Portrait: Margaret Plummer
"Margaret, stop singing!“ Ein früher oft gerufener Satz im Haushalt Plummer, wenn auch ohne Folgen. Denn Margaret sang: Lieder, Werbejingles aus dem Fernsehen, Kinderlieder, Gehörtes und Erfundenes, einfach alles, unentwegt. Kein Tag ohne Singen, ja fast keine Stunde. Bis es von entnervten Familienmitgliedern eben hieß: „Margaret!“ Aber ganz ernst gemeint waren diese Zwischenrufe ohnedies nicht, denn die Eltern hatten stets ein Faible für die Kunst und förderten, erfolgreich, alle kulturellen Betätigungen ihrer vier Kinder.
Margaret sang also, und wurde, wie könnte es anders sein, Sängerin. Gleich nach dem Schulabschluss studierte sie Jazz, dann klassischen Gesang. Und dachte ganz pragmatisch: „ Jazz singt man zumeist vor bestenfalls 300 Leuten, in der Oper aber kann man für tausende auf einmal singen.“ Aus diesem und anderen Gründen wurde es: die Oper. Zunächst im Chor des Opernhauses in Sydney, in dem sie für einige Jahre war, um schließlich zu entdecken, dass der Traum vom Solistendasein stärker war als selbst sie gedacht hätte. Also fasste sie Mut, warf alles hin und riskierte den großen Sprung in die Solistenlaufbahn.
Aus dem beruflichen Sprung wurde dann alsbald auch ein geografischer: Sie erhielt ein Stipendium und konnte so an die Wiener Staatsoper gelangen, der sie für zwei Jahre angehört. Ein gewaltiger Schritt für „ein Mädchen aus Australien“, wie sie es formuliert. „All die großen Namen, die großartigen internationalen Künstlerinnen und Künstler, das ist so inspirierend, beeindruckend“, so Plummer. Und sie schwärmt: „Ich war zum Beispiel bei den Proben zum Rosenkavalier und habe Elına Garanca als Octavian erleben dürfen. Da habe ich
geweint. Es war so schön, diese Frau ist wie eine Göttin! Sie ist einfach Octavian, wenn sie die Rolle gestaltet. Und die Chance, ihr bei den Proben ganz nahe sein zu dürfen, ist unglaublich.“ Wie Plummer es überhaupt schätzt, in Wien zu sein.
„Man spürt überall die Geschichte dieser Stadt. Die klassische Musik ist einfach fühlbar, die Kultur dieses Ortes. Und wenn man hier auf die Frage nach dem Beruf mit „Opernsängerin“ antwortet, sagen die Leute: „cool!“ In meiner Heimat Australien wird meistens weitergefragt: „Und was noch?“
Ihren Traum – „es ist wirklich ein Traum hier singen zu können“ – verwirklicht sie mit konsequenter, harter Arbeit. Neben dem eigentlichen Singen arbeitet sie auch „stumm“, studiert stundenlang Noten und schreibt immer und immer wieder den Text der studierten Opern nieder. Mehrmals am Tag, wenn es sein muss. So verinnerlicht sie sich die Werke, um sie noch besser kennen zu lernen – und möglichst intensiv singen zu können. Nein, ein Beruf, den man nebenbei macht, sei das Singen nicht, stellt sie mit Nachdruck fest. Schon deshalb, weil die Musik sie nie verlasse. Mitunter kreisen ihr einzelne Phrasen aus Opern stunden, ja tagelang im Kopf umher. Und wenn’s das Pech so will: nicht einmal Phrasen aus ihren eigenen Partien, sondern aus fremden.
So „befiel“ sie während der Tempest-Produktion eine Melodiefolge des Antonio. „Ich konnte sie einfach nicht mehr los werden“, lacht sie. „Dabei hab ich nicht einmal etwas davon!“ Dieser schnell einprägende und nichts mehr loslassende Geist hat allerdings auch gewaltige Vorteile. Sprachen etwa lernt Margaret Plummer in minimalster Zeit. Ein Studienjahr in Deutschland, und schon sprach sie flüssig, nahezu perfekt Deutsch. „Ich habe einfach ein gutes Ohr dafür“, erklärt sie. „Damit habe ich Glück.“ Wobei sie sich generell als Glückskind sieht. „Ich habe das Gefühl, unter einem guten Stern geboren zu sein. Viel Gutes kommt mir zu, auch wenn natürlich viel harte Arbeit hinter allem steckt. Aber ich habe einfach Glück im Leben. Und dafür bin ich dankbar!“
Jedoch, wie gesagt: Ein mehr als Full-Time-Job. Dennoch ist da auch eine Familie, um die sie sich kümmert. „Ich kenne viele Spielplätze in Wien“, lacht sie in Hinblick auf ihre beiden Kinder, „und natürlich den wunderschönen Tiergarten Schönbrunn.“ Musik spielt auch bei ihren Kindern eine große Rolle und es wird natürlich gemeinsam gesungen, allerdings „nicht mit der Opernstimme. Diese ist meinen Kindern zu laut!“
Ins Schwärmen gerät sie, wenn sie an die Ring-Serie in der letzten Spielzeit denkt. „Vor einem Jahr war ich noch in Australien und wusste nicht genau, wohin meine künstlerische Reise gehen wird. Und dann stand ich in der Wiener Staatsoper auf der Bühne, sang die Waltraute unter Sir Simon Rattle. Kurz vor dem Auftritt hat mein Herz wie wild geschlagen, ich war auf der Hinterbühne und dachte mir: Oh Gott, was mache ich nur? Wiener Staatsoper!! Rattle!! Ring des Nibelungen!! Ich habe mich an einen Talisman, den mein Vater – ein Glaskünstler – geschaffen hat, geklammert.
Aber als ich auf die Bühne hinausgegangen bin, lief es wie geschmiert. Und das Tolle daran: Meine Eltern hatten sich Karten für diesen Ring-Zyklus gekauft, bevor ich in Wien engagiert wurde. Was für eine Überraschung! Ihre Tochter als Waltraute!“ Ob sie denn stolz auf ihre Waltrauten-Tochter seien? „Oh ja! Stolz. Sehr stolz. Superstolz!“