Uraufführung von »Der Besuch der Alten Dame« Christa Ludwig als Claire Zachanassian mit Eberhard Waechter als Ill
Uraufführung »Der Sturm« 1956; Christa Ludwig als Miranda mit dem Komponisten Frank Martin
Christa Ludwig als Clairon in »Capriccio« 1977
Christa Ludwig als Rosina in »Il barbiere di Siviglia« 1957
Christa Ludwig als Eboli in »Don Carlos«

DIE WIENER STAATSOPER TRAUERT UM CHRISTA LUDWIG

Die Wiener Staatsoper trauert um Christa Ludwig, die am vergangenen Samstag in ihrem 94. Lebensjahr verstarb.

Ludwig gab ihr Staatsopern-Debüt (in den Redoutensälen) am 14. April 1955 als Cherubino in Le nozze di Figaro, im Haus am Ring trat sie erstmals am 26. Dezember 1955, kurz nach der Eröffnung der aus Ruinen wieder erbauten Staatsoper, als Octavian im Rosenkavalier auf. Ein Augenblick, den sie im Rückblick oftmals mit „Verweile doch, du bist so schön“ beschrieb.

Unzählige solcher einzigartiger Augenblicke folgten in den nächsten knapp 40 Jahren: Insgesamt war sie in 769 Staatsopern-Vorstellungen in 42 Rollen zu erleben und deckte dabei fast das gesamte Mezzosopran-Repertoire ab, unternahm aber auch kurze Ausflüge – etwa mit der Leonore in Fidelio – ins Sopranfach. Interpretationsgeschichte schrieb sie quer durch alle Fächer: Als Mozart-Sängerin ebenso wie als Strauss-Interpretin, als Gestalterin von Wagner- und Verdi-Partien, in zeitgenössischen Opern, man erlebte sie aber auch als Orlofsky, Rosina, Geneviève oder Wozzeck-Marie. Ihre meistgesungene Partie war die Dorabella in Così fan tutte, als Octavian und Marschallin war sie ebenso stilbildend wie als Kundry in Parsifal oder die für sie geschriebene Claire Zachanassian in Der Besuch der alten Dame.
Ludwigs künstlerisches Leben war auch durch die Zusammenarbeit mit allen großen Dirigenten ihrer Zeit gekennzeichnet, Herbert von Karajan, Karl Böhm,  und Leonard Bernstein waren jedoch die drei, die sie selbst als am meisten prägend nannte. Sie war österreichische Kammersängerin, Ehrenmitglied der Staatsoper und Trägerin des Goldenen Ehrenrings der Wiener Staatsoper und verabschiedete sich am 14. Dezember 1994 als Klytämnestra in Elektra von ihrem stets begeisterten Wiener Opernpublikum.

Es war die besondere Einheit aus einer einzigartigen Stimme und einer klugen, dramaturgisch versierten und mit Emphase gelebten darstellerischen Durchdringung aller Partien, die sie auszeichnete: Die absolute Identifikation mit einer Rolle bezeichnete sie einst als das Allerwichtigste in der musiktheatralischen Gestaltung. "Bei Christa Ludwig ging es direkt vom Herzen, vom Gehirn zu den Stimmbändern, sodass man nicht sagen konnte, ob sie gerade singt oder fühlt oder redet. Das war alles ein einziger Mikrokosmos“, wurde sie einst von Otto Schenk beschrieben.

Dem Haus am Ring blieb sie auch nach ihrem Bühnenabschied eine Wegbegleiterin, die nicht nur mit großem Interesse Anteil am künstlerische Geschehen nahm und sogar als Programmheft-Autorin gewonnen werden konnte, sondern auch in zahlreichen Gesprächsveranstaltungen auftrat, zuletzt bei der Feier zum 1.000 Rosenkavalier im Haus am Ring. Als Pädagogin und Kommentatorin war sie bis fast zuletzt engagiert tätig, Generationen von Sängerinnen bezeichnen sie bis heute als ihr erklärtes künstlerisches Vorbild. Für die Wiener Staatsoper war Christa Ludwig nicht nur Künstlerin, langjähriges Ensemblemitglied, Ehrenmitglied und Ikone, sondern ein Ausnahmefall eines künstlerischen Mitlebens und Miterlebens: eine, die das Haus, die Musikwelt und alle, die mit ihr in Berührung kamen, inspirierte und nachhaltig prägte. 

Direktor Bogdan Roščić:
Die von Christa  Ludwig oft zitierten Worte der Marschallin – „Mit leichtem Herz und leichten Händen, halten und nehmen, halten und lassen“ –, die sie immer wieder als persönlichen Leitspruch bezeichnete, waren tatsächlicher und wahrer Ausdruck ihrer Art zu leben. Sie nahm die Kunst so ernst, wie man sie nur ernst nehmen kann, ordnete dieser ihr Leben unter, nahm aber auf eigenen Wunsch „mit leichter Hand“ Abschied von der Bühne. Später konnte sie fast ohne Wehmut über ihre Jahrzehnte sprechen, immer mit einer Prise Ironie, Selbsterkenntnis, aber auch ohne falsche Bescheidenheit. Wie sie auch bis zuletzt eine reflektierte, ehrliche und humorvolle Gesprächspartnerin blieb, deren Analysen von bestechender Klarheit und großer Kenntnis getragen wurden. Sie bezeichnete sich gerne einfach als „Theaterkind“, und diese künstlerische Unmittelbarkeit, dieses Selbstverständnis – sie waren in jedem ihrer Auftritte zu spüren und machten, neben ihrer großen Musikalität und dieser unvergesslichen Stimme, die Ausnahmeerscheinung Christa Ludwig aus. Unser Mitgefühl gilt Ihrer Familie.