990er Jahren, What is the Word und pas a pas … nulle part, vertonen Beckett-Texte. Doch Fin de partie ist besonders prägend für den Komponisten. 1957, im Jahr der Uraufführung von Becketts Stück, sah Kurtág es in Paris und gab zu, „nichts verstanden“ zu haben. Doch die Faszination blieb, und 61 Jahre später brachte er Becketts Werk als Oper auf die Bühne.

Das Stück selbst, das Becketts Werk als Klassiker des „absurden Theaters“ etabliert, stellt eine Welt dar, in der die Absurdität des Lebens und das Fehlen jeglicher Bedeutung zentrale Themen sind. Diese Philosophie zieht sich durch das gesamte Werk und wird durch Kurtágs Musik auf brillante Weise zum Leben erweckt.

Die Philosophie von Beckett und die Absurdität

„Das Endspiel“ ist eines von Becketts bekanntesten Theaterstücken. Es hat zahlreiche Denker, darunter auch Theodor W. Adorno, inspiriert. In seinem berühmten Aufsatz von 1958 argumentierte Adorno, dass Becketts Werk die Freiheit des Individuums und die Suche nach Sinn aufhebt. Für Adorno ist Fin de partie das „Ende“ der menschlichen Freiheit – ein Werk, das die Unmöglichkeit des Verstehens thematisiert. Beckett selbst weigerte sich jedoch, klare Erklärungen zu liefern, was zu einem Rätsel für viele Regisseure und Interpreten wurde. Seine Antworten auf Fragen zu Details des Stücks waren oft lakonisch, um nicht zu viel Bedeutung in das Werk zu legen.

Interessant ist, dass Beckett selbst darauf bestand, dass „die Schauspieler nicht die Auflösung eines Gleichnisses spielen“, sondern vielmehr die Absurdität des Geschehens darstellen sollten – eine Herausforderung für Darsteller, die die unaufgelöste, komplexe Natur von Becketts Werk authentisch wiedergeben sollten.

Kurtágs Meisterstück

Kurtág, der sich intensiv mit Becketts Text auseinandersetzte, bevor er mit der Komposition begann, schuf ein Musikwerk, das Becketts „Absurdes“ zum Leben erweckt. Wie die Dirigentin Simone Young beschreibt, gelingt es Kurtág, Töne und Geräusche zu finden, die das Nicht-Gesagte und das Abwesende ausdrücken – die Abwesenheit von rationalem Sinn. In 13 Szenen und einem epilogischen, wortlosen Abschnitt entsteht eine unverwechselbare Klangsprache, die hochtheatral ist. Kurtág komponiert so präzise, dass er die Musik mit der Dramaturgie von Becketts Schauspiel in Einklang bringt.

Die Bedeutung der Aufführung

In der Wiener Neuproduktion, unter der Leitung von Simone Young und dem Regisseur Herbert Fritsch, wird klar, wie Kurtág Becketts Werk nicht nur respektiert, sondern ihn an den richtigen Stellen sogar noch verstärkt. Sängern und Sängern gibt er genaue Anweisungen in Dynamik und Ausdruck, während Schauspieler mehr Freiheit haben. Diese Balance ermöglicht eine tiefere Auseinandersetzung mit der Beckett’schen Komik, die in den oft zarten und überraschenden Momenten von Kurtágs Musik mitschwingt.

Das Publikum wird eingeladen, an dieser subtile, manchmal erschreckenden, aber immer faszinierenden Reise teilzunehmen – ein Erlebnis, das sowohl zum Staunen als auch zum Lachen anregt.