Portrait Alessio Arduini

Schuld daran trug die Mutter. Diese, eigentlich eine Mathematik- und Physik-Professorin, unterrichtete auch Klavier und leitete einen Kinderchor, in dem der noch sehr junge Alessio Arduini seinen ersten Kontakt mit dem Singen hatte. Die Leidenschaft für Gesang und Musik vermittelte sich bereits damals, was zu einem recht frühen Gesangsstudium führte: schon mit 15 Jahren widmete er sich diesem und studierte unter anderem an der Accemia lirica San biagio am Gardasee. Den Moment, an dem für ihn fest stand, dass er endgültig den Sängerberuf ergreifen wollte, kann er heute nicht mehr benennen. „Wenn man mit Leidenschaft an die Sache herangeht, dann stellen sich manche Fragen nicht. Ich studierte – gewissermaßen als Plan A – auch Wirtschaftsingenieurwesen, weil ich den Eindruck hatte, dass die Welt mehr Ingenieure braucht als Künstler. Aber dann debütierte ich auf der Opernbühne und wollte einfach dabei bleiben.“ Flugs ging es weiter: 2010 erhielt er ein Stipendium von der Lina Aimaro Bertasi Foundation und debütierte in der Titelrolle von Mozarts Don Giovanni in einer Produktion des Como Teatro Sociale. Bei einer weiteren Produktion dieser Institution war er als Conte d’Almaviva in Le nozze di Figaro zu erleben. Als Don Giovanni hörte man ihn weiters am Teatro Comunale in Bologna; im Teatro Ponchielli in Cremona sang er den Riccardo in Vincenzo Bellinis I puritani, später war er als Guglielmo in Così fan tutte im Teatro Regio in Turin und im Teatro La Fenice in Venedig zu hören,  als Schaunard in Puccinis La Bohème bei den Salzburger Festspielen und am Royal Opera House Covent Garden sowie in Un ballo in maschera an der Mailänder Scala.

Mittlerweile ist er Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper, an der er im Oktober 2012 als Masetto debütierte und unter anderem auch noch als Leporello, Haly (L’italiana in Algeri), Schaunard, Herold/Apollo (Alceste) und Christian (Un ballo in maschera) zu hören war. Mitunter, so gesteht er schmunzelnd, lernt er auch Rollen „auf Verdacht“ – weil sie ihm entweder an sich zusagen, oder er sie später einmal singen möchte. Ein echtes Vorbild, dem er direkt nachfolgen will, hat Alessio Arduini keines. Aber: „Cesare Siepi, zum Beispiel, bewundere ich sehr, er ist für mich perfekt. Die Technik, die Eleganz! Gelegentlich jedoch höre ich mir auch andere Sänger an, wie Cappuccilli oder Bastianini, Corelli – und sie alle sind für mich auf ihre Weise beeindruckend. Ohne aber das Vorbild schlechthin zu sein.“ Ob er seine eigene Stimme beschreiben kann? „Das kann ich leider nicht, weil wir Sänger uns vollkommen anderes wahrnehmen als jemand, der uns gewissermaßen von außen hört.“ Große Bedeutung misst er auch dem schauspielerischen Element auf der Bühne bei, ohne das Singen zu vernachlässigen. „Das Publikum kommt ja auch in die Oper, um etwas zu sehen. Die Regie, das Bühnenbild, das Agieren, das gehört alles einfach dazu und macht im Gesamten den Eindruck aus. Sonst könnte man ja gleich eine CD hören!“ Einen Ton würde er aber für eine extravagante Bühnenaktion niemals vernachlässigen, meint er. „Zuerst kommt immer noch die Musik!“ Grundsätzlich bevorzugt Alessio Arduini Regisseure, die mit der persönlichen Bewegungssprache des jeweiligen Sängers zu arbeiten verstehen, und „vom Fach“ sind: „Der Regisseur sollte schon vom Theater kommen und bei seiner Arbeit auch an uns denken – nämlich daran, dass wir singen müssen. Ich schätze es, wenn er uns etwas vorspielt, ohne jedes Detail genau festzulegen. Es kommt eben immer auf die Mischung an.“ Zur Kategorie der übervorsichtigen und ängstlichen Sänger zählt er nicht. So liebt er Sport, vor allem Wassersportarten. Sorge, dass er sich dabei verkühlen könnte? „Nein“, lacht er, „Sport ist doch gut für die Stimme! Natürlich würde ich nicht im Winter im T-Shirt laufen gehen, aber im Grunde lebe ich ein ganz normales Leben.“

Oliver Láng