© Shirley Suarez Photography

Unser Ensemble: Alexandra Steiner im Porträt

Nicht alles ist Ernsthaftigkeit. Immer wieder blitzt ihr der Schalk aus den Augen, mit unterrollt sie sie auch, wirft sich zwischendurch ein wenig in Pose oder gibt sich kumpelhaft. Dann aber plötzlich fokussierte Konzentration und ein bestimmter, sicherer Tonfall: „Musik hat die Kraft, ans Herz der Menschen zu rühren.“ Das ist es, das Credo der jungen Sängerin, ganz ohne Wenn und Aber. Hier geht es um die Sache, um den Kern der Sache. Musik als Lebensmittelpunkt, als Transportmittel der Gefühle, mehr noch: als Universalkraft. „Man kann durch Musik das auslösen, was den Menschen als solchen ausmacht: die Fähigkeit zum Mit gefühl.“ Ernsthaft und bestimmt wirkt sie, wenn sie das sagt, doch nicht altklug. Sondern einfach ehrlich: „Dieses jemanden so unmittelbar, so intim und direkt berühren zukönnen – das ist der Hauptgrund, warum ich das mache.“ Nachsatz: „Und weil es mir unglaublich viel Spaß macht!“

Alexandra Steiner, neues Ensemblemitglied im Sopranfach, weiß also um das Warum. Und sie kennt ihren Platz in der Welt: Der ist auf der Opern- und Konzertbühne. Steht dahinter ein großer Masterplan, eine karrieretechnische Wegbeschreibung, eine exakt durchgerechnete Mehrjahreskalkulation? „Nein“, winkt sie, nun wieder lachend, ab. „Die Partie soundso in soundso vielen Jahren da oder dort gesungen – so einen Plan habe ich nicht. Natürlich: Zwischenziele, Überlegungen, was vielleicht für die Stimme gut wäre, was mir am Herzen liegt, was mir etwas bedeutet oder wohin ich mich vielleicht entwickle, die gibt es schon. Und träumen von bestimmten Rollen tue ich natürlich auch … Aber ich habe keinen umfassenden und präzisen Karriere plan als solchen.“

Ein solcher geht ihr auch nicht ab. Ebenso wenig, wie ein ausgebildetes Talent für Ehrgeiz. Lieber spricht sie von Passion, einer so großen Passion, dass sich alles andere automatisch unterordnet. „Ich glaube, dass man für den Sänger beruf sehr viel Leidenschaft braucht. Und dieser weist den Ehrgeiz ganz von selbst in die Schranken. Denn wenn ich für meine Sache brenne, wirklich brenne, dann bringe ich ganz von selbst die Energie auf, zu arbeiten, viel zu arbeiten, vielleicht auch über das durchschnittliche Maß hinaus. Da braucht’s kein eigenes ehrgeiziges Ich-will-weiterkommen-Programm.“

Der unbedingte Wille also als Kraft, die einen trägt? „Bei mir war es jedenfalls so,“ meint Steiner. „Ich komme aus einem Umfeld, in dem Gesang keine so große Bedeutung gehabt hat. Musik: ja. Aber Gesang – vor allem als Beruf – weniger. Ich habe aber allen Widerständen getrotzt und bin den Weg gegangen.“ Widerstände, damit meint Steiner weniger jemanden, der sich ihr hindernd in den Weg gestellt hätte, sondern mehr die allgemeinen Umstände, die eine junge Sängerin bremsen könnten. Wenn man in einer Familie die erste ist, die neue Wege geht, dann stellen sich einfach viele Fragen. Man hat keinen Ratgeber, der einem aus Erfahrung helfen oder Kontakte vermitteln kann. Sondern man muss sich halt selber durch kämpfen und den Weg finden.“

Der Weg also: Der führte sie aus dem heimatlichen Augsburg unter anderem nach Cardiff, zu einem Gesangsstudium bei Dennis O’Neill und Nuccia Focile. Bis heute schwärmt sie von den beiden, vor allem von Letzterer: „Eine unglaubliche Inspiration! Auch heute noch denke ich, wenn Unsicherheit auftritt, daran, was sie wohl täte. Und es hilft immer!“Engagements führten sie ans Nationaltheater Weimar, ans Saarländische Staatstheater und das Salzburger Landestheater, zu Festivals wie die Biennale München und Rhein Vokal. Und zu den Bayreuther Festspielen, wo sie 2016 debütierte. Übrigens, neben dem Staatsopern-Debüt im letzten Dezember (als Adele in der Fledermaus), einer der ganz großen, erinnerungswürdigen Momente ihres jungen Sängerlebens. „Ich habe die Akustik sehr genossen,“ schwärmt sie, „wenn man da von Musik umbrandet wird und darin aufgehen kann – das ist sehr ergreifend!“

An den genannten und noch manch anderen Stationen sang sie unter anderem ein feines, lyrisches Repertoire: die Susanna in Le nozze di Figaro, Norina in Pasquale, Pamina in der Zauberflöte, Gretel in Hänsel und Gretel.

Ist es nun aber soweit, dass sie am Abend auf die Bühne muss – wie verändert sich da der Alltag? Wird der Sängerschal ausgepackt, den lieben Tag lang geschwiegen und meditiert, als erstes am Morgen das Wohlbefinden der Stimme überprüft? Nur ein Abwinken! Den morgendlichen Check, meint Steiner, gibt’s ohnehin jeden Tag, egal ob eine Aufführung ansteht oder nicht. „Ich schaue natürlich wie es mir geht, meinem Körper, meiner Stimme“. Obwohl – und da ist der Schalk wieder – „das Allererste ist ein Kaffee. Der kommt zuerst, und dann erst die Stimme!“ Aber: „Ich kann am Aufführungstag auch nur das bringen, was ich bei den Proben und vorher erarbeitet habe. Gut, es kommt die Kommunikation mit dem Publikum hinzu, diese besondere Spannung und Energie, wo man manchmal etwas erreicht, was vorher noch nicht dagewesen ist. Und natürlich bereite ich mich sorgfältig für den Auftritt am Abend vor. Diese Vorbereitung hängt aber auch von den Anforderungen der Partie und dem Umfeld ab. Eine Partie bis zum dreigestrichenen g wie Die Grille (James Ayres), die ich in Weimar sang oder die Gretel in der Philharmonie Berlin jetzt vor Weihnachten sind schon Fälle, in denen man sich bewusst und intensiv vorbereitet, schon Tage vorher. Grundsätzlich gehe ich jede Partie, egal wie groß oder klein am Aufführungstag komplett durch, bevor ich auf die Bühne gehe, und zwar szenisch, musikalisch und stimmlich. Eine gute Planung erfordert dieser Tag also schon.“

Worauf sie aber natürlich achtet, ist eine „vernünftige Partnerschaft mit der Stimme.“ Da diese ja das Instrument ist, mit dem eine Sängerin oder ein Sänger täglich arbeitet, braucht es ein gutes Zwiegespräch. „Im Idealfall hört man aufeinander“, lächelt Steiner. „Denn einen gewissen Grad an Eigenlebenhat die Stimme schon. Man kann sie zwar ein wenig steuern, aber alles macht sie nicht mit. Also muss gut kommuniziert werden.“ Ob da Literatur zu Gesangsfragen unterstützend helfen kann? Natürlich habe sie sich ausführlich mit unterschiedlichen Ansätzen der Technik und Atemtechnik beschäftigt, aber derzeit liegen die entsprechenden Lehrbücher eher im Schrank, verrät Steiner. „Wenn, dann ist mir Liveunterricht lieber“.

Also findet sich am Nachtkastl eher Vermischtes: „eine italienische Grammatik, Nachdenkliches zu Gesellschaftsstrukturen und ein Roman zur Unterhaltung“,wird aufgezählt. – Zumindest die Grammatik deutet wieder auf den Beruf hin. Gibt’s denn keine Pause im Sängerinnenleben? Keine bewusste, zumindest. „Ich genieße es zu reisen, war zuletzt etwa in Asien, da ist der Gesang natürlich weggefallen.“ Programmatische Pausen legt Alexandra Steiner jedoch nicht ein. Wie denn auch? Gibt’s doch zwischen Leben und Musik ohnehin keine echte Grenze. Und wieder ist er da, der ernsthafte, bestimmte Tonfall: „Alles ist Musik, und Musik ist alles. Da schwimmt eines ins andere ...“

Oliver Láng