Valentina Naforniță im Interview

Sie ist aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper nicht mehr wegzudenken und bereits auf den großen Bühnen der Welt zu Hause: Valentina Naforniță.  Die Sopranistin wurde in Glodeni (Moldawien) ge­boren und studierte unter anderem am Stefan Neaga Music College in Chisinau und an der Bukarester Musikuniversität. 2011 gewann die junge Sängerin den renommierten BBC Cardiff Singer of the World-Wettbewerb – sie erhielt nicht nur den Hauptpreis, sondern auch den Dame Joan Sutherland Publikumspreis und war Finalis­tin beim Lied-Preis. Engagements führten sie unter anderem an die Mailänder Scala, nach Amsterdam, Edinburgh, an die Staatsoper Berlin, an die Bayerische Staatsoper in München und nach China. Sie ist seit 2011 Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und war hier bisher unter anderem als Susanna, Oscar, Lisa, Clorina, Musetta, junger Hirt, Najade, Marzelline, Stimme vom Himmel, Musetta und Elfe (Rusalka) zu hören. Oliver Láng hat das folgende Interview mit der Sängerin geführt.

Es gibt die klassische Interviewfrage an eine junge Sängerin: Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?

Valentina Naforniță: Ich kann nicht behaupten, dass ich von frühester Kindheit an Sängerin werden wollte, anfangs wusste ich nicht viel vom Musiktheater. Dann begann ich mit einem Musikstudium und verliebte mich plötzlich in die Oper! Von diesem besonderen Augenblick an war es für mich klar, was ich den Rest meines Lebens machen will: singen!

Wie alt waren Sie damals?

Valentina Naforniță: Ungefahr 16 Jahre alt, also eindeutig kein Kind mehr. Ich muss aber hinzufügen, dass ich bereits in frühen Jahren sehr gerne gesungen habe: das hat bei uns zuhause einfach dazugehört, und obwohl meine Eltern keine Musiker waren, hatten sie die Musik im Blut. Und so sangen wir – meine Eltern, meine Schwester und ich – oftmals im Quartett. Dann kam ein Violinstudium dazu, und damit trat ich erstmals richtig in die Welt der klassischen Musik ein!

Wie sah es mit Alternativberufswünschen aus? Gab es – vor dem Gesangsstudium – einen Traumberuf?

Valentina Naforniță: Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, wollte ich Tänzerin werden, und hatte auch Ballettunterricht. Aber mit der Zeit ist dieser Wunsch verblasst, beziehungsweise hat dem Sängerberufstraum Platz gemacht. Heute trainiere ich nicht mehr, aber ich habe das Tanzen „in meinem Körper“, ich liebe es, mich zu bewegen, zu tanzen, und entwerfe für mich kleine Choreografien.

Gab es für Sie während Ihres Studiums ein Vorbild, eine bestimmte Sängerin, der Sie nachfolgen wollten?

Valentina Naforniță: Nicht direkt. Grundsätzlich war es bei mir so, dass ich immer darauf vertraut habe, dass, wenn ich hart arbeite, ich einfach ich werde; ein gutes Ich! Natürlich liebe ich viele Sänger, nicht nur in meinem Stimmfach, sondern auch in anderen. Ich kann sie nicht alle nennen, weil es so viele sind, aber eine Callas, eine Fleming, eine Te Kanawa, eine Garanca, eine Netrebko – das sind einfach wunderbare Künstlerinnen! Aber es zentriert sich bei mir, wie gesagt, nicht nur auf eine, ich finde bei unterschiedlichen Personen so viele Dinge, die mir gefallen, mich beeindrucken.

Sie fanden innerhalb sehr kurzer Zeit den Weg vom Studium auf die professionelle Bühne. Wieweit decken sich Ihre Vorstellungen des Sänger-Berufes aus dem Gesangsstudium mit der tatsachlichen Realität?

Valentina Naforniță: Mit 16 hatte ich keine konkrete Vorstellung von diesem Beruf, ich wusste einfach, dass ich ihn ein Leben lang ausüben möchte. Daher ist es auch nicht so viel „anders“ als gedacht – weil ich eben wenig Vorwissen hatte …

Unmittelbar nach Ihrem Studium gewannen Sie den renommierten Cardiff Singers of the World-Wettbewerb. Wieweit begreift man im Augenblick der Preisverkündung die Tragweite eines solchen Moments?

Valentina Naforniță: Ich denke, in jedem Leben passiert einmal etwas Unvorstellbares. Der Sieg bei diesem Wettbewerb war fur mich dieses Ereignis. Wissen Sie, als ich zu studieren begann, wurde uns in einer Lehrstunde eine DVD mit Dmitri Hvorostovskys Sieg bei diesem Wettbewerb gezeigt. Er war so brillant! Das schien damals alles so weit weg! Als ich nun den Preis bekam, konnte ich es einfach nicht glauben. Und wenn ich heute daran denke, wer alle die Preisträger vor mir waren, dann bin ich ein klein wenig stolz!

Wenn man Sie vor einer Aufführung trifft, wirken Sie sehr ruhig. Leiden Sie nicht unter Lampenfieber?

Valentina Naforniță: Natürlich bin ich aufgeregt! Aber ich versuche immer, nicht an das Auditorium zu denken, sondern in den Charakter, in das Stück hineinzukommen, die Bühnensituation zu genießen. Und Aufregung gehört dazu, solange sie nicht übertrieben ist: sie hilft einem, die Sache gut zu machen!

Ein anderes unangenehmes, in Ihrem Beruf oft verbreitetes Gefühl neben dem Lampenfieber ist das Heimweh. Sie stammen aus Moldawien, wieweit fehlt Ihnen Ihre Heimat?

Valentina Naforniță: Auf der einen Seite vermisse ich meine Eltern und meine Schwester sehr, und ich fahre, so oft ich kann, nach Hause. Aber mein Ehemann, Mihail Dogotari, ist auch Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, daher ist ein Teil meiner Familie immer bei mir. Und ich treffe hier an der Wiener Staatsoper auf so viele wunderbare Menschen, dass ich niemals einsam sein muss.

Sie singen in dieser Spielzeit u. a. Musetta und Susanna. Sind das für Sie charakterlich spannende Figuren?

Valentina Naforniță: Gerade in meinem Alter sind heitere Partien sehr attraktiv: eine Susanna, eine Adina schätze ich zum Beispiel sehr! Das sind alles ja auch starke Frauen! Und ich liebe auch die etwas dramatischeren Rollen, die Madama Butterfly etwa. Ach, überhaupt liebe ich Puccini, Donizetti …

Sie sprachen vom harten Arbeiten als Sängerin. Was machen Sie, wenn sie nicht singen, proben, lernen?

Valentina Naforniță: Das harte, disziplinierte Arbeiten ist wichtig! Man muss hier schnell lernen, um die Partien in die Stimme, in den Körper zu bekommen. Aber in meiner Freizeit gehe ich gerne durch Wien spazieren und besichtige diese wunderbare Stadt! Ich lese. Gehe ins Kino. Oder gehe shoppen, was Frauen eben gerne machen, mein Ehemann leider nicht (lacht). Oder ich setze mich einfach in die Oper und schaue mir eine Vorstellung an: das genieße ich so sehr!

Oliver Lang