Drei unterschiedliche Handlungen, die zusammen ein Programm ergeben: So einfach sich die Idee beschreiben lässt, die Il trittico zugrundeliegt, so komplex ist der dahinterstehende Gedanke. Denn Giacomo Puccini, der die Idee eines Triptychons aus drei Einaktern um 1900 zu entwickeln begonnen hatte, wollte diese drei kurzen Opern durch eine komplexe Dramaturgie verbunden wissen. Nicht die vordergründigen Handlungen, sondern die in diesen vorherrschenden emotionalen Grundfarben sollten dabei den Ausschlag geben: eine Dramaturgie der Stimmungen.
Schon in früheren Werken Puccinis hatten sogenannte »controscene« eine wichtige Rolle gespielt – vielschichtige Szenentableaus wie der Beginn des Quartier-Latin-Bildes in La bohème, in denen verschiedene Stimmungen, von Puccini als Farben (tinte) bezeichnet, als kurze Schlaglichter effektvoll in den Vordergrund gebracht werden. Der Trittico, so Puccinis Idee, sollte dieses Prinzip so vergrößern, dass drei kurze Stücke mit je eigener Farbe ein fein aufeinander abgestimmtes Ganzes ergeben würden. Ein tragisches, ein »sentimentales« und ein komisches Stück wurden dafür gesucht – ganz im Sinne des beschriebenen Bildes aus La bohème, für das Puccini in einem Brief eben jene drei Stimmungen beschrieb.
Von deren Beschaffenheit hatte Puccini so genaue Vorstellungen, dass die Suche nach den entsprechenden Stoffen sich äußerst schwierig gestaltete. Mit dem Drama La Houppelande von Didier Gold fand sich schließlich zunächst der tragische erste Teil, der zu Il tabarro werden sollte. Einmal mehr wurde dabei der Besuch einer Schauspielaufführung zur Inspiration für eine von Puccinis erfolgreichen Opern – auf diese Weise hatte er auch die Vorlagen zu Tosca (nach Victorien Sardou), Madama Butterfly und La fanciulla del West (beide nach David Belasco) gefunden.
Il tabarro ist ein düsteres Ehedrama, das im Milieu der Pariser Seineschiffer spielt: Zwischen den Eheleuten Michele und Giorgetta steht die Trauer um ihr verstorbenes Kind, Giorgettas Affäre mit dem Arbeiter Luigi endet in einer Tragödie.
Puccini komponierte den ersten Teil relativ zügig, aber die Suche nach jenen beiden »tinte«, die sich nach den Vorstellungen des Komponisten zu der ersten fügen würden, nahm fast epische Ausmaße an: Am Ende sollten von der ersten Idee bis zur New Yorker Uraufführung ganze achtzehn Jahre vergehen.
Suor Angelica, die »sentimentale« Geschichte, zu der Giovacchino Forzano das Libretto schrieb, erzählt vom Leid der namensgebenden Ordensschwester, die ihre Lebenskraft aus der Erinnerung an ihren Sohn zieht – Ergebnis des »Fehltritts«, der sie an diesen Ort gebracht hat –, bis sie dieser Stütze beraubt wird. Für den komischen dritten Teil, Gianni Schicchi, baute wiederum Forzano eine kurze Episode aus Dantes Inferno aus: Um an das Erbe des reichen Florentiners Buoso Donati zu kommen, beauftragen dessen Verwandte Gianni Schicchi, dessen Platz einzunehmen und – als vermeintlich im Sterben Liegender – ein Testament zu ihren Gunsten zu diktieren.
Jedes der Werke hat seine eigene, faszinierende musikalische Originalität – das unerbittlich voranschreitende Flussmotiv im Tabarro, unterbrochen von Puccinis unvergleichlichen Realismen, Schiffssirenen, Autohupen, kleinen Nebenszenen; die trügerische Ruhe der Klosterkonversation in Suor Angelica, die mit ungeheuerlicher musikdramaturgischer Präzision auf den dramatischen Höhepunkt hingeführt wird (der seine Reflexion in »Senza Mamma« findet, einer der bekanntesten und berührendsten Arien der Operngeschichte); der vielgestaltige musikalische Witz in Gianni Schicchi, der von verspielter Heiterkeit bis zum vergnüglichen Chaos reicht.
Die Gesamtdramaturgie seiner Konzeption war Puccini ein leidenschaftliches Anliegen. An eine Neuproduktion stellt sie eine wunderbare Herausforderung. Denn wie die »tinte« der kleinen »controscene« in La bohème stehen die drei Teile des Trittico in einem größeren, dem größten denkbaren Kontext: Ihre »tinte« sind Farben des menschlichen Zusammenlebens. So unwiderstehlich einfach und hochkomplex ist das, was Il trittico im Innersten zusammenhält. Eine Comédie humaine für die Opernbühne.