Soloflötist: Karl-Heinz Schütz
Gustav Mahlers berühmter Traditions-Ausspruch von der Weitergabe des Feuers statt der Anbetung der Asche gehört in unseren Breiten zu den meistzitierten Klassik-Weisheiten. Selten aber hört man ihn so begeistert und glaubwürdig wiederholt wie aus dem Munde von Karl-Heinz Schütz. Dieser, seit 2011 Soloflötist des Staatsopernorchesters, fasst in dieser Formel zusammen, wie ihm beim Unterrichtet-Werden geschah und wie er den Instrumental-Unterricht seinerseits (er unterrichtet am Wiener Konservatorium) sieht. Wie ihm geschah: Gebürtig in Tirol wurde er musikalisch in der und durch die heimatliche Blasmusikkapelle sozialisiert. Die Instrumentenwahl fiel auf Flöte, und wie zahlreiche seiner Bläser-Kollegen in den großen Orchestern wurde die Erfahrung des musikantischen, ganz natürlichen und gesellschaftlichen Musizierens, zunächst noch ganz ohne Hinblick auf eine spätere „echte“ Musikerkarriere, der Nährboden für die kommende Laufbahn. Eine begeisternde Lehrerin (Eva Amsler), Musikgymnasium, bald der intensive Kontakt mit der für ihn prägenden französischen Flötenschule durch Aurèle Nicolet; weiters: Philippe Bernold, ein Elsässer, unterrichtete ihn in Frankreich und führte ihn an eine am Gesang orientierte Spielweise heran, die fortan zu einem Schütz’schen Grundpfeiler werden sollte.
Und die oftbesungene „Wiener“ Klangfarbe? Nach nunmehr zehn Jahren in Wien, alles nur mehr halb so kompliziert, winkt Schütz schmunzelnd ab. „Das Wienerische, Österreichische im Spiel lässt sich vielleicht am ehesten wie ein Dialekt oder ein eigener Sprachfluss beschreiben. Den nimmt man ja auch gleichsam unbewusst mit. Und so ist es auch mit dem Musizieren: Ein entsprechender „Tonfall“ kommt oft aus der Volksmusiktradition, den muss man nicht extra lernen.“
Das Französisch-Gesangliche jedenfalls kam ihm später in seinem Leben sehr entgegen, vor allem seit seiner Zeit im Orchestergraben der Wiener Staatsoper. „Natürlich verändert sich das Spiel, wenn man in der Oper ist. Wenn man als Konzertorchester auf der Bühne sitzt, ist man der Hauptdarsteller, gewissermaßen die Primadonna. In der Oper aber muss ich als Musiker auf die Sänger achten, muss mit ihnen zusammenspielen, sie unterstützen.“ Dass ein vokaler Zugang zum Instrument besonders dieses Zusammenwirken mit den Sängerinnen und Sängern fördert, liegt auf der Hand …
Gerade die Kombination aus Oper und Konzert, genauer: die Anforderungen des riesigen Opern-Repertoires des Hauses am Ring und die akustische Situation des Wiener Musikvereins (Schütz: „Kein Saal, sondern ein Instrument“) führt seiner Ansicht nach zur besonderen Klangkultur des Orchesters. Nicht zu vergessen freilich die Dirigenten. Das Staatsopernorchester bzw. die Philharmoniker befinden sich hier in einer privilegierten Position, denn aufgrund des einzigartigen Rufs des Klangkörpers zieht es die ersten Namen zum Orchester. Wobei der Flötist durchaus auch ernste Töne anschlägt und anmerkt, dass sich die Musikwelt in einer Zeit des Umbruchs befindet. Der altbewährte Kapellmeister, der sich auf die Besonderheiten des umfangreichen Repertoire-Betriebs versteht, sei eine rare und bedrohte Spezies ... Wie aber arbeitet man als Orchester an einem gemeinschaftlichen Klang? Einerseits sicher durch die Erfahrung des allabendlichen Zusammenspiels, das im Idealfall wie im Blindflug kammermusikalisch funktioniert. Andererseits findet man mit Dirigenten, die die Besonderheiten der philharmonischen Musizierweise schätzen und lieben neue Wege. Diese Maestri setzen Akzente und verstehen es, Besonderheiten herauszuholen, wobei einfach die Chemie stimmen muss. Aber das meiste findet wohl nonverbal statt, passiert sozusagen aus dem Bauch heraus, aus dem G’spür, das man entwickelt: dieses herauszubilden, ist wohl für jeden Musiker essenziell.
Zuletzt noch das nicht zu vernachlässigende szenische Element: Wie wichtig ist es für den Flötisten? Und wie viel bekommt er aus dem Graben heraus überhaupt mit? „Ich denke, die Arbeit des Regisseurs besteht, wie jene des Dirigenten übrigens, vor allem darin, die Atmosphäre eines Werkes einzufangen und dann entsprechend in den Vordergrund zu rücken. Als Flötist habe ich den Vorteil, dass ich etwa zwei Drittel der Bühne sehen kann – was mich sehr freut. Denn gerade das Szenische ist für mich sehr inspirierend!“ Und gerade das Szenische war auch untrennbar mit seinem Engagement im Haus am Ring verbunden, erzählt Schütz. Denn vor seinem erfolgreichen Staatsopern-Probespiel war er als Soloflötist der Wiener Symphoniker nicht so überzeugt, „sich den Wechsel anzutun.“ Als er aber bei einer Roméo et Juliette-Serie in der Wiener Oper substituierte und die beeindruckende Inszenierung Patrick Woodroffes miterlebte, unter Alain Altinoglu spielte und die suggestive Kraft dieser Oper spürte, war es, „als ob ein Hebel in mir umgeschaltet würde. Nach den vier Vorstellungen wusste ich: Das muss es sein!“
Oliver Láng
Karl-Heinz Schütz wurde 1975 in Innsbruck geboren. Er studierte in Österreich, der Schweiz und in Frankreich. Preisträger internationaler Wettbewerbe. 2000-2004 Soloflötist der Stuttgarter Philharmoniker, 2005- 2011 Soloflötist der Wiener Symphoniker. Seit 2011 Soloflötist im Wiener Staatsopernorchester. Er tritt international auch als Solist und Kammermusiker auf und unterrichtet am Wiener Konservatorium. Seit 2009 betreut er die künstlerischen Inhalte der Landecker Festwochen Horizonte.