Portrait: Ulrike Helzel
Vorbedingung für die Aufnahme in das Sängerensemble der Wiener Staatsoper ist ein bestandenes Vorsingen auf der Bühne. Jenes von Ulrike Helzel fiel insofern etwas aus der Reihe, als die deutsche Mezzosopranistin ihr „Vorsingen“ – sozusagen als Gast – gleich im Zuge einer regulären Vorstellung der Walküre im November 2011 absolvierte. Am Pult stand damals niemand Geringerer als Christian Thielemann… kurzum: Ulrike Helzel bekam die freie Stelle im Ensemble und ist seither vor allem im deutschen Fach regelmäßig zu erleben, zuletzt etwa als Page in der Salome.
Im Gegensatz zu manch anderen, hatte sie den Sängerinnenberuf nicht von Anfang an, „koste es, was es wolle“, angestrebt, sich während des Studiums in Leipzig auch nicht unbedingt ein konkretes Bild dieser Profession gemacht – nein, Ulrike Helzel hatte einfach Interesse an der Musik (sie spielt zusätzlich Klavier), Spaß am Singen-Lernen und am Singen an sich und ist auf diese Weise Schritt für Schritt und ganz ohne Verbissenheit in die von so vielen erstrebte Welt eingetaucht. Stand für sie am Beginn eher die Lied- und Konzertliteratur im Vordergrund, verschob sich die Gewichtung später in Richtung Opernbühne, wobei sie nach wie vor, wenn es ihr Terminkalender erlaubt, auch abseits des Musiktheaters gerne Auftritte absolviert. Nach einer dreijährigen Station in Halle sang sie 13 Jahre lang im Ensemble der Deutschen Oper Berlin – vor allem 1. Fach –, gastierte während der Sommermonate in Bayreuth, war einige Zeit freischaffend tätig und stieß – siehe oben – schlussendlich zum Ensemble der Wiener Staatsoper, in dem sie sich nun ebenso wohl fühlt, wie in ihrer neuen Heimatstadt Wien. Und so wie ihr das Singen-Lernen Spaß machte, so freut es sie immer wieder von Neuem, sich in einem fixen Haus den ganzen Tag mit Musik, Musikern und Kollegen umgeben zu können, Proben und Vorstellungen zu bestreiten, neue Rollen zu erarbeiten – eine „Montagsdepression“, die mit dem Beginn einer neuen Arbeitswoche einhergeht, kennt sie folglich nicht.
Dass sich Ulrike Helzel im deutschen Fach besonders gut aufgehoben fühlt, liegt unter anderem am Genuss, den ihr die Beschäftigung mit der Sprache, den ihr das Spiel mit der Dichtung, der Wortausdeutung, der Suche nach einem etwaigen tieferen Sinn bereitet – was in erster Linie natürlich nur in der Muttersprache hundertprozentig möglich ist. Gewissermaßen gesteigert wird dieser Genuss nun übrigens noch durch das Zusammenspiel mit dem Staatsopernorchester, in dem, wie Ulrike Helzel meint, jede Stimme, jede Instrumentengruppe auf beeindruckende Weise weiß, was sie tut und worum es geht. Als anspornend empfindet die Künstlerin das Cover-System des Hauses, nach dem die Mitglieder des Ensembles nicht nur jene Partien zu erlernen haben, die sie tatsächlich verkörpern werden, sondern auch solche, die quasi „nur“ auf Abruf, also für den Fall einer unerwarteten Absage, gekonnt werden müssen. „Ich habe dadurch die Möglichkeit“, so Ulrike Helzel, „Rollen in Ruhe vorzubereiten, die für mich nach mittlerweile 20jähriger Laufbahn interessant geworden sind, etwa eine Fricka oder Brangäne – noch dazu mit den wunderbaren Korrepetitoren der Wiener Staatsoper. Selbst wenn ich sie nicht gezielt für eine Vorstellung hier in Wien einstudiere – bei Gastauftritten an anderen Häusern, wie zuletzt in Rom, kommen mir diese Cover-Aufträge sehr zugute.“ Dass aus einem Cover andererseits ganz schnell ein echter Auftritt an der Wiener Staatsoper werden kann, durfte Ulrike Helzel gleich am Beginn ihrer hiesigen Tätigkeit erfahren, als sie kurzfristigst für die große Partie der Jenny in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (sehr erfolgreich) einspringen musste. Im Zusammenhang mit dem Erlernen einer neuen Partie kommen ihr übrigens zwei Faktoren entgegen: Zum einen kann sie selber gut Klavier spielen, somit sich selbst begleiten und muss daher die Korrepetitoren nicht für das primäre Erlernen der Töne bemühen, oder wie sie es formuliert: „Ich möchte meine Korrepetitionsstunden in der Oper sinnvoll für das musikalische Erarbeiten einer Rolle nutzen und zeige mich den Pianisten daher erst, wenn ich das Ganze vernünftig von Blatt singen kann.“ Zum anderen befinden sich in ihrem Wohnhaus (sie selbst lebt in einer ehemaligen, jetzt zu einer Wohnung umgebauten Kofferfabrik) mehrere Ateliers in der direkten Nachbarschaft, sodass sie, ohne jemanden zu stören, zu Hause mit voller Stimme singen beziehungsweise üben kann. Darüber hinaus arbeitet sie regelmäßig mit einem privaten Pianisten respektive Stimmcoach, der sie immer wieder bei Vorstellungen anhört, konkret auf die Qualität des Gebotenen eingehen kann und die vokale Entwicklung beobachtet.
Zum Ausspannen und Kraft tanken unternimmt Ulrike Helzel gerne Wandertouren, geht einfach mit wenig Gepäck eine Woche irgendwohin zu Fuß los (ihr Auto hat sie nach dem Umzug aus Deutschland abgemeldet) – und da sie das Leben nun nach Österreich verschlagen hat, freut sie sich darauf, dieses Land in den nächsten Jahren ebenfalls, so wie seinerzeit die Umgebung von Berlin, regelrecht zu "erwandern".
Andreas Láng