
Über das Werk
Iolanta, die von Geburt an blinde Tochter des provençalischen Königs René, lebt verborgen in den Vogesen.
Ihr Vater hofft auf Heilung durch den berühmten Arzt Ibn-Hakia – erst wenn sie sehen kann, soll Iolanta ihren Verlobten Robert von Burgund kennenlernen. Es kommt anders: Robert will die Verlobung lösen, weil er eine andere Prinzessin liebt. Sein Begleiter und Freund Vaudemont dagegen verliebt sich auf den ersten Blick in Iolanta, die seine Liebe erwidert. Die Liebe wird der Schlüssel für Behandlung, die Heilung gelingt, Iolanta lernt sehen.
Iolanta
Handlung
Iolanta lebt verborgen von der Welt in einem zauberhaften Rosengarten. Beschützt und umsorgt von ihrer Amme Marta und deren Mann Bertrand, unterhalten von Brigitta, Laura und anderen Freundinnen. Doch sie fühlt, dass etwas nicht stimmt und wirft ihren Freundinnen vor, ihr etwas zu verheimlichen. Bertrand und Marta erklären dem königlichen Waffenträger Almerik Iolantas Lage: Sie ist von Geburt an blind. Ihr Vater, König René, hält sie vor der Welt verborgen. Ihr Verlobter von Kindheit an, Herzog Robert von Burgund, soll nichts von ihrer Blindheit erfahren. Sie selbst wird über ihre Lage im Unklaren gehalten. In ihrer Gegenwart darf nicht vom Sehen oder Licht die Rede sein. Almerik kündigt die Ankunft des Königs in Begleitung des Arztes Ibn-Hakia an. Der Arzt soll die Fähigkeit besitzen, Iolantas Blindheit zu heilen.

Als der König und Ibn-Hakia eintreffen und der Arzt die schlafende Iolanta gesehen hat, erklärt er, die Prinzessin müsse über ihren Zustand aufgeklärt werden. Der Wunsch zu sehen ist Bedingung für die Heilung, Seele und Körper müssen in Einklang gebracht werden. Ibn-Hakia will bis zum Abend im Schloss des Königs dessen Entscheidung erwarten. Der König kann sich nicht vorstellen, Iolanta über ihr Schicksal aufzuklären.
Durch das Dickicht um Iolantas Garten kämpfen sich Herzog Robert und sein Begleiter und Freund Graf Vaudémont. Robert hat sich in eine andere Frau verliebt und will von König René die Auflösung der Verlobung mit Iolanta erbitten. Trotz eines Warnschildes, das jeden Eindringling in den Garten mit dem Tod bedroht, gehen die beiden Freunde weiter und finden im Garten die schlafende Iolanta vor. Vaudémont ist bei ihrem Anblick wie hypnotisiert. Robert warnt und vermutet einen Zauber hinter dem Schlaf der Schönen.

Iolanta erwacht und freut sich über den Besuch der Fremden. Während sie ihnen Wein holt, macht sich der misstrauische Robert aus dem Staub, um Verstärkung zu holen. Vaudémont irritiert Iolanta mit seinen Komplimenten – immerhin kennt er sie ja noch gar nicht. Der Ritter will sie nicht weiter bedrängen und bittet sie, ihm zum Abschied und zur Erinnerung eine Rose zu pflücken. Als sie ihm trotz wiederholter Aufforderung statt einer roten Rose immer wieder eine weiße gibt, begreift Vaudé- mont Iolantas Situation. Er klärt sie über ihre Blindheit auf. Sie könne, erklärt er, die Vorzüge der Schöpfung nicht vollständig erfassen, ohne das Licht – »Gottes erstes Werde« – zu sehen. Iolanta widerspricht und gibt ihre eigenen vielfältigen Sinneseindrücke zu bedenken. Er hat aber Gefühle in ihr geweckt und sie möchte sehen können, was er sieht.
Der Hofstaat, der König und der Arzt suchen rufend nach Iolanta. Der König ist außer sich, den fremden Ritter bei ihr zu finden. Auf seine Nachfrage erklärt Iolanta, nun über das Wunder des Lichts unterrichtet zu sein.

Der König macht Iolanta mit dem Arzt und dem Plan zu ihrer Heilung vertraut. Als diese erklärt, den Wunsch nach etwas, das sie nicht kenne, nicht verspüren zu können, zweifelt IbnHakia dem König gegenüber an der Möglichkeit zur Heilung. Der König greift zu einer List: Wenn die Heilung nicht gelinge, solle Vaudémont hingerichtet werden. Er ist schließlich dem Verbot zum Trotz in den Garten eingedrungen. Iolanta will das unbedingt verhindern und erklärt sich mit der Behandlung durch Ibn-Hakia einverstanden. Der König entschuldigt sich bei Vaudémont für seine frühere Ungehaltenheit und das Todesurteil. Es sei richtig gewesen, Iolanta über Blindheit und Licht aufzuklären. Vaudémont bittet um Iolantas Hand. Der König lehnt mit Verweis auf die Verlobung mit Robert ab. Robert ist zurück und bittet den König, ihn für Mathilde freizugeben. Der König willigt ein und verspricht Vaudémont, ihm Iolanta zur Frau zu geben, sofern sie geheilt wird. Vaudémont möchte die Prinzessin in jedem Fall heiraten, auch wenn sie blind bleibt. Bertrand meldet die vollzogene Heilung. Ibn-Hakia führt Iolanta herein. Sie kann sehen. Alle preisen Gott und das Wunder der Heilung.
»Ich dachte mir«, so Evgeny Titov im Interview zu seiner Inszenierung, »in einer Oper, in der es so viel um Licht geht, muss es auch Schatten geben.«
Und so entführt der Regisseur sein Publikum in einen Rosengarten der etwas unheimlicheren Art. Die Raumbühne von Rufus Didwiszus zeigt ihn als »Ort im Ort«, innerhalb von Mauern vergangener Zeiten, deren Perspektive irritiert. Denjenigen, die von draußen in Iolantas Refugium eintreten, ist anzumerken, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann. Drinnen schließlich lässt die Choreographie von Otto Pichler Zweifel aufkommen, ob Iolantas Gefolgschaft noch aus »Freundinnen« oder »Dienerinnen« besteht – oder schon ganz anders beschrieben werden muss. Die detailreiche Irritationskunst von Evgeny Titovs Inszenierung spitzt jene Frage zu, mit der der Regisseur in die Auseinandersetzung mit Piotr Tschaikowskis letzter Inszenierung gegangen ist: »Was bedeutet es, wenn wir sagen: wir nehmen alle Scheuklappen ab und blicken auf die Welt?«
Piotr Tschaikowski setzte den Antagonismus von Licht und Finsternis in der Gegenüberstellung „dunkler“ B-Tonarten – etwa in der ungewöhnlichen, nur mit Holzbläsern und Hörnern besetzten Orchesterintroduktion – mit dem triumphierenden C-Dur-Finale in Musik. Die nach und nach fragwürdig werdende Naturidylle in Iolantas Rosengarten macht der Komponist durch pointierte Harmonik und Instrumentation atmosphärisch ebenso erfahrbar wie Iolantas Getriebenheit, die Zweifel König Renés oder die philosophischen Überlegungen Ibn-Hakias über die Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper. Das schwärmerische G-Dur Duett Iolantas und Vaudemonts schließlich scheint romantische Liebe und (Gottes-)Erkenntnis in eins zu setzen – die Lösung? Oder eine neuerliche Verblendung?
Der Vorschlag für diesen Stoff kam von Tschaikowski selbst. In einem Gespräch mit der Zeitschrift Peterburgskaja Zizn' im November 1892 erklärte er: „Vor ungefähr acht Jahren bekam ich ein Heft der [Moskauer] Zeitschrift Russldj Vestnik [Russischer Bote, Anm.] in die Hand, in welchem der Drameneinakter König Renes Tochter des dänischen Bühnenautors Henrik Hertz in der russischen Übersetzung von F. B. Miller abgedruckt war. Dieser Stoff bezauberte mich durch Poesie und Originalität sowie durch die Fülle an lyrischen Momenten. Ich gelobte mir damals, den Stoff irgendwann einmal zu vertonen.«