Unser Ensemble: Rachel Frenkel im Porträt
Spricht man mit Rachel Frenkel, treffen gleich mehrere Eindrücke zusammen. Da ist einer- seits eine Sängerin, die in ihren künstlerischen Ansichten und Positionierungen sicher, wohlüberlegt und gefestigt ist. Gleichzeitig aber vertritt sie eine große Offenheit und einen vollkommen undogmatischen Zugang. Immer wieder eröffnet die Mezzosopranistin, wenn es um berufliche Anschauungen geht, ihre Sätze mit einem „Also für mich...“, um gleich hinzuzufügen, dass es viele auch anders sehen. Und wo so mancher sich um globale Wahrheiten müht, findet Frenkel ganz einfach persönliche Aussagen, die umso ehrlicher wirken. Alles gut überlegt und abgewogen – aber nicht vergrübelt, zerfurcht oder zerdacht. Oper, Musik, Theater, Bühne: Das ist für sie ein Ort des Glücks und der Freude, ein Ort der Verwirklichung und Findung; es ist aber kein Kampfplatz für radikal geführte Auseinandersetzungen. Fast beschaulich erzählt sie über ihren Weg als Sängerin: Man hört ihr dabei gerne zu, gerade weil jedes absolute und kriegerische „Muss“ ausgeblendet ist.
So beginnt ihre positiv getönte Lebensgeschichte in einem kleinen Kibbuz, fernab von großen Plänen und strategisch gebauten Karrierewegen. „Wir waren 800 Leute“, erzählt sie, „also eine eher kleine Gruppe. Wenn da ein Kind etwas gut kann, dann sticht es schnell hervor. Bei mir war es das Singen – und so sang ich bei allen möglichen Gelegenheiten: bei Feiern und Versammlungen, Festen aller Art.“ Das gefiel ganz allgemein und es gefiel auch der jungen Sängerin, die sich daraufhin in Chören versuchte, Gesangsunterricht nahm, an die Akademie nach Tel Aviv ging. Schritt für Schritt fügte es sich, und fragt man sie heute, wie die damaligen Visionen und Sängerlaufbahn-Überlegungen aussahen, sagt sie ehrlich: „Ich machte mir noch nicht so viele Gedanken. Ich sang – und fertig.“ Zunächst als Sopranistin eingeschätzt, entdeckte sie nach und nach das Mezzo-Potenzial ihrer Stimme und ging schließlich nach Berlin, um dort bei Abbie Furmansky weiter zu studieren. Und auch da fügten sich die einzelnen Ereignisse ganz organisch und harmonisch: Sie lernte ihren Agenten kennen und gewann später beim renommierten Neue Stimmen- Wettbewerb einen Preis.
Die Karriere formierte sich, Frenkel wurde Mitglied der Staatsoper Berlin und sang ein Mozart-Rossini- Repertoire, ergänzt durch Rollen wie Siébel in Faust, Dorabella in Così fan tutte oder Mercédès in Carmen. Dazu kamen im Laufe der Jahre Nicklausse in Les Contes d’Hoffmann bei den Bregenzer Festspielen – an die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Stefan Herheim erinnert sie sich noch sehr gerne –, der Komponist in Ariadne auf Naxos in Hamburg, Auftritte bei den Salzburger Festspielen und in den USA, Dorabella und Rosina an der Semperoper, Cherubino in München und vieles mehr. 2011 schließlich debütierte sie an der Wiener Staatsoper, deren Ensemblemitglied sie heute ist. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf Rossini-Rollen – Zulma, Cenerentola, Rosina – und auf einer ihrer zentralen Partien, nämlich den Cherubino zu vermerken. „Cherubino und andere Hosenrollen“, erzählt sie, „waren lange Jahre wie für mich geschaffen. Stimmlich aufgrund meines hohen Mezzos, und auch von der Figur her. Abgesehen davon fiel es mir immer sehr leicht, diese manchmal etwas unerzogenen jungen Männer darzustellen.“ Doch inzwischen, so Frenkel, habe sie durchaus auch anderes Repertoire im Blickfeld, „ich fühle mich, gerade auch als Mutter zweier Kinder, weiblicher und erwachsener“, lacht sie. Eine Charlotte in Werther findet sie heute spannend, auch eine Marguerite in La damnation de Faust: musikalisch und inhaltlich. Und große Händel-Partien! – wie sie auch ganz allgemein immer wieder die Barockmusik als besondere Liebe hervorhebt. Dabei geht es Frenkel immer um die Verbindung zwischen Musik und Charakter, zwischen dem klanglichen Ausdruck und der dahinterstehenden Persönlichkeit einer Figur. Schön ist es, meint sie, wenn man sich auf eine Premiere vorbereitet und einen Charakter gemeinsam mitentwickeln darf. Ob sie sich die szenischen Aktionen einfach merkt? „Wann immer ich die Motivation einer Figur verstehe, weiß ich, was auf der Bühne zu tun ist.“ Viel schwerer, verdreht sie munter die Augen, falle ihr hingegen rein Mechanisches. „Wenn ich auf Takt hier die linke Hand heben muss und mich dort niederzusetzen habe, wenn ich die dritte Tür von links öffnen muss oder ähnliches – das bereitet mir echtes Kopfzerbrechen!“ Also denkt sie sich bei solchen Aktionen immer Hintergrundgeschichten aus, um ihrer Bühnenfigur den entsprechenden Motivationsgrund zu verpassen.
Das angesprochene Familienleben trennt sie streng von ihrem beruflichen. Gerade zum Studieren und Üben brauche sie Ruhe, erzählt sie. Daher versuche sie ihre Rollen nicht unmittelbar im Kreis der Familie zu lernen. „Wenn ich mich um meine Kinder kümmere, dann richtig. Und wenn ich übe, dann richtig!“ Also verbringt Frenkel nach Möglichkeit viel Studienzeit in der Oper – und schwärmt auch in diesem Aspekt vom Haus: „Nicht nur, dass ich die Möglichkeit habe, mit Korrepetitoren meine Rollen zu erarbeiten – es sind auch noch die besten! Jeder einzelne von ihnen ist einfach großartig und so unglaublich kompetent!“ Nach dem Üben, Proben oder Auftreten im Haus am Ring versucht sie ein normales Familienleben zu verwirklichen, denn: „So wichtig das Leben als Sängerin ist, es gibt auch eine Existenz jenseits der Bühne.“ Dass dieses Trennen der beiden Welten jedoch nicht immer gut klappt, gibt Rachel Frenkel augenzwinkernd zu: „Die Musik lässt mich nicht los, egal ob beim Einschlafen, Aufwachen, Duschen oder Essen – im Hintergrund höre ich immer die Arien, die ich gerade singe oder studiere.“ Immerhin kein schlechter Soundtrack für ein (Sängerinnen-)Leben ...
Oliver Láng
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