Animal Farm

ALEXANDER RASKATOV

»Oper sollte bersten von Leben.«

ALEXANDER RASKATOV

OPER in drei Akten, neun Szenen & einem Epilog
von ALEXANDER RASKATOV
Text IAN BURTON & ALEXANDER RASKATOV nach GEORGE ORWELL


Musikalische Leitung  ALEXANDER SODDY
Inszenierung  DAMIANO MICHIELETTO
Bühne  PAOLO FANTIN
Kostüme  KLAUS BRUNS
Licht  ALESSANDRO CARLETTI
Choreographie  THOMAS WILHELM


Old Major  GENNADY BEZZUBENKOV
Napoleon  WOLFGANG BANKL
Snowball  MICHAEL GNIFFKE
Squealer  ANDREI POPOV
Boxer  STEFAN ASTAKHOV
Benjamin/Young Actress  KARL LAQUIT
Minimus  ARTEM KRUTKO
Clover  MARGARET PLUMMER
Muriel  ISABEL SIGNORET
Blacky  ELENA VASSILIEVA
Mollie  HOLLY FLACK
Mr. Jones  DANIEL JENZ
Ms. Jones  AURORA MARTHENS
Mr. Pilkington  CLEMENS UNTERREINER


Einführungsmatinee  18. FEBRUAR 2024
Erstaufführung an der Wiener Staatsoper  28. FEBRUAR 2024
Premierenserie 28. FEBRUAR 2. / 5. / 7. / 10. MÄRZ 2024


Ein Auftragswerk und eine Koproduktion der NATIONALE OPERA & BALLET AMSTERDAM,
der WIENER STAATSOPER, des TEATRO MASSIMO PALERMO & der FINNISH NATIONAL OPERA & BALLET HELSINKI.


ZU DEN TICKETS

Das Publikum erwartet die Premiere einer Oper nach Orwells Klassiker der Dystopie über einen scheiternden Befreiungskampf. Auf einem verwahrlosten Bauernhof revoltieren die Tiere gegen ihren tyrannischen Besitzer, müssen sich jedoch bald unter das Joch eines neuen Führers aus ihren eigenen Reihen beugen: »Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.« Noch 1947, im Jahr der Erstveröffentlichung der Fabel Animal Farm, einer Parabel über die Perversion der russischen Revolution unter Stalins Diktatur, erschienen die ersten beiden Übersetzungen in ukrainischer und polnischer Sprache. Erscheinen mussten sie freilich in Westeuropa. Aber auch die Chancen des englischen Originals auf dem westlichen Büchermarkt, der dem Manuskript passiven Widerstand entgegensetzte, waren einige Zeit mehr als fraglich. Wie Orwell im Vorwort zur ukrainischen Ausgabe festhielt, war seine Satire gar nicht primär auf die Sowjetunion bezogen, von der er nur eine durch Zeitschriften und Bücher vermittelte Kenntnis besaß, sondern auf die Illusionen des Westens über das sozialistische Wunderreich im Osten. Diese Illusionen implizierten, dass man die totalitären Gewaltexzesse des Regimes – von den Schauprozessen und Deportationen über die Massenmorde und den Holodomor bis zum Gulag – aktiv zu verdrängen und zu verleugnen suchte. Dass ein »linker« Autor wie Orwell gegen diese unkritische Bewunderung anschrieb, wurde von den sich fortgeschritten wähnenden Kreisen mit Totschweigen und Desinteresse quittiert. Waren es damals geo- und parteipolitische Interessen (die Sowjetunion als Verbündeter im Kampf gegen Hitlerdeutschland bzw. den Kapitalismus), die das Schweigekartell westlicher Gesellschaften zementierten, so sind es in der jüngsten Vergangenheit wirtschaftliche gewesen. Die Aktualität von Orwells Dystopie erweist sich so auch angesichts der seit den Nullerjahren flagranten Re-Stalinisierung der russischen Gesellschaft. Die Grundfrage des Buches bleibt im »postfaktischen« Zeitalter des Populismus freilich auch im Westen auf bedrängende Weise akut: Wie ist es möglich, dass Volksführer sich bei der Durchset- zung rücksichtsloser Macht- und Eigeninteressen einer kämpferischen Rhetorik von Freiheit und Sicherheit bedienen?

Den Wunsch, Animal Farm auf die Opernbühne zu bringen, hat Regisseur Damiano Michieletto lange gehegt: »Die Geschichte ist einfach, eine Art Märchen, das, wenn man es genauer betrachtet, auf vielschichtige Weise wichtige Themen wie Macht, Unterdrückung und Propaganda bearbeitet. Die Geschichte ist grausam, umfasst aber auch komische Elemente. Und sie erlaubt, nicht nur viele Solorollen, sondern auch einen Chor zum Einsatz zu bringen«, so Michieletto. In Alexander Raskatov fand er einen idealen Partner. Der 1953 in Moskau, nicht unweit des Roten Platzes und am Tag von Stalins Begräbnis in eine russisch-jüdische Familie hineingeborene Komponist hat bereits mit der Vertonung eines anderen sowjetkritischen literarischen Meisterwerks Aufsehen erregt: A Dog’s Heart (2010/2017) nach Bulgakovs Erzählung Hundeherz, das ebenfalls an der Dutch National Opera uraufgeführt wurde und dann auch in London, Mailand und Lyon zu erleben war. 

Raskatov hat mit dem erfahrenen Librettisten und Dramaturgen Ian Burton intensiv zusammengearbeitet. Ihm war es wichtig, Orwells Außenansicht des Sowjetimperiums mit Innensichten des Systems zu verbinden, indem er Originalzitate von Stalin, Trotzki und des Geheimdienstchefs Beria einarbeitete, dabei auch die sexualisierten Gewalttaten des Letzteren miteinbeziehend. Sprachlich drängte Raskatov auf Verknappung und Verdichtung sowie darauf, die Erzählung in möglichst plastische Situationen zu übersetzen. Für seine Vertonung entwickelte er einen »Skalpell-Stil« – wie er selbst es nennt –, der das Geschehen scharf und kontrastreich konturiert. Dabei arbeitet Raskatov auch mit musikalischen Verweisen auf die Geschichte seines Landes. Die Partitur sieht nicht weniger als 21 Solorollen vor, die das volle Spektrum menschlicher Stimmlagen ausschöpfen und von denen jede einzelne ein charakteristisches individuelles Profil erhält.

Regisseur Michieletto hat das Geschehen nicht auf einem Bauernhof, sondern in einem Schlachthof verortet: »Die Figuren halten sich hier auf, um getötet zu werden. Sie sind in Käfige gesperrt und träumen von Freiheit. Ein Tier zu sein bedeutet hier, ein Sklave zu sein, Fleisch zu sein, ein Gegenstand in der Hand des Menschen.« Die Uraufführungsinzenierung Michielettos entstand als Koproduktion mehrerer auftraggebender Häuser. Sie hatte am 4. März 2023 in Amsterdam Premiere; die Wiener Erstaufführung folgt am 28. Februar 2024.

SPOTIFY-PLAYLIST ZUR EINSTIMMUNG



Über die Playlist

Da es von der Uraufführung in Amsterdam (am 4. März 2023) noch keine offiziell verfügbare Aufnahme geben kann, möchten wir diese Playlist dem Komponisten der Oper widmen, Alexander Raskatov (Jg. 1953). Sie enthält Bearbeitungen von Mozart und Bach, Chorwerke, Kammermusik und Teile aus »Dramatic Games« für Violoncello solo. 
 

»Für einen Komponisten ist es wichtig, zu einer Synthese zu finden aus deinen musikalischen Kindheitserinnerungen, aus der Folklore, mit der du in Berührung gekommen bist, und aus dem Schaffen der von dir bewunderten Komponisten. All diese Einflüsse müssen in ein Idiom verwandelt werden, das nur dir und niemand sonst gehört: die Transformation von Lebens- erfahrung in Musik. Meine Begegnungen mit der russischen Folklore sind genauso wichtig wie die mit den Komponisten Schnittke und Weinberg. Zu einer solchen Synthese zu gelan- gen, ist erst recht wichtig bei einer Oper. Eine Oper unterscheidet sich sehr stark von einem symphonischen oder kammermusikalischen Werk. Die Oper ist kein »reines«Genre. Sie verlangt einen offenen Horizont und eine Art Polystilistik. Das lässt sich schon an Mozart be- obachten. Aber ich denke auch an die zahlrei- chen Reminiszenzen an russische Folklore bei Mussorgski, Tschaikowski, Rimski-Korsakow oder Schostakowitsch. In eine Oper lassen sich die verschiedensten Dinge in einen neuen und manchmal auch total gegenläufigen Kontext setzen und dadurch paradoxe Effekte erzielen. Oper ist keine puristische oder akademische Form. Sie sollte von Leben bersten.«