Über das Werk
Da Florestan die brutalen und gesetzlosen Willkürakte Don Pizarros aufdecken wollte, hatte ihn dieser aus Rache in einem von ihm geführten Staatsgefängnis eingekerkert, wo Florestan unter unmenschlichen Bedingungen vegetieren muss.
Um ihn zu befreien, verdingt sich seine Frau Leonore, als Mann verkleidet unter dem Namen Fidelio, als Schließer. Und tatsächlich gelingt es Leonore, die geplante Ermordung ihres Gatten durch Pizarro im letzten Moment zu verhindern. Und so kann der zu Inspektionszwecken im Gefängnis eintreffende gerechte Minister seinen Freund Florestan und alle weiteren politischen Inhaftierten wieder in Freiheit setzen.
Beethovens Fidelio ist in manchem noch stark in der traditionellen Singspielwelt verhaftet, weist aber gleichzeitig, was die Emotionalität und die Affinität zum Musikdrama anbelangt, weit in die Zukunft voraus. Nicht zuletzt in so einzigartigen Abschnitten wie in Florestans fiebrig-visionshafter Kerker-Arie, in Leonores eindringlicher Beschwörung der Hoffnung, in Pizarros grausam-triumphierendem »Ha, welch ein Augenblick!«, im vielschichtig, kostbar-schwebenden Quartett »Mir ist so wunderbar« und schließlich im frenetisch aufbrandenden Jubelchor am Schluss.
Ludwig van Beethoven hat mit Fidelio nur eine einzige Oper vollendet, diese aber in drei Fassungen: Zunächst übertrug und bearbeitete Joseph Sonnleithner, Direktor des Theater an der Wien, Pierre Gaveaux‘ und Jean Nicolas französische Rettungsoper Léonore, ou L’Amour conjugal ins Deutsche. Beethoven vertonte dieses Libretto und brachte es 1805 unter dem Titel Fidelio zur Uraufführung. Ein Jahr später wurde die erste Überarbeitung als Leonore herausgebracht, 1814 schließlich die letzte, heute übliche Fassung, als Fidelio. Zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg setzte man bewusst Fidelio an – als Sinnbild für Hoffnung, Geschwisterlichkeit und für die nach der Nazi-Diktatur wiedergewonnene Freiheit.
Fidelio
Handlung
Der Gouverneur eines spanischen Staatsgefängnisses, Don Pizarro, führt in seiner Anstalt ein Schreckensregiment. Unschuldige werden zu politischen Opfern seines brutalen Zugriffs. Don Florestan aus Sevilla will diese Willkürakte aufklären, gerät aber dabei selbst in die Hand des Gewaltmenschen. Seit über zwei Jahren schmachtet er in unmenschlicher Einzelhaft.
Seine Freunde halten ihn für tot, nur seine Frau Leonore gibt den Verschollenen noch nicht verloren. Da sie Florestan in Gefangenschaft wähnt, verdingt sie sich beim Kerkermeister Rocco als Schließer. In Männerkleidern und unter dem Namen Fidelio verrichtet sie schwere Arbeit, erwirbt sich das Vertrauen ihres Vorgesetzten und gewinnt sogar die Liebe seiner Tochter Marzelline.
Vergeblich bemüht sich Jaquino um die Zuwendung Marzellines. Seit Fidelio im Haus ist, hat sie für sein Werben kein Ohr. Fidelio kehrt von Erledigungen aus Sevilla zurück. Rocco ist wieder vom Geschick und Pflichtbewusstsein seines neuen Gehilfen angetan: Bald schon sollen Fidelio und Marzelline ein Paar werden. Marzelline und Rocco träumen von einer behaglichen Zukunft, Jaquino sieht seine Aussichten schwinden, Fidelio graut es vor der Ungewissheit. Da tritt Don Pizarro auf. Aus einem vertraulichen Schreiben erfährt er, dass der Minister seinem Amtsmissbrauch auf der Spur ist: Eine überraschende Visite soll ihn endgültig überfuhren. Pizarro reagiert prompt: Ein Posten beobachtet die Hauptstraße, ein Trompetensignal soll den Besuch ankündigen. Florestan, das prominenteste Opfer, muss schleunigst beseitigt werden.
Da Rocco den Mord verweigert, wird der Gouverneur die Tat selbst vollziehen. Nur ein Grab im Verlies soll ihm der Kerkermeister zuvor schaufeln. Marzelline und Fidelio erbitten von Rocco einen kurzen Ausgang für die leichteren Gefangenen. Voller Freude genießen die Häftlinge die warme Frühlingssonne. Fidelio erfahrt bestürzt von dem neuen Auftrag Roccos und will seine schwere Arbeit im Kerker teilen: Wird sie dem Gatten sein Grab bereiten helfen? Empört hat Pizarro den Spaziergang der Gefangenen bemerkt und lässt keine Rechtfertigung gelten. Nur der dringende Mordplan an Florestan verhindert schlimme Sanktionen.
Im Kerker grübelt der erschöpfte Florestan über sein Schicksal. Seine Lage erscheint ihm aussichtslos, nur das Bewusstsein erfüllter Pflicht tröstet ihn. In einer ekstatischen Vision fühlt er sich von einem Engel mit den Zügen Leonores in die himmlische Freiheit entrückt. Rocco und Fidelio legen mühsam eine Zisterne frei. Florestan erfahrt endlich, wer dieses Gefängnis leitet, und will seine Gattin in Sevilla verständigen lassen. Fidelio weiß nun sicher, wen sie vor sich hat. Eine kleine Labung mit Brot und Wein scheint Florestans letzte Freude zu sein, denn schon naht Pizarro. Aber als er zum tödlichen Streich ausholt, stellt sich Fidelio vor den Gefangenen: »Töt’ erst sein Weib!« Dem Nachsetzenden hält sie eine Pistole vor, da ertönt das Trompetensignal.
Die Ankunft des Ministers verheißt einen Umschwung: Befreiung für die Unterdruckten, Strafe fur den Unterdrucker. Pizarro eilt aus dem Kerker, Rocco sagt sich von seinem alten Herrn los, Leonore und Florestan sinken einander glücklich in die Arme. – Das Volk und die Strafgefangenen begrüßen erwartungsvoll den Minister, Don Fernando. Im Auftrag des Königs verkündet er allgemeine Amnestie und das Ende der politischen Willkür. In Florestan erkennt er seinen totgesagten Freund wieder. Leonore darf die Ketten des lange Gedemütigten lösen, Pizarro wird festgenommen.