© Alfheidur Erla

Der richtige Zeitpunkt

Die berühmte erste Frage: Wie fing alles an?
Slávka Zámečníková: Ich komme aus keiner musikalischen Familie, daher dachte anfangs niemand an einen Beruf wie Sängerin. Da ich aber schon als kleines Kind gerne – und sauber – sang, schrieben mich meine Eltern in eine Musikschule ein, wo ich Gesang und Klavier lernte: das liebte ich, aber dennoch wollte ich als Teenager nichts anderes als Ärztin werden. Doch ... ich gewann ein paar Gesangswettbewerbe, besuchte im Slowakischen Nationaltheater die erste Opernvorstellung meines Lebens, die Verkaufte Braut – und es war um mich geschehen. Das war der Moment, in dem ich verstand: Das ist es, was ich machen muss! Mit 17 verließ ich also das Gymnasium und konzentrierte mich völlig aufs Gesangsstudium am Konservatorium in Bratislava. Dann ging es nach Berlin an die Hochschule für Musik Hanns Eisler und noch während meines Masterstudiums wurde ich ans Opernstudio der Berliner Staatsoper engagiert. Ich kann nicht beschreiben, was ich in diesen Jahren alles gelernt habe! Rückblickend muss ich sagen: Alles kam genau zum richtigen Zeitpunkt, ich hatte großes Glück in meinem Leben, immer die richtigen Menschen zu treffen, die mich unterstützten und mir gezeigt haben, was das Wichtigste am Beruf ist: mit Freude zu arbeiten und es zu genießen!

Freude und Genuss, wo finden diese ihre Gipfelpunkte?
Slávka Zámečníková: Darin, dass es nie langweilig wird. Ich liebe neue Anfänge, neue Herausforderungen und ich liebe es zu lernen und die eigene Fantasie verwirklichen zu dürfen. In diesem Beruf hört man ja nie auf, an sich selbst zu arbeiten und sich weiter zu entwickeln. Dazu kommt, dass man all die Freude mit dem Publikum teilen und sie sozusagen verdoppeln kann. Und: Ich liebe es, beim Singen ehrlich und authentisch bleiben zu dürfen und die Stärke und den Mut zu finden, etwas Einzigartiges zu schaffen – in einem konkreten, vergänglichen Moment, der nie wieder zurückkehrt und den man nicht halten kann.

Und jenseits dieser Freuden? Das Schwerste des jungen Sängerinnenlebens?
Slávka Zámečníková: Abgesehen vom unentwegten Packen, Umziehen Reisen und den im Zug oder Flugzeug verbrachten Stunden ist es der Mangel an Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen kann. Wenn ich aber nach Hause komme, dann schalte ich ab und denke nicht mehr ans Singen. Das sind immer unglaublich beglückende Momente, die frischen Wind in die Arbeit bringen. 

Mit anderen Worten: Die bewusst erlebte Pause ist keine verlorene Zeit, sondern erzeugt geradezu weiterführende Kreativität. 
Slávka Zámečníková: Ich liebe Musik über alles und kann mir nicht vorstellen, ohne singen oder spielen zu leben. Aber ich finde es äußerst wichtig, sich im Leben auch mit anderen Dingen zu beschäftigen, das Leben zu genießen und auch andere Leidenschaften zu finden. Und das mache ich tatsächlich gerne – und ziemlich oft. Wenn ich das Gefühl habe, ich muss abschalten, gehe ich einfach joggen, ins Kino, treffe Freunde, um meinen Geist auf etwas anderes auszurichten. Dadurch findet man im Leben viel mehr Inspiration, die man wiederum in die Musik übertragen kann.

Allfällige Vorbilder?
Slávka Zámečníková: Tatsächlich bewundere ich zahlreiche Künstler, nicht nur Sängerinnen und Sänger, und ich bewundere sie nicht nur fürs Musikalische, sondern für einen unendlichen Enthusiasmus, für Stärke, Fantasie und die besondere Intelligenz. Um nur ein paar Namen zu nennen: Lucia Popp, Edita Gruberova, Mirella Freni, Jessye Norman, Brigitte Fassbaender, Anna Netrebko, aber auch Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, besonders gerne habe ich zum Beispiel auch Jacqueline du Pré. Eine große Inspiration! 

Wenn Sie sich nun einer neuen Partie zuwenden: Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie diese?
Slávka Zámečníková: Das Wichtigste ist zunächst, ob die Rolle zu meiner Stimme passt. Man hat ja viele Träume und es gibt viele verschiedene Rollen, die man gerne singen möchte, wenn es aber für die Stimme undenkbar ist, bleibt es halt nur ein Traum. Wenn mir also eine Partie angeboten wird, schaue ich immer zu allererst, ob ich diese sängerisch schaffen kann. Wenn ich selbst eine Partie aussuchen soll, dann wähle ich auf jeden Fall eine musikalisch interessante Partie. Meistens geht es Hand in Hand, sodass die Partie gleichzeitig auch als Figur sehr spannend ist. 

Wie sieht die Annäherung an eine neue Rolle aus? Sind Sie eine schnelle Lernerin? 
Slávka Zámečníková: Ich kann es nicht beurteilen, ob ich schneller oder langsamer als andere bin, auf jedem Fall aber finde ich es recht einfach, Partien auswendig zu lernen. Das geht bei mir glücklicherweise immer sehr flott. Wenn ich viel zu tun habe, arbeite ich wie verrückt ... Dann kommt der wichtige und spannende Teil, und zwar die Geschichte und den Charakter ganz zu verstehen und so viel wie möglich zu analysieren. 

Haben Sie einen direkten Ansprechpartner in künstlerischen Fragen, einen Vertrauten oder eine Vertraute?
Slávka Zámečníková: Meine Hochschullehrerin, Anna Samuil und ihr Mann, Matthias, der gleichzeitig auch mein Pianist ist, waren und sind mir immer noch sehr gute Vertraute. Nicht nur, was das Musikalische betrifft, sondern auch bei vielen Entscheidungen in Bezug auf meine Karriere. Auf meinen Agenten höre ich auch sehr gerne und lasse mich beraten. Im Endeffekt entscheidet man aber natürlich über alles selbst. Es ist mir dennoch sehr wichtig, die Meinungen von anderen zu hören. Wenn ich dann aber trotzdem anderer Meinung bin, richte ich die Entscheidungen nach meinem eigenen Gefühl aus.  

Wie kontrollieren Sie Ihre eigene Leistung?
Slávka Zámečníková: Ich bin mit mir selbst sehr streng. Es passiert nicht oft, dass ich komplett zufrieden bin, weil ich jeden Tag und jedes Mal mehr von mir erwarte. Um zu wissen, wie ich klinge, schneide ich oft mit. Aber: Wenn ich auf der Bühne stehe, versuche ich immer beides gleichzeitig – zu genießen und den Emotionen Freiheit zu lassen, aber trotzdem alles richtig zu machen und mich vollkommen zu konzentrieren. Wenn eine der Seiten fehlt, bringt die andere nicht so viel. 

Kultur endet ja bekanntlich nicht an der Bühnentür eines Opernhauses, woraus schöpfen Sie zusätzliche Inspiration für Ihr künstlerisches Sein? 
Slávka Zámečníková: Ich war immer sehr interessiert daran, das Leben jener Personen, die ich bewundere, besser kennenzulernen. Ebenso ist es mit Stücken, mit denen ich mich aktuell beschäftige: Ich lese alles, was ich auftreiben kann. Jenseits der Musik brenne ich für die Malerei: Da ich selbst male, steht mir auch diese Kunstform sehr nah. Sie werden mich also oft in Museen und Galerien antreffen! 

Wichtige Wegmarken Ihrer Karriere waren – neben Berlin – auch die zahlreichen Wettbewerbe, die Sie für sich entscheiden konnten. Hatten Sie nach einem solchen Sieg eher das Gefühl: ›Jetzt hab’ ich es geschafft!‹ Oder: ›Jetzt geht es so richtig los!‹? 
Slávka Zámečníková: Ein Wettbewerbspreis ist ja eine riesige mentale Belohnung für die Mühe und Energie, die man investiert hat. In meinem Fall war es daher immer eher: Hurra, jetzt geht’s endlich los! Ich habe das Adrenalin bei den Wettbewerben sehr gemocht. Nicht, weil ich gewinnen wollte, sondern weil ich immer mit mir selbst wetteifern konnte. Ich wollte wissen, was ich unter Druck zu leisten fähig bin und wo ich mich – im Vergleich zu Kollegen – gerade in meiner musikalischen Entwicklung befinde. Und jedes Mal war ich erstaunt, was ich dabei alles über mich selbst gelernt habe.

Selbstbestätigungen und Vergewisserungen ergeben sich natürlich auch durch die Erfolge, die Sie regelmäßig haben. Würden Sie aber auch singen, wenn sich der Erfolg nicht in diesem Maße einstellte? 
Slávka Zámečníková: Singen ist etwas, das man machen soll, weil man es liebt. Natürlich braucht es Anerkennung, aber ich habe den Beruf nie betrieben, um berühmt zu werden, sondern weil es mich glücklich macht. Klar, es gab viele Momente, in denen ich mich verloren gefühlt habe und nicht weiterwusste, weil nichts zu klappen schien. Man muss aber verstehen, dass ein solcher Moment kein Ende ist, sondern der Weg, um stärker zu werden. 

An der Wiener Staatsoper debütieren Sie mit Norina in Don Pasquale. Spielt es für Sie eine Rolle, wie nahe Ihnen eine Figur persönlich steht? Oder stellt sich diese Frage als professionelle Darstellerin gar nicht?
Slávka Zámečníková: Norina ist eine Partie, bei der ich das Gefühl habe, mich selbst zu spielen. Die Figur macht mir unglaublich viel Spaß und zum Singen ist die Rolle angenehm. Mir ist es grundsätzlich wichtig, einen Rollencharakter so weit als möglich mir selbst anzunähern. Und letztendlich komme ich beim Erarbeiten einer Partie immer wieder zu mir zurück und frage mich, wie ich in dieser oder jener Situation reagieren würde? So fühle ich mich auf der Bühne komplett wohl und habe das Gefühlt, dass alles sehr organisch und ehrlich ist.

Wie schnell können Sie ganz allgemein in eine Figur hineinschlüpfen und wieder herauskommen?
Slávka Zámečníková: Im Alltag als Opernsängerin ist es fast ein Wunder, wenn man nicht gleichzeitig mehrere Partien vorbereiten muss. Aber ich nehme mir vor jede Probe und Vorstellung ausreichend Zeit, die Oper im Kopf durchzugehen, um mich einzustimmen. Das ist eine Konzentrationssache, aber wenn man ausreichend fokussiert, klappt es problemlos. 

Wie geht es Ihnen nach einer Vorstellung? Kathartisch glücklich?
Slávka Zámečníková: Grundsätzlich bin ich nach einer Vorstellung immer sehr glücklich, da etwas geschafft ist, woran ich lang gearbeitet habe. Meiner Meinung nach soll man sich nicht unmittelbar nach dem Auftritt damit beschäftigen, was womöglich nicht geklappt hat. Erst später mache ich eine Rekapitulation und arbeite daran, das zu verbessern, was am Abend vielleicht nicht so gut gelaufen ist. 

Ein „typischer“ Vorstellungstag: Wie sieht ein solcher aus?
Slávka Zámečníková: Ich achte sehr darauf, dass ich gut ausgeschlafen bin, aber nicht zu spät aufstehe. Gut essen, viel Wasser trinken, nichts Anstrengendes machen, aber – äußerst wichtig – sich nicht langweilen! Wenn der Energielevel am Tag zu sehr sinkt, finde ich es immer anstrengend, am Abend so richtig Gas zu geben. Am Vorstellungstag öffne ich den Klavierauszug nicht mehr: Was ich bis jetzt nicht gelernt habe, kriege ich bis zu Abend sowieso nicht mehr hin und ich vertraue darauf, dass alles klappt, so wie ich es vorhabe. Lieber gönne ich mir vor der Vorstellung Ruhe und Vorfreude.

Zuletzt die persönliche Beschreibung des Sängerinnen-Berufs …
Slávka Zámečníková: … kurz und treffend: einzigartig!