Unser Ensemble Mariam Battistelli im Porträt
Opernsänger: Was denken oder fühlen sie vor einem Auftritt? Und was während eines solchen und was danach? Im Falle von Mariam Battistelli, junges Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und zuletzt als Barbarina in Mozarts Le nozze di Figaro zu erleben, ist es zunächst einmal Freude. Natürlich immer auch mit Anteilen anderer Emotionen ver- und gemischt, aber ganz grundsätzlich: Freude. Und das, so erzählt sie bei einem Vor-Proben-Gespräch in der Staatsopern-Kantine, eigentlich seit jeher. Seit jeher, das sind in ihrem Falle Kindheits-Erinnerungen an ihre Großmutter, die ihr Opernarien vorsang, mit dem Brustton der Begeisterung und in – quasi – familiärer Nachfolge. Hatte die Großmutter ihrerseits doch einen Vater, der als Opernsänger wirkte. Verdi, Puccini, Rossini, es sind die Ohrwürmer und die Klassiker der italienischen Oper, die das Kind Battistelli da zu hören bekommt. Und schon bald wird aus den Ohrwürmern ein konkreter Plan: Sängerin, Opernsängerin werden. Doch noch ist es, wir reden über ein siebenjähriges Kind, natürlich viel zu früh. Also singt sie zwar ein wenig – mit kindlicher, „weißer“ Stimme – am Konservatorium, wechselt dann zur Flöte, um im Herzen den Gesang zu behalten. Endlich, mit 18 Jahren, ist es soweit, dass ihre Stimme ausreichend ausgereift ist, um ein echtes Gesangsstudium zu beginnen. Also lernt sie, bereitet sich auf ein Leben als Mezzosopranistin vor. Eine Mezzosopranistin übrigens mit entsprechender Höhe, denn die Spitzentöne, die liegen ihr gut. So gut, dass Plácido Domingo, mit dem sie 2010 im Rigoletto-Film auftritt, ihr – unbewusst? bewusst? – auf ihre Noten schreibt: „Die nächste Aida!“ Doch erst später, bereits nach dem Abschluss des offiziellen Gesangsstudiums, folgt die Erkenntnis, dass die Stimme eigentlich gar keine Mezzo-Stimme ist, sondern ein lupenreiner Sopran. Ein Schock? Eine .berraschung? Eine komplette Neuausrichtung der Weltsicht? „Eigentlich nichts von alldem. Irgendwo in mir wusste ich es vielleicht schon immer, und so fühlte es sich gut und richtig an. Ich bin Sopran – kein Erdbeben, sondern ich nahm es einfach an.“
Battistelli nahm es so natürlich an, wie sie ihren Beruf ganz allgemein mit einer großen Natürlichkeit annimmt, weil es für sie ohnedies nie etwas anderes gegeben hat. „Über eine echte, große Alternative habe ich nie nachgedacht“, erzählt sie. „Sportlerin vielleicht, weil ich das auch sehr gerne mache. Aber eigentlich war es immer die Sängerin!“
Und weil sie sich der Sache stets so sicher war und ist, kann sie sich allerlei Mätzchen und Umwege auch sparen. Besondere Komplikationen im Sängerberuf, wie etwa das dauernde panische Kontrollieren der Stimme, schon als erstes nach dem Aufstehen, bleiben bei ihr aus. „Nein“, lacht Battistelli, „das Erste am Morgen ist nicht meine Stimme, sondern … Kaffee.“ Aber Kaffee, ist man versucht einzuwerfen, schadet bekanntlich doch der Singstimme! „Nicht mir, ich bin Italienerin“, wehrt die Sopranistin lachend diesbezügliche Einwürfe ab. Auch anderes, wie das Nach-der-Vorstellung-nicht-schlafen-Können, über das viele Kolleginnen und Kollegen klagen, ist ihr unbekannt. „Wichtig ist: gut essen nach einer Vorstellung“, merkt sie an. „Danach schlafe ich wie eine Tote. Man bringt schließlich ja auch all seine Energien in einen Auftritt ein. “Wie das Energetische für sie an sich ein Thema ist. Von den guten Schwingungen, die sie von den Zuhörern erhält, kann sie erzählen, aber auch von den Schwingungen, die man als Darstellerin in das Publikum schickt. Im Idealfall ist die Energiebilanz ausgeglichen, das bedeutet, man bekommt ebenso viel Energie aus dem Zuschauerraum wie man ausstrahlt. „Natürlich kann es passieren, dass Zuhörer manchmal anfangs ein wenig reserviert sind. Aber dann muss man eben noch weiter aufmachen und noch mehr Einladendes aussenden!“ Doch zurück zur Stimme: Wie findet die junge Sängerin eigentlich heraus, was genau „ihr“ Repertoire ist? Legt sie das einfach fest? Oder legt die Stimme das fest? „Natürlich die Stimme“, meint Battistelli. „Sie erzählt es mir. Ich kann gerne etwas anderes probieren, aber dann meint die Stimme: ,Sing es ruhig, aber es ist für dich nicht richtig!‘“ Demnächst singt Mariam Battistelli an der Staatsoper Musetta und Gretel, erweitert ihr Repertoire also stetig. Standen ihr – auch emotional – bisher die von der Großmutter propagierten Komponisten und Werke besonders nahe, rückt nun auch das deutsche Repertoire ins Zentrum des Interesses. Wobei die näheren und ferneren Zukunftspläne sich derzeit noch stark an Verdi ausrichten. „Gilda“, meint Battistelli, „die nicht ganz so leicht ist, wie von manchem vielleicht angenommen. Und später dann Aida – und Lady Macbeth.“ Wobei sie natürlich auch eine Liù oder eine Pamina ins Spiel bringt. Jetzt aber geht es zunächst einmal darum, sich ein Repertoire zu erarbeiten und sich am tagtäglichen Opernbetrieb zu messen und zu bewähren. „Ich lerne auf der Bühne, aber auch durch das Zuhören. Denn natürlich passt man gut auf, wie Kolleginnen und Kollegen einzelne Arien technisch und musikalisch umsetzen. Das gehört genauso zum Lernen wie das Erarbeiten mit einem Lehrer oder einem Repetitor“. So wichtig ihr aber das Lernen, Probieren, Experimentieren und Studieren auch ist – die Hauptsache bleiben die Auftritte, die sie – siehe oben – mit all der positiven Energie zu füllen versucht und die eine Quelle neuer Lebensenergie sind…
Oliver Láng