Wenn Liebe verdirbt...
"Das wäre ein Stück Arbeit, da könnt’s was geben ...“… soll der Legende nach Ludwig van Beethoven geknurrt haben, als ihm der Verlag Breitkopf das Goethesche Faust-Werk zur Vertonung antrug. Er jedenfalls tat sich dieses „Stück Arbeit“ nicht an. Wohl aber viele Komponistenkollegen quer durch unterschiedliche Genres, von Liszt bis Berlioz. Die Bekannteste unter allen Faust-Vertonungen ist freilich jene Oper von Charles Gounod, die im März wieder auf dem Staatsopern-Spielplan steht.
Wobei Faust nicht immer Faust heißen durfte. Aus Verneigung vor dem Genie Goethes und aus strategischer Vorsicht nannte man die Oper hierzulande lange Margarethe, um der Diskussion „Darf man Goethes Meisterwerk überhaupt in Musik fassen?“, aus dem Weg zu gehen. Denn es gab viele – und die deutschsprachigen Rezensionen der damaligen Zeit zeigen das deutlich – die Goethe für so heilig und vor allem so deutsch hielten, dass eine Vertonung durch einen französischen Komponisten für sie als Sakrileg galt.
Dass Gounod den Faust-Stoff dennoch frisch von der Leber weg vertonte mag damit zu tun haben, dass er sich der speziellen Denkwege mancher Nationalisten glücklicherweise nicht bewusst war. Und damit, dass die Lektüre von Goethes Faust schon zu Studienzeiten zu seinen „Lieblingszerstreuungen“ zählte. Da saß er, wie er später zu berichten wusste, nächtens auf den Felsen in Capri, zerstreute sich über Phantasien über die Walpurgisnacht und plante eine Oper, die Goethe das Wasser reichen könnte. In diesen „phosphorisierenden Nächten“ ließ sich Gounod durch die Kräfte der Natur, die Gischt und das Meer inspirieren, ließ Steine in die Brandung stürzen und horchte in die Natur, die Seele hinein. Wobei es dem Komponisten letztlich in seiner Faust-Arbeit weniger um das Ringen des Menschen um Erkenntnis ging, sondern um das Ringen eines älter werdenden Mannes um die Jugend und eine entsprechend jüngere Frau. Andererseits … ganz so oberflächlich nahm es Gounod dann doch nicht. Manches, wie die berühmte Habe nun, ach!-Passage des Protagonisten verlagerte der Komponist geschickt in die Musik und schuf so einen Monolog ohne Worte, ein schlüssiges Stimmungstheater.
Es dauerte allerdings noch ein Weilchen, bis aus diesen abendlichen Felsenträumereien ein konkretes Werk wurde. 1859 schrieb man, als in Paris der Faust endlich zur Uraufführung kam und dann gingen noch einmal zehn Jahre durch das Land, bis die zweite, endgültige Fassung geschrieben war.
Wie aber reagierte das Wiener Publikum auf diesen Faust? Folgte es den Kritikern und maulte über die von jenen so apostrophierte „Limonadenmusik“? Im Gegenteil! Man stürmte die Vorstellungen und konnte gar nicht genug bekommen. So spielte man den Faust eine Zeitlang sogar in der alten und der neuen Hofoper parallel! In Summe sind es hunderte Vorstellungen, die in der heutigen Wiener Staatsoper erklungen sind und es ist eine eindrucksvolle Ahnengalerie an großen Namen, die zu hören waren. In der aktuellen Serie, die am 18. März startet, singt Anita Hartig erstmals im Haus am Ring die Marguerite, ebenfalls ein Rollendebüt gibt Jean-Francois Borras ihn der Titelrolle – man hat in hier im französischen Fach bereits als Des Grieux in Massenets Manon und als Werther gehört. Luca Pisaroni, der zuletzt als Graf Rodolfo in Bellinis Sonnambula gastierte, wird den Méphistophélès geben. Dirigentin: Simone Young.
Oliver Láng
Faust | Charles Gounod
18., 21., 25. März
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