Unser Ensemble: Diana Nurmukhametova im Porträt

Manchmal entscheidet sich mit dem ersten Schrei, den man als Neugeborener von sich gibt, das spätere Schicksal. So zum Beispiel im Falle der jungen Sopranistin Diana Nurmukhametova. Denn die Familienhistorie besagt, dass sie von Anfang an nicht wie Babys im Allgemeinen weinte, sondern einen lauten, gut gestützten sirenenartigen Laut produzierte, der noch im dritten Nebenzimmer gut zu vernehmen war. Und so kamen Eltern, Verwandte und Bekannte überein: Ja, hier dürfte eine zukünftige Opernsängerin auf die Welt gekommen sein.

Für ihren weiteren Lebensweg sicherlich ausschlaggebender als diese wohl eher ironisch gemeinte familieninterne Prophetie dürfte ein Spaziergang an der Hand der Mutter gewesen sein, der die noch nicht Schulpflichtige an einer Musikschule vorbeiführte, durch deren offene Fenster Chorgesang auf die Straße heraustönte. Dieser Klang beeindruckte das damals kleine Mädchen derartig, dass sie erstens gebannt das Weitergehen verweigerte, um zuhören zu können und zweitens beschloss Sängerin zu werden und ähnlich schöne Musik zu produzieren. Anders als die meisten Kinder, die „Berufswünsche“ je nach dem gerade Erlebten regelmäßig einer Revision unterziehen, blieb Diana Nurmukhametova dieser ersten Liebe treu, und zwar so hartnäckig, dass ihre Eltern sie schließlich mit zehn Jahren auf ein Internat mit Musikschwerpunkt schickten, wo sie zunächst Klavier und vor allem Geige lernen und ein wenig in die lokale Volksmusiktradition eintauchen durfte. Immerhin ein erster Schritt auf dem Weg zum ersehnten Ziel, der darüber hinwegtröstete, dass sie mit einem Mal aus ihrer dörflichen Heimat, „in der die Kühe auf der Straße zu trotten pflegten“ herausgerissen war. Und so konnten die aus Heimweh vergossenen Tränen regelmäßig durch die Freude am profes- sionellen Musikstudium zum Versiegen gebracht werden.

Aber es war eben nur ein erster Schritt, denn Diana Nurmukhametova wollte ja nicht Instrumentalistin werden, sondern Opernsängerin. Immerhin lernte sie auf der Violine viel in Hinblick auf Intonation, Phrasierung und vor allem Disziplin. Denn das vom überaus strengen Geigenlehrer erwartete Arbeitspensum trainierte ihre Ausdauer und Belastbarkeit. So verwundert es auch nicht, dass sie später als 18jährige den vierjährigen Vorbereitungslehrgang für das Gesangsstudium in nur zwei Jahren absolvierte, spielend die schwere Aufnahmsprüfung am renommierten St. Petersburger Konservatorium meisterte und den Kollegen in puncto Fortschritt mühelos vorauseilte.

Hier in der pulsierenden russischen Metropole konnte die aus dem entlegenen russischen Uralgebiet stammende Diana Nurmukhametova (Die Silbe „Nur“ in ihrem Familiennamen bedeutet übrigens auf baschkirisch nichts weniger als „Sonne“) Kultur in großem Stil tanken, Konzerte und Opern- vorstellungen hören, Museen besuchen – und vor allem ihren Traum vom Sängerdasein wahr werden lassen. Internationale Wettbewerbe wurden reihenweise gewonnen und nach Abschluss ihres Studiums sogleich ein Engagement am berühmten Mariinskij-Theater in Aussicht gestellt. Doch das nasskalte Klima der ehemaligen Zarenstadt und die daraus resultierenden überdurchschnittlich häufigen Verkühlungen machten ihr einen Strich durch die Rechnung und ließen sie nach neuen, wärmeren Ufern Ausschau halten. Ein Wettbewerb, bei dem Staatsoperndirektor Dominique Meyer sie hörte, ebnete schließlich den Weg an die Wiener Staatsoper, an der sie nach einem obligaten Vorsingen (sie gab die Wahnsinnsarie der Lucia und die zweite Königin der Nacht-Arie) ins Ensemble aufgenommen wurde. Das mit Lampenfieber geschwängerte Debüt gab Diana Nurmukhametova gleich am Beginn der aktuellen Saison in Les Contes d’Hoff­mann, dem gleich darauf die Stimme vom Himmel in Don Carlo sowie, etwas später, die Titelpartie in Alma Deutschers Kinderoper Cinderella folgten – sowie natürlich zahlreiche Rollenstudien. Eine davon, die 1. Elfe in Rusalka, kann sie nun endlich im Jänner präsentieren: in ihrer neuen, geliebten Heimat – auf der Bühne der Wiener Staatsoper.


Rusalka | Antonín Dvořák
30. Jänner 
2., 4. Februar 
KARTEN & MEHR