© Lauri Eriksson

Rückkehr mit Liedern

Ihr letzter Staatsoper-Auftritt ist schon eine Zeit lang her: Emma in Schuberts Fierrabras sang sie hier, die Rosalinde in der Fledermaus und auch Donna Anna in Don Giovanni – Karita Mattila. Doch auch wenn sich die finnische Sopranistin hierzulande ein wenig rar gemacht hat, weiß man doch um ihre große Karriere, die sie derzeit etwa eng an die Met, das Royal Opera House Covent Garden, die Bayerische Staatsoper oder San Francisco bindet. Eine Auswahl: Sieglinde singt sie derzeit in Houston und San Francisco, Ariadne in München, London und Paris, Wozzeck-Marie in London, Jenůfa in Hamburg. An das Haus am Ring wird Karita Mattila mit einem Solistenkonzert wiederkehren; am Programm: Zigeunerlieder von Johannes Brahms, von Wagner die Wesendonck Lieder, weiters Kompositionen von Alban Berg und Richard Strauss. Während der Osterfeiertage fand die Sängerin Zeit für ein Interview mit Oliver Láng.

Frau Mattila, wie kam es zu der Zusammenstellung deutscher Lieder von vier Komponisten?

Karita Mattila: Zunächst einmal fand ich es – aus heutiger Sicht – spannend, Lieder von Johannes Brahms und Richard Wagner einander gegenüberzustellen. Die beiden waren ja, zumindest was ihre Anhänger betraf, Opponenten und hatten ein, sagen wir einmal, ungewöhnliches Verhältnis zueinander. Ich finde es nun interessant, diese beiden historischen „Gegner“ in einem Programmteil zu singen, denn der musikalische Weg, den sie eingeschlagen hatten, war ja tatsächlich sehr unterschiedlich. Ich bringe also recht gegensätzliche musikalische Welten zusammen. Dazu kommt noch, dass ich die Zigeunerlieder bisher nie gesungen habe. Normalerweise nehmen Sängerinnen sie früher, sehr oft noch in der Studienzeit, in ihre Liedprogramme auf. Bei mir ist es interessanterweise nicht dazu gekommen; und so sind diese Zigeunerlieder nun tatsächlich ein Debüt. Vorgeschlagen hat sie einer meiner Begleiter in den USA, Martin Katz. Wir haben also Brahms und Wagner und von diesen ausgehend ist die Idee aufgekommen, ein komplett deutsches Programm zu gestalten. Auch das ist übrigens auch etwas, was ich früher nie gemacht habe. Einzelne deutsche Lieder natürlich schon, aber nicht als ganzen Abend. Klar war für mich, dass in einem solchen Konzert eine Sammlung meiner liebsten Strauss-Lieder nicht fehlen darf. Und dann hat Martin Katz mir Alban Bergs op. 2 vorgeschlagen. Und diese Lieder waren für mich tatsächlich eine absolute Neuigkeit, die ich nicht gekannt – und daher natürlich nie gesungen – habe. Ein doppeltes Debüt, also!

Wagners Wesendonck-Lieder hingegen stehen schon länger in Ihrem Repertoire. Geht Ihnen bei diesen das Wagner-Orchester nicht ab?

Karita Mattila: Wissen Sie, warum nicht? Weil ich sie bisher immer nur mit Klavier und nicht mit Orchester gemacht habe. Erst nächstes Jahr werde ich die orchestrierte Fassung in einem Konzert singen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Wesendonck-Lieder mit Orchester einfacher zu interpretieren sind als nur mit Klavier. Das hört man zumindest. Sie können sich also vorstellen, wie sehr ich diese Erfahrung erwarte! (lacht) Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es oft so ist, dass die Orchesterfassung dem Sänger oder der Sängerin entgegenkommt. Zum Beispiel bei Werken von Kaija Saariaho. Der Orchesterklang trägt einen und macht es damit etwas leichter. Aber, wie gesagt: Warten wir ab! Ganz allgemein kann ich sagen, dass ich natürlich bei meinem Wesendonck-Debüt sehr nervös war, inzwischen aber gelernt habe, die Lieder wirklich zu genießen. Es ist ja ein fantastisches Werk! Sehr schwer zu singen, aber wunderschön und berührend!

Singen Sie diese Lieder mit der Isolde im Hinterkopf? Es handelt sich ja bekanntlich um eine Tristan-Studie Wagners.

Karita Mattila: Von Tristan und Isolde habe ich bisher nur den Liebestod gesungen, wobei ich natürlich das gesamte Werk sehr gut kenne. Aber Isolde ist generell so ein Thema… ich bin mir bis jetzt noch nicht ganz sicher, ob ich einmal die ganze Partie singen möchte.

Und die Strauss-Lieder: Singen Sie diese aus der Tradition des deutschen Liedgesanges oder aus dem Einzugsgebiet Ihrer einschlägigen Opernrollen?

Karita Mattila: Ja, das ist eine schwierige Frage. Beides wahrscheinlich. Die großen Lieder von Strauss brauchen meiner Meinung nach eine entsprechend reife Stimme und viel Erfahrung. Ich singe manches davon schon lange, muss aber sagen, dass ich mich – etwa nach der Ariadne – den Liedern noch viel näher und verwandter fühle.

Viele Sänger meinen, dass Liederabende für ihre Stimme gesünder sind als das große Wagner/ Strauss-Opernrepertoire. Sehen Sie das auch so?

Karita Mattila: Solche Lieder im Repertoire zu halten ist immer eine gute Sache, vor allem, wenn die Opernpartien ins Dramatische gehen. Mit den Liedern kann man gut kontrollieren, wie es der Stimme geht, ob sie noch flexibel, schlank und beweglich ist. Daher finde ich, dass es durchaus klug ist, Lieder und Oper zu singen.

Und fehlt Ihnen das Szenische bei Liederabenden nicht?

Karita Mattila: Nein, mir geht das überhaupt nicht ab. Weil es sich um eine andere Gattung handelt und die Liedbühne etwas anderes erfordert und bietet als das Musiktheater. Man hat im Lied eine besondere Intimität, eine Nähe des Publikums, eine spezielle Atmosphäre. Ich fühle mich am Liedpodium anders als auf der Opernbühne, aber ebenso wohl. Und die einzelnen Lieder durchlebe ich ebenso wie ich eine Opernrolle durchlebe: nur eben in Kurzform! Abgesehen davon entdecke ich beim Lied immer neue Seiten an mir: das ist doch auch etwas Schönes…

Ist der Text bei Liederabenden wichtiger als bei Opernrollen? Oder behandeln Sie den Text immer gleich?

Karita Mattila: Der Text ist immer gleich wichtig. Wobei … manchmal kann es im Opern-Repertoire natürlich vorkommen, dass die Umstände einen zu Kompromissen zwingen. Wenn man zum Beispiel ein riesiges Strauss- oder Wagner-Orchester vor sich hat und die Stimme in einer extremen Lage eingesetzt wird, also in großer Höhe oder in ebensolcher Tiefe, kann es vorkommen, dass der Fokus etwas weniger auf der Verständlichkeit wirklich jeder Silbe liegt. Selbstverständlich gibt man sein Bestes und versucht, den Text so gut wie nur möglich zu servieren. Aber es kann Momente geben, in denen die gute Hörbarkeit oder eine bruchlose Linie wichtiger sein können. Das Lied bietet da andere Möglichkeiten. In diesem Genre hat der Interpret Gelegenheit, den Text mit mehr Details auszudeuten, mehr Farben und Nuancen einzubringen, mehr mit feinen Ausdrucksmitteln zu spielen. Die Grenzen sind in einem solchen Fall weiter gestreckt.


Solisten­konzert Karita Mattila
16. Mai 2017
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