Über das Werk
Im Märchenreich Allemonde – einem Land voller bedrückender Dunkelheit – regiert der greise König Arkel.
Zur Familie gehören seine Tochter Geneviève und seine Enkel, die Halbbrüder Golaud und Pelléas. Eines Tages findet Golaud an einem Wasser eine geheimnisvolle junge Frau. Die schöne Mélisande. Er nimmt sie heim und heiratet sie. Doch auch Pelléas fühlt sich seltsam von ihr angezogen und sucht immer intensiver ihre Nähe. Schließlich gesteht ihm auch Mélisande ihre Liebe. Die gemeinsame Flucht der beiden wird vom eifersüchtigen Golaud allerdings verhindert: Er tötet Pelléas und verletzt seine schwangere Frau schwer. Nach der Geburt ihres Kindes – einer Tochter – stirbt Mélisande. Über die Art der Beziehung zu Pelléas lässt sie den verzweifelten Golaud bis zum Schluss im Unklaren.
Pelléas et
Mélisande
Handlung
Golaud hat sich verirrt. Am Wasser trifft er auf eine fremde Frau. Die zutiefst Verstörte verweigert zunächst jede Hilfe und gibt nur zögernd ihren Namen preis: Mélisande. Eine Krone im Wasser erinnert an ihre Vergangenheit. Golaud will sie herausholen, doch Mélisande droht, sich umzubringen. Als Golaud ihr dann gesteht, auch er fühle sich verloren, willigt sie ein, ihn zu begleiten.

Sechs Monate später in Allemonde. Pelléas hat von seinem Halbbruder Golaud einen Brief erhalten, in welchem er mitteilt, dass er Mélisande geheiratet hat. Falls die Familie dies nicht akzeptieren wolle, werde er nicht mehr nach Allemonde zurückkehren. Golaud befürchtet, dass sein Großvater, der greise Arkel, dieser Ehe nicht zustimmt, da er für seinen Enkel andere Heiratspläne verfolgt. Geneviève, die Mutter von Pelléas und Golaud, liest nun diesen Brief dem halbblinden Patriarchen vor. Nur zögernd willigt dieser ein. Pelléas möchte Allemonde verlassen, um dem Hilferuf seines im Sterben liegenden Freundes zu folgen. Da auch der Vater von Pelléas erkrankt ist, untersagt ihm Arkel diese Reise.

Pelléas führt Mélisande zu einer Quelle, die einstmals Wunderkräfte besaß und fragt sie nach ihrer Beziehung zu Golaud aus. Mélisande weicht seinen Fragen mit einem Spiel aus. Dabei fällt ihr Ehering ins tiefe Wasser. Mélisande ist über den Verlust beunruhigt, doch Pelléas rät ihr, Golaud die Wahrheit zu sagen.
Zur selben Stunde hat Golaud einen Unfall erlitten. Mélisande pflegt ihn und offenbart ihm, wie unglücklich sie in Allemonde ist. Golaud hält ihr Unwohlsein für eine Begleiterscheinung ihrer Schwangerschaft. Als er tröstend ihre Hände nimmt, entdeckt er das Fehlen des Ringes. Mélisande lügt ihm vor, sie habe den Ring in einer Grotte, beim Muschelsuchen für den kleinen Yniold, Golauds Sohn aus erster Ehe, verloren. Golaud zwingt sie, den Ring noch in dieser Nacht zu suchen, Pelléas soll sie begleiten.
Pelléas führt Mélisande in eine Grotte, damit sie später Golaud die Suche nach dem Ring beschreiben könne. Als die beiden dort auf alte Bedürftige, Opfer einer Hungersnot, treffen, drängt Mélisande zur Umkehr.

Mélisande träumt mit einem Lied vor sich hin. Pelléas kommt, um von ihr Abschied zu nehmen. Mélisande bittet ihn, noch nicht abzureisen. Pelléas beginnt ein zunächst unschuldiges Spiel mit ihren Haaren, Mélisande lässt ihn gewähren. Als sich Pelléas leidenschaftlich in ihren Haaren verfängt, überrascht Golaud die beiden und tadelt sie wegen der „Kindereien“.
Golaud führt Pelléas zu den Zisternen des Todes. Erschauernd flieht Pelléas die unheimliche Stätte.
Der Dunkelheit entronnen, begegnet Pelléas erneut Mélisande. Golaud warnt ihn nochmals, er möge Mélisande künftig meiden. Vor Eifersucht getrieben, versucht Golaud seinen kleinen Sohn Yniold über die Beziehung von Pelléas und Mélisande zu verhören. Er will den Knaben zwingen, Mélisande und Pelléas zu bespitzeln.

Pelléas berichtet Mélisande, dass sein Vater endlich wieder gesund sei. Dieser habe ihn beschworen, sofort abzureisen. Beide verabreden sich zu einem letzten Treffen. Arkel ist glücklich über die Genesung von Pelléas’ Vater und hofft, dass nun für die hochschwangere Mélisande wie auch für die ganze Familie eine glücklichere Zeit anbrechen wird. Neidisch demütigt Golaud Mélisande und misshandelt sie, bis Arkel versucht, ihn zur Vernunft zu bringen.
Yniold sucht nachts nach seinem Spielzeug. Er wird gewahr, dass die Schafe gestorben sind. Pelléas und Mélisande gestehen einander ihre Liebe. Als die Tore geschlossen werden, sind sie bereit zur gemeinsamen Flucht. Golaud vereitelt dies, indem er Pelléas tötet und Mélisande verletzt.
Mélisande ist durch die vorzeitige Geburt ihres Kindes, einer Tochter, geschwächt. Golaud unternimmt einen letzten Versuch, von ihr die Wahrheit zu erfahren. Vergeblich.

Debussy machte das Wasser zu einem Wesenszug von Pelléas et Mélisande. Zugleich werden alle Charaktere in einem inneren Eingeschlossen-Sein, einsam und isoliert gezeigt. Dem entsprach Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli mit einem Bühnenraum, der an einen von Wasser gefluteten Bunker erinnert, einen abgeschlossenen Rückzugsort voller diffuser Tiefe, der alle Schattierungen, Brechungen und Reflexionen der Musiksprache Debussys widerspiegelt. Doch es gibt die Hoffnung auf das Licht, die Hoffnung auf einen neuen Morgen. Einen utopischen Horizont dem Mélisande am Ende entgegentreibt.
Claude Debussys einzige vollendete Oper gilt als Solitär der Operngeschichte, die sich keiner konkreten Tradition zuordnen lässt. Unter der täuschenden Oberfläche schimmert vom ersten Takt der Musik an eine zweite, fast bodenlose, unerklärliche Dimension, durch die das symbolistische Stück seine tieferliegende Bedeutung gewinnt. Die Musik ist sehr eng an die die Besonderheiten der französischen Sprache gebunden und zeigt eine ungemeine Wort-Ton-Einheit. Das Orchester besticht durch seine raffinierte Farbigkeit, die Klangsprache ist verhalten und zugleich voll innerer und verinnerlichter Spannungen und Leidenschaften. Zugleich liegt, laut dem Dirigenten, eine Art Reinheit in der Oper, die den Hörenden in einen Schwebezustand zu versetzen scheint, weit außerhalb der realen Welt.
Die 1902 in Paris uraufgeführte Oper basiert auf Maurice Maeterlincks gleichnamigen Schauspiel – einem wesentlichen Werk des Symbolismus. Dementsprechend lebt auch die Vertonung von Ahnungen, sonderbaren Koinzidenzen, Andeutungen und einer Dramaturgie, die sich nur bedingt an einer logischen Handlungsfolge orientiert. Grob gesehen kann man in Pelléas et Mélisande eine Parabel, eine Dreiecksgeschichte sehen.
Aber das Stück will mehr. Alle Figuren sind von der geheimnisvollen wie unerklärbaren Welt des Wassers, der Mélisande entsprungen scheint, angezogen. Alle versuchen dorthin zu gelangen, wo der Schlüssel des Lebens liegt, tief verborgen in der Unergründlichkeit des Wassers. Doch der Zugang zu diesem Geheimnis scheint den Sterblichen verwehrt zu sein. Pelléas et Mélisande ist zwar weltweit regelmäßig auf den Spielplänen zu finden, doch zählt diese von Kennern hochgehaltene Kostbarkeit dennoch nach wie vor als Geheimtipp.