Wir proben weiter – unsere (digitalen) Jugendprojekte
Seit dieser Spielzeit bauen wir an der Wiener Staatsoper partizipative Outreach Programme für Kinder und Jugendliche aus. Wir freuen uns, dass wir zwei dieser neuen Projekte, das Opernlabor (für 15-24-Jährige) und das Tanzlabor (für 9-15-Jährige), gleich im Oktober gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern Superar und Tanz die Toleranz starten konnten. Voller Vorfreude und Energie haben wir uns mit den Jugendlichen im Herbst in den offenen Probenprozess im Kulturhaus Brotfabrik, unserem Probenzentrum im 10. Bezirk, gestürzt. Hier wurden die Teilnehmer*innen eingeladen, zum Thema #UTOPERA „Wie wünschen wir uns die Zukunft?“ ihre eigene Musiktheater- und Tanzperformance in Co-Kreation mit Profis zu entwickeln. Die Premiere beider Projekte ist mit Unterstützung des Superar Orchesters für Juni 2021 im Kulturhaus Brotfabrik geplant.
Wir hatten einen großartigen Start: Mitte Oktober lernten die rund 20 Jugendlichen sowohl sich untereinander als auch unser Team und die Probenräume kennen. Die großzügigen und kreativen Räumlichkeiten im Kulturhaus Brotfabrik erlaubten uns Raum zu nehmen, um Musik in Szene zu verwandeln und umgekehrt. Inspiriert von Themen unseres Spielplans experimentierten wir mit Chören, Arien und schlugen Brücken zur Lebenswelt der Jugendlichen selbst. Denn darum geht’s: Durch und mit Oper und Tanz eine Plattform für die Gedanken und Visionen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schaffen. Doch wie befürchtet, änderte der erneute Lockdown die Probensituation und wir mussten die in persona Proben aufgrund der neuen Maßnahmen schweren Herzens unterbrechen. Für meine Kolleg*innen von Superar und Tanz die Toleranz und mich stand sofort fest: Kulturelle Bildung und die Möglichkeit für Jugendliche, sich kreativ auszudrücken und künstlerisch in Gemeinschaft tätig zu sein, dürfen nicht auf ‘standby‘ gesetzt werden. Stattdessen waren wir uns einig, dass es vielmehr darum geht, kreativ mit der neuen Situation umzugehen. Denn gerade jetzt ist es wichtig, als Community zusammen zu sein. Dass dies nun situationsbedingt erst einmal digital stattfinden musste, haben die Projektteilnehmenden schnell angenommen und sich sehr offen und flexibel auf die neue Situation eingelassen. Kurzer Hand wurde nun aus privaten Wohn- und Schlafzimmern heraus geprobt, manchmal mit Unterbrechung durch Auftritte von hauseigenen Hunden oder Katzen, die für den ein oder anderen Überraschungs-Lacher in der online-Probe sorgten. Im Video-Chat wurde ab sofort weiter an Szenen geschrieben und improvisiert, musiziert, aber natürlich wurden auch weiterhin Freundschaften gepflegt. „Ich habe alle Netflix-Serien durch und weiß nicht was ich sonst mit meiner Zeit zu Hause anfangen soll. Im Opernlabor treffe ich neue Leute und kann weiterhin kreativ sein. Hier kann man sich über ernste Themen austauschen, Gesellschaft diskutieren, aber auch einfach mal über eine lustige Impro-Übung lachen und gemeinsam Spaß haben“, so ein Teilnehmer.
Natürlich vermissen meine Kolleg*innen und ich des Öfteren die tollen Möglichkeiten eines großen Probenraums mit Theateratmosphäre, doch auch über zoom gibt es spannende Möglichkeiten, wichtige grundlegende Dinge der gemeinsamen Theaterarbeit zu üben und sich intensiv mit dem Programm der Wiener Staatsoper und des Wiener Staatsballetts zu beschäftigen:
Zum Beispiel im Tanzlabor haben wir letzte Woche zu “The Concert“ von Jerome Robbins gearbeitet. Es ist ein hervorragendes Werk, das sich zu Chopin-Musik tänzerisch mit Pannen, die bei einem Konzertbesuch passieren, auseinandersetzt. Die Story dieses wohlmöglich lustigsten Balletts der Tanzgeschichte, welches wir hoffentlich im Sommer mit der Gruppe live vom Wiener Staatsballett getanzt anschauen können, haben wir kurzerhand mit den jungen Teilnehmer*innen des Tanzlabors in eine digitale Version umgewandelt. Auch über zoom können wir wichtige Dinge üben, die auch für eine spätere Aufführungen wichtig sind: Auf-und Abtritte, Timings, auf Impulse von anderen oder der Musik reagieren und als Ensemble eine gemeinsame Energie aufbauen und halten. Nach nur zwei Stunden Probe hatten wir unsere eigene „The Concert“-Version und konnten nicht nur über unsere eigenen Pannen lachen, sondern weitere Ideen für Geschichten, Figuren und Emotionen für unsere eigene Aufführung sammeln.
Nicht nur im Tanzlabor, auch im Opernlabor ist wohl eines der größten Herausforderung das Timing. Unterschiedliche Internetqualitäten und damit einhergehende Delays in Sound und Bewegung machen synchrones Musizieren und Bewegen schwer. Schnell haben wir in unseren Projekten herausgefunden, dass es stattdessen darum geht, Ausdrucksformen und Rahmen zu finden, die darunter nicht leiden, sondern stattdessen motivieren, neue Dinge auszuprobieren. Im Tanz arbeiten wir viel mit verschiedenen Bewegungsqualitäten, die weniger an einen konkreten musikalischen Rhythmus, sondern eher an eine musikalische Grundatmosphäre gebunden sind und mit der Veränderung ihrer Wahrnehmung durch das Spiel mit verschiedenen Kameraperspektiven. Eines unserer aktuellen Lieblings-Warm-Ups der 9-11-Jährigen im Tanzlabor: „Der Kamera-Staubsauger“, der uns von der Kamera wegzieht und wieder zu ihr bringt. Im Opernlabor geht es darum, Spannung zu halten oder zu improvisieren, auch wenn einmal eine Unterbrechung durch das Internet auftritt. Auch das ist eigentlich eine super Übung für den real-Fall.
Es wäre gelogen zu sagen, dass uns nicht wie allen Kulturschaffenden und Künstler*innen derzeit doch manchmal der Frust einholt. Konzepte und Pläne die meine Kolleg*innen Johannes Mertl (Leiter Opernschule), Andy Icochea (Leiter Superar), Monica Delgadillo Aguilar (Leitung Tanz die Toleranz) und ich gemeinsam ausgearbeitet haben, können nicht immer 1:1 übertragen werden. Auch die Teilnehmenden frustriert es gelegentlich, einfach nicht wissen zu können, wann sie sich wieder als Gruppe gemeinsam in persona treffen können. Viel mehr noch würden wir gerne im Chor, in Bewegung im Raum improvisieren und gemeinsam vor Ort kreativ sein. Denn Musiktheater und Tanz sind nicht nur Szene und Musik: Es ist auch Inszenieren im Raum, Arbeit mit Licht…. Das muss wohl noch etwas warten. Stattdessen versuchen wir gerade das inhaltliche Grundgerüst der jeweiligen Performances zu schreiben, Bilder zu finden und zu komponieren und uns damit dann hoffentlich nach dem Lockdown wieder gemeinsam in den Probenraum zu stürzen. Für jetzt freuen wir uns auf unsere bevorstehende kleine „digitale Winterfeier“ mit unseren Ensembles und darüber, dass wir Opern und Ballett zwar nicht live aber ab und zu über den Stream anschauen und gemeinsam besprechen können.
Auch das Format InsideOpera (für 16-24-Jährige) findet weiterhin statt. Hier haben junge Erwachsene die Möglichkeit jede Woche anderen Künstler*innen und Mitarbeiter*innen der Wiener Staatsoper online zu begegnen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit der Vermittlung und Dramaturgie wird hier fast jedes Opern- und Ballettgeheimnis gelüftet. Was dabei herauskommt, kann man bald im InsideOpera Podcast erfahren. Nachdem wir zum Beispiel schon Mitarbeiter*innen aus dem Musikarchiv, der Produktionsleitung, Kostümabteilung und Regiekanzlei zu Gast hatten, freuen wir uns besonders auf den Besuch unseres Chefdramaturgen und Regisseurs Sergio Morabito diesen Donnerstag, um mit ihm gemeinsam über seine neue Produktion für die Staatsoper, „Das verratene Meer“, zu sprechen.
Noch freie Plätze: Aktuell gibt es noch freie Plätze im Tanzlabor. Die Projektgruppe trifft sich jeden Montag von 16.30-18.30 Uhr via zoom. Das Projekt ist kostenlos: Im Projekt zudem enthalten: Zwei kostenlose Besuche einer Vorstellung des Wiener Staatsballetts.
Infos und Anmeldung zu den kostenlosen Kreativprogrammen gibt es bei Krysztina Winkel jugend@wiener-staatsoper.at