Über das Werk
Zentrales Thema in Pfitzners Palestrina ist das Mysterium der künstlerischen Inspiration.
Als Voraussetzung für diese sieht Pfitzner die Verankerung des kreativ Tätigen in seiner eigenen inneren Welt, die im scharfen Gegensatz zum Getriebe der äußeren Wirklichkeit steht. Erzählt wird vor dem Hintergrund des tridentinischen Konzils die Legende des Renaissance-Komponisten Palestrina, der in einer schöpferischen Ekstase innerhalb einer Nacht jenes Meisterwerk schafft, mit dem er eine ganze Musiktradition vor dem Untergang bewahrt.
Palestrina
Handlung
Silla, Palestrinas junger Schüler, hat sich der neuen, aus Florenz kommenden Richtung der Musik zugewandt und möchte seinen Meister verlassen.
Palestrinas Sohn Ighino ist nicht nach Singen zumute. Er sorgt sich um seinen Vater, der seit dem Tod seiner Frau Lukrezia keine Musik mehr geschrieben hat und traurig dem Alter entgegensieht. Kardinal Borromeo überbringt seinem Freund Palestrina den Auftrag zu einer Messkomposition. Diese soll den Papst davon überzeugen, dass sich die Tradition der Mehrstimmigkeit mit der Klarheit des göttlichen Wortes verbinden lässt. Andernfalls werde die polyphone Musik durch Konzilsbeschluss aus dem Gottesdienst verbannt. Palestrina sieht sich nicht in der Lage, die Forderung des Kardinals zu erfüllen. Zornig verlässt ihn Borromeo. Die Meister der Tonkunst vergangener Zeiten erscheinen Palestrina und drängen ihn, die Messe zu schreiben. In tiefer Verzweiflung bleibt er allein. Da vernimmt er Engelsstimmen, unter ihnen die Stimme seiner Frau Lukrezia. Wie unter Zwang schreibt er auf, was diese Stimmen ihm eingeben. Am Morgen finden Ighino und Silla den schlafenden Meister. Ighino sammelt die verstreut umherliegenden Notenblätter auf: es ist die vollendete Messkomposition, die Palestrina in einer Nacht geschrieben hat.
Die Schlusssitzung des Konzils verläuft nicht so, wie die päpstlichen Legaten Morone und Novagerio es wünschen.
Im Auftrag Roms sollen sie die Versammlung zu einem Ende bringen, doch das Aufeinanderprallen der politischen Interessen von kirchlichen Würdenträgern, Fürsten und Nationen verhindert einheitliche Beschlüsse. Borromeo hat Palestrina ins Gefängnis bringen lassen. Was die neue Messkomposition betrifft, vertröstet er das Konzil. Als es zwischen dem Kardinal von Lothringen und dem Grafen Luna zu einem Streit kommt, lässt sich Luna zu einer provozierenden Äußerung hinreißen. Das Chaos bricht über das Konzil herein, die Sitzung wird vertagt. Von der Erregung ihrer Herren angesteckt, geraten die Diener aneinander. Der Fürsterzbischof Madruscht lässt auf die Streitenden schießen und die Überlebenden der Folter überantworten.
Palestrina ist gebrochen aus dem Gefängnis heimgekehrt. Er hat keinen Anteil mehr an dem, was rund um ihn geschieht.
Ighino erklärt ihm, was sich ereignet hat: um seinen Vater zu retten, hat Ighino die losen Notenblätter beim Kollegium abgegeben. Nun wird die Messe in der päpstlichen Kapelle gesungen.
Sänger der Kapelle verkünden die Freudenbotschaft, dass die Messe auf den Papst und die Kardinäle einen tiefen Eindruck gemacht hat. Der Papst sucht Palestrina persönlich auf, um ihn zu ehren. Borromeo bittet, überwältigt vom Gefühl seiner Schuld, Palestrina um Verzeihung.
Der Meister bleibt, in Gedanken versunken, allein. Die Freude Ighinos, die Nachricht von der endgültigen Abwendung Sillas berühren ihn kaum: Palestrina hat sein Lebenswerk vollendet.
Der Regisseur und Bühnenbildner Herbert Wernicke schuf als Umgebung der Handlung eine Art großen Konzertsaal mit Orgel. Er wollte bewusst nicht das kleine Zimmerchen eines armseligen Komponisten nachbauen, sondern einen Raum schaffen, in dem die Musik an sich thematisiert wird. Zugleich spiegelt sich in dem Weiß-Gold und Beige-Gold des Bühnenbildes das Gebäude der 1955 wiedereröffneten Wiener Staatsoper. Verwandlung erfährt dieser Raum durch die unterschiedichen Personen, die ihn im Laufe der Geschichte bevölkern.
In seiner schöpferischen Synthese verbindet Pfitzner in Palestrina Stilelemente der Renaissancemusik mit den Errungenschaften seines eigenen spätromantischen Schaffens.
Das Libretto der Oper stammt ebenfalls vom Komponisten. Von der Form her, schuf Pfitzner mit Palestrina ein Triptychon: der erste und dritte Akt zeigen die Welt des Künstlers Palestrina, der mittlere zweite Akt, soll das bewegte Treiben der Außenwelt widerspiegeln, die dem Schaffen des Genies feindlich gegenübersteht.