Über das Werk
Luisa, die Tochter des Veteranen Miller, liebt einen jungen Jägerburschen, der mit dem Herrschaftsantritt des neuen Feudalherren in ihr Dorf gekommen ist. Aber auch Wurm, der Schlossverwalter, ist in Luisa verliebt. Er enthüllt ihrem Vater die wahre Identität des vermeintlichen Jägerburschen: Es ist Rodolfo, der Sohn des Feudalherren, was eine Ehe mit Luisa aus Standesgründen unmöglich macht. Rodolfo will um seine Liebe kämpfen, doch dabei geraten er und Luisa in die Fallstricke der intriganten und korrupten Hofgesellschaft.
Verdis abgründig-brillante, ausdrucks- und emotionsgesättigte Musik zelebriert nicht nur die Hingabe an große Leidenschaften, sondern macht auch die bedrückende und abstoßende Enthemmung ihrer Abgründe erfahrbar. Verdi war 36 Jahre alt, als er 1849 in Neapel Luisa Miller zur Uraufführung brachte. Die Oper entstand kurz vor der „volkstümlichen Trias“ Rigoletto, Troubadour, Traviata (1851-53). Aufgrund der Dichte ihrer musikalischen Inspiration ist die Oper ein vollgültiges Werk aus Verdis Reifezeit, mit Vorgriffen sogar auf das Schlussbild des Otello: Beide Finali schildern den Eifersuchtsmord eines Liebenden an seiner Geliebten, die er aufgrund einer Intrige für treulos hält.
Aus deutschsprachiger Perspektive wird die Radikalität der Oper unterschätzt, weil man glaubt, sie an der Schauspielvorlage, Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe (1784) messen zu dürfen. In Wahrheit stellt die Oper Höhepunkt und Ende der italienischen Semiseria-Tradition dar, welche die über Standesgrenzen sich hinwegsetzende Liebe zu einem stets glücklichen Ende führte – trotz schmerzlicher Schicksalsschläge und Missverständnisse. Hier zerbricht die fragile Liebe zwischen dem Sohn des Feudalherren und einer Soldatentochter in den Mühlen von Macht- und Heiratspolitik, Intrige und Verbrechen.