Der Jubel ist vorprogrammiert
Interview |

Mittlerweile kann kein Opernhaus der Welt, das etwas auf sich hält und sein Publikum zufriedenstellen möchte, an Xabier Anduaga vorbeigehen: Der knapp 30-jährige spanische Tenor verfügt über ein in allen Lagen unfassbar schönes Timbre, eine große Stimme, die er aber mühelos bis zum Pianissimo zu skalieren vermag, eine makellose Technik und ein Charisma, das alle Blicke auf ihn zieht. Als er im Februar 2024 als Ernesto in Don Pasquale an der Wiener Staatsoper debütierte, drehten sich sogar so manche im Orchestergraben in Richtung Bühne, um diesen Ausnahmesänger während seiner Arie im zweiten Akt besser in Augenschein nehmen zu können. Der Jubel des Publikums war ihm an diesem Abend selbstverständlich ebenso sicher wie zwei Monate darauf als Nemorino in Donizettis Liebestrank. Bei der berühmte Arie »Una furtiva lagrima« stand das Haus geradezu Kopf.
Genauso wie bei der Saisonpräsentation im April 2024, bei der er die halsbrecherische Arie »Ah, mes amis« mit den neun hohen Cs aus der Regimentstochter mühelos aus dem Ärmel zu schütteln schien. Und das an einem Vormittag! Nun kehrt er im März an der Seite von Nadine Sierra und KS Sir Bryn Terfel zurück ans Haus, um abermals als Nemorino zu beglücken. Dazu passend das folgende Gespräch mit dem Künstler.
Sie haben an der Staatsoper bis jetzt u.a. als Ernesto und als Nemorino begeistert. Beides Donizetti-Rollen – worin unterscheiden sie sich, welche ist schwerer?
Xabier Anduaga: Schwer zu sagen. Der Ernesto liegt insgesamt durchgehend höher und vieles spielt sich im herausfordernden Passaggio-Bereich ab. Andererseits hat der Nemorino insgesamt viel mehr zu singen, er ist fast durchgehend auf der Bühne – ein Duett jagt das andere, ganz abgesehen von der großen Arie im zweiten Akt, die nahezu jeder im Publikum schon von den größten Tenören gehört hat.
Da muss man sich erst einmal behaupten! Die Stimmkenner werden ja sofort nach dem letzten Ton dieser Arie die Köpfe zusammenstecken und ein Urteil fällen. Umgekehrt hat man die Chance, gerade mit diesem Schlager die Menschen zu beglücken – das ist es auch, warum ich meinen Beruf ergriffen habe: Ich möchte die Menschen glücklich machen. Kurzum: Ich mag beide Rollen.
Neben Donizetti singen Sie auch viel Bellini und Rossini. Wo liegen für den Tenor die Unterschiede zwischen diesen drei sogenannten Belcanto-Komponisten?
Xabier Anduaga: Donizetti und Bellini symbolisieren mit ihren langen, wunderschönen Legato-Phrasen genau das, was der Belcanto für mich ausmacht. Bei Rossini stehen die Koloraturen deutlicher im Vordergrund – da sind etwas andere vokale Klippen zu meistern.
Und wie sieht es mit Verdi aus? Der Alfredo in der Traviata oder der Rigoletto-Herzog gehören ebenso zu Ihrem Repertoire.
Xabier Anduaga: Der frühe und mittlere Verdi ist zum Teil gar nicht so weit von einem Donizetti entfernt. Ob Lucia di Lammer moor und Lucrezia Borgia oder Traviata und Rigoletto, bedeuten für mich weder vom Gesangsstil noch von der Gesangstechnik her einen unterschiedlichen Zugang. Etwas anderes sind natürlich die echten Spinto-Partien, aber die können noch etwas warten. Ich habe ja genügend schöne Rollen in meinem derzeitigen Fach – nicht nur bei den Italienern, auch ein Werther oder Roméo gehört hierher.
Und wie sieht es mit dem deutschen Fach aus?
Xabier Anduaga: Da muss ich zuerst mein Deutsch verbessern. Es wäre respektlos gegenüber den Werken und Komponisten, wenn ich etwas sänge, ohne eine hundertprozentige Textausdeutung anbieten zu können.
Worauf sind Sie in Ihrer bisherigen Karriere am meisten stolz? Auf konkrete Rollen? Debüts?
Xabier Anduaga: Weder noch. Ich bin stolz darauf, wenn ich in wichtigen Häusern nach meinem Debüt wieder eingeladen werde. Es ist sicher spannend, auf einer Bühne wie der Wiener Staatsoper erstmals singen zu dürfen. Aber wenn dann ein weiteres Angebot der Direktion kommt, empfinde ich das als Bestätigung dafür, dass das, was ich geboten habe, in Ordnung war.
Wer ist Ihr größter Kritiker. Wer darf Sie überhaupt kritisieren?
Xabier Anduaga: Meine Frau. Schon deshalb, weil Sie auch meine Gesangslehrerin ist. (lacht)
Und wann darf Sie etwas sagen? Gleich nach der Vorstellung oder hat sie bis zum nächsten Morgen zu warten, bis sich alles gesetzt hat?
Xabier Anduaga: Nein, nein, sie kann, sie muss sich sogar sofort melden, wenn etwas verbessert werden soll. Durchaus auch während der Vorstellung – es geht ja schließlich darum, für das Publikum das Beste aus mir herauszuholen!