
Über das Werk
In Kürze
Belmonte erreicht auf der Suche nach seiner Verlobten Konstanze, die zusammen mit Blonde und ihrem Geliebten Pedrillo von Seeräubern entführt wurde, das Landgut Bassa Selims.
Dieser hat die drei als Sklaven gekauft und sich in Konstanze verliebt. Sie aber will Belmonte treu bleiben und wäre bereit, die ihr angedrohten Qualen zu ertragen. Eine geplante Flucht Belmontes und der drei Gefangenen misslingt. Der Bassa erkennt in dem um Gnade bittenden Belmonte den Sohn seines Todfeindes, der ihm einst die Geliebte raubte und ihn zwang, sein Vaterland zu verlassen. Doch er schenkt allen die Freiheit: »Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.«
Die Entführung
aus dem Serail
Handlung
Der spanische Edelmann Belmonte erscheint vor dem Landgut des Bassa Selim, auf der Suche nach seiner Verlobten Konstanze. Diese wurde zusam- men mit ihrer Dienerin, der englischen Zofe Blonde, und Belmontes Diener Pedrillo von Seeräubern entführt.
Er trifft auf Osmin, den Aufseher über das Landgut, der ihm aber die gewünschte Auskunft feindselig verweigert. Erst nach seiner Wiederbegegnung mit Pedrillo erfährt Belmonte, dass Konstanze sowie das Paar Blonde und Pedrillo vom Bassa Selim als Sklaven gekauft wurden. Dieser liebt Konstanze, wurde aber bisher nicht erhört.

Als zum Islam konvertierter Europäer habe er »noch soviel Delikatesse, keins seiner Weiber zur Liebe zu zwingen«. Davon kann sich Belmonte heimlich über- zeugen, als der Bassa mit seinem Gefolge und Konstanze erscheint und Kons- tanzes erneuten Bitten um Aufschub ihrer Entscheidung nachgibt. Pedrillo gelingt es, Belmonte dem Bassa als Baumeister vorzustellen und verschafft ihm so, gegen den Widerstand Osmins, Zutritt zum Palast.

Selbstbewusst weiß sich Blonde, die Osmin als Sklavin geschenkt wurde, gegen die Annäherungsversuche des verliebten Türken zu wehren. Wieder wirbt der Bassa um Konstanzes Gunst, die sich jedoch Belmonte verpflichtet fühlt. Lieber will sie die von dem gekränkten Bassa angedrohten Martern ertragen, als Belmonte untreu zu werden.
Das Wiedersehen steht bevor, Belmonte erwartet seine Geliebte. Als sich die beiden europäischen Paare gegenüberstehen, wird die Freude empfindlich getrübt:

Belmonte und Pedrillo bezweifeln die Treue der Frauen. Konstanze und Blonde sind tief verletzt. Die für Mitternacht geplante Entführung der Frauen misslingt, weil der von Pedrillo betrunken gemachte Osmin aus seinem Rausch zu früh erwacht. Osmin sieht die Stunde seiner Rache gekommen.

Der Bassa erkennt in dem um Gnade bittenden Belmonte den Sohn seines Todfeindes, der ihm einst die Geliebte raubte und ihn zwang, sein Vaterland zu verlassen. Die beiden Paare erwarten den Tod. Der Bassa aber schenkt allen die Freiheit: »Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.« Alle stimmen ein Loblied auf die Großzügigkeit des Bassa an, nur Osmin, der vor ohnmächtiger Wut kocht, fällt aus der Rolle. Der Bassa bleibt allein.
„Es ist aufregend, wenn die Sänger den Schauspielern häufig das Sprechen überlassen. Nicht weil sie es nicht können, sie sprechen ja auch, sondern sie thematisieren die Frage des Singens und des Sprechens miteinander“, so Regisseur Hans Neuenfels im Gespräch mit dem Intendanten und Dramaturgen Klaus Zehelein. Durch die Verdopplung aller Gesangsrollen mit Schauspielerinnen und Schauspielern gelingt es Neuenfels, die innerseelischen Konflikte der Akteure in hochpoetischen Spiegelungen theaterwirksam werden zu lassen. In der Entführung aus dem Serail, so der Regisseur, setze Mozart existenzielle Fragestellungen in Musik; die Produktion nimmt diesen Faden auf und führt das Publikum tief in die unterschiedlichen Gefühlsebenen der Handelnden hinab. Hans Neuenfels: „Die unterschiedlichen Zustände der Wahrnehmung, des Empfindens, des Seins können durch die Aufspaltung der Figuren gleichzeitig stattfinden. Wir sind zugleich mehrere, und das wird durch diese Interpretation sichtbar, aber nicht im Sinne einer Schizophrenie. Die Identität ist keine feststehende Größe. Auf das ‚Ich‘ ist grundsätzlich kein Verlass.“
„die Sinfonie, den Chor im ersten ackt, und den schluß Chor werde ich mit türckischer Musick machen.“, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart am 1. August 1781 an seinen Vater Leopold über das geplante neue Singspiel. Die allgegenwärtige exotistische „alla turca“-Mode setzte Mozart musikalisch mit Rückgriff auf Elemente der beliebten „Jantischarenmusik“ um und erweiterte sein Orchester entsprechend um Instrumente wie die große Trommel und die Triangel. Das „Exotische“ ist dabei nur ein Aspekt dieses großen Wurfs im Genre des deutschen Singspiels. Berühmt wurde Carl Maria von Webers Einschätzung, Mozart habe mit der Entführung bereits den „Reifegrad“ seiner Musik erreicht. Tatsächlich präsentierte sich der 26-Jährige mit dieser Partitur als kompletter, dabei genial-sensibler Komponist mit unvergleichlich feinem Gespür für Musikdramaturgie und großer Innovationskraft. Exemplarisch etwa der Einsatz der Terrassendynamik mit ihren schnell umschlagenden forte-piano-Kontrasten, die hier so stark ausgeprägt ist wie in keinem anderen von Mozarts Bühnenwerken. Das Werk erwies sich als Herausforderung auch für höchste Ohren: „Gewaltig viele Noten, lieber Mozart“, soll Joseph der II. nach der ersten Vorstellung gesagt haben. Mozart aber wusste: „Gerade so viele Noten, Euer Majestät, als nötig sind.“
„Die Stoffgeschichte der Entführung aus dem Serail hat ihre Wurzeln in Frankreich, und zwar in den sogenannten „histoires galantes“, einem Romangenre, das im Zuge der ersten großen Exotikmode gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine zunehmende Orientalisierung erfuhr. Trotz einer großen Variationsbreite innerhalb des Genres wurde ein Handlungsstrang für die Gattung konstitutiv: die Trennung eines Liebespaares durch widrige Umstände und ihr Bemühen, wieder zueinander zu finden. Unter dem Einfluss des Orientalismus waren die Erzählungen allmählich ganz in den Vorderen Orient verlegt worden. Die Umstände, die zur Trennung der Liebenden führte, waren fast immer Schiffbrüche mit anschließender Gefangennahme durch Seeräuber. Sie endet mit dem Einlaufen in eine (algerische) Hafenstadt, wo die Europäerinnen sogleich verkauft werden. Auf diese Weise geraten die Ahnungslosen in die Hände eines Paschas, der sie entweder seinem eigenen Harem inkorporiert oder aber dem Sultan nach Konstantinopel überstellt. Erst mit dem Eintreten des suchenden Liebhabers in die fremde Welt nehmen die Geschicke der Europäer eine Wendung.“ (Aus: Thomas Betzwieser: Exotik Fremde Exil, Programmbuch zur Inszenierung).