Primgeiger Andreas Großbauer

Am Anfang stand die Volksmusik. Aus dieser kommend – der Vater spielte Akkordeon und Trompete –, vom direkten und unverkünstelten Zugang zu Rhythmus, Zusammenspiel, Melodie geprägt, weist Andreas Großbauer auf das Spüren und die Kraft hin, die in diesem Musikantentum steckt. Und schwärmt gleich darauf auch von der Energie, die durch das gemeinsame Spiel erzeugt werden kann. Auch und besonders im Orchester. „Wenn alle an einem Strang ziehen, dann kann man direkt erleben, was Menschen, die zusammen etwas wollen, bewirken können. Da entsteht eine Energie, die einen durchströmt, alle sind aufmerksam und ganz dabei, und in solchen Fällen kann sich der Himmel für einen Moment öffnen. Ein unbeschreibliches Gefühl! Solche Augenblicke tragen einen göttlichen Funken in sich…“ Man sieht: Das Zentrum seiner Begeisterung fürs Musik-Machen ist bei Andreas Großbauer eine grundsätzliche und elementare Freude an ihr, und immer wieder kommt darauf zu sprechen.

Früh hat es begonnen: „Der Bub wird Philharmoniker!“ Philharmoniker? In der Oststeiermark, damals gefühlt eine Weltreise weit entfernt von der Bundeshauptstadt und noch weiter von der Wiener Staatsoper und dem Musikverein, noch dazu ohne Berufsmusiker in der Familie eine fast schon kassandrische Ansage. Aber von einer, die diese kleine Weltreise gerne immer wieder auf sich genommen hatte und die Oper, und damit auch das Orchester, kannte: der Großmutter, die mit Gespür dem Talent eines geigenden Knirps’ auf die Spur gekommen war. Dieser hatte mit viereinhalb erstmals ein Instrument – die Flöte – kennen gelernt und es alsbald zur lokalen Bekanntheit als steiermärkisches Wunderkind gebracht, inklusive Zeitungsmeldungen und einem Direktor der örtlichen Musikschule als Fan, der den Eltern die Geige für den inzwischen Fünfjährigen empfahl. Geige? fragte man den jungen Musiker, der sofort freudig zustimmte. Wobei, merkt Andreas Großbauer heute lachend an, er auch zur Tuba oder jedem anderen Instrument ja gesagt hätte. Von da an ging es flugs und ziemlich zielstrebig voran. Mit zwölf die Hochschule in Graz, nach der Matura die Wiener Hochschule bei Alfred Staar – „da merkte ich, es wird ernst“ –, dann die Wiener Symphoniker und seit 2005 das Wiener Staatsopernorchester bzw. die Wiener Philharmoniker. Vielleicht gab’s in jungen Jahren den einen oder anderen Gedanken an andere Berufsmöglichkeiten wie Koch, da das Sinnlich-Geschmackliche dem Heranwachsenden durchaus auch zusagte, doch im Großen und Ganzen wurde der Musiker-Beruf nie in Frage gestellt. Auch, weil Großbauer aus einfachen Verhältnissen kam und man sich rein aus ökonomischen Gründen auf Weniges, dafür aber ordentlich, konzentrieren musste: „Klar und wichtig war immer, dass man sich nach Kräften bemüht“. Organisieren und Managen: auch das liegt ihm nahe am Herzen, und so kamen in seinem philharmonischen Leben bald weitere Aufgaben auf ihn zu: Er organisiert den Ball des Orchesters – und wurde 2014 nach Clemens Hellsberg zum neuen Vorstand gewählt. Der Blick über den Tellerrand sei es, berichtet er, der ihn auch an dieser Aufgabe besonders fasziniere, nicht zu vergessen die Tatsache, dass er den Klangkörper nun verstärkt aus einer anderen Perspektive kennen lernt: mit dem Blick von außen. Und so kann es auch vorkommen, dass man Andreas Großbauer bei Konzerten nicht auf der Bühne, sondern im Zuschauerraum sieht. Einerseits aus Repräsentationsgründen, aber auch, weil er das Orchester bewusst als Zuhörer erleben möchte: um Entwicklungen wahrzunehmen, den Klang aufzunehmen. Wobei, wie er augenblicklich und nachdrücklich versichert: der beste Platz immer noch der im Orchester sei.

Aufgrund seiner neuen Position hat sich das Leben entsprechend verändert; stand früher fast ausschließlich die Musik im Fokus, so wird die Zeit nun zwischen Management und Musik geteilt. Wobei Großbauer so die Vorzüge letzterer noch besser kennenlernt. „Heute ist man im Management ja oft im Multitasking verfangen, hier ein Anruf, dort ein Vertrag, dann ein Plakatentwurf, alles ineinander verschränkt. Und gerade gestern, als ich für ein Kammermusik-Konzert Schumann geübt habe, dachte ich mir: Wie wunderbar ist doch die Musik … wo man sich auf eine Sache konzentriert, und nicht ständig hin und herschalten muss.“ Abgesehen davon rege die Musik die Kreativität an sich an: Wenn man spielt oder auch nur zuhört, kann manchmal eine wahre Flut an Bildern, Einfällen und Gedanken ausgelöst werden. Das ist dann nicht zu verhindern, nicht zu stoppen – aber es ist auch nicht willkürlich zu erzeugen. Setzt man sich etwa an einen Schreibtisch und wartet auf eine solchen Einfall-Schwung, dann passiert das nicht. Das geht eben nur mit oder durch Musik!“

Oliver Láng

Andreas Großbauer, 1974 geboren, studierte in Graz, Oberschützen und Wien. 2001 wurde er Wiener Symphoniker, 2005 Mitglied des Staatsopernorchesters, 2008 Mitglied der Wiener Philharmoniker. Er ist Mitglied der Philharmonia Schrammeln Wien und des Wiener Kammerensembles. Seit 2007 Ballchef, seit 2014 Vorstand der Wiener Philharmoniker.