Oper als Leben
Wenn morgen ein Ufo auf der Erde landet und Außerirdische Sie fragen, was Sie eigentlich so machen: Wie beschreiben Sie Ihren Beruf jemandem, der gar nichts über Oper weiß?
Vielleicht so: Als Sängerin ist es meine Aufgabe, dem Publikum meine Liebe zu meiner Arbeit erfahrbar zu machen.
Und wie lautete die Erklärung zur Kunstform Oper?
Es geht, als erstes, um die Musik. Ein Komponist hat eine Geschichte vertont und uns viel Raum für Interpretation gelassen. Genau hier beginnt die Kunst: Wir, die Künstlerinnen und Künstler, gehen mit unserer Inspiration an die Arbeit und fragen uns: Womit können wir diesen Raum füllen?
Was unsere Außerirdischen vielleicht auch nicht kennen, ist der Zauber eines Theaters, dieses unbeschreibliche Fluidum. Was ist es, das uns alle so hineinzieht?
Ich weiß es nicht, es gibt einfach diese unverwechselbare Atmosphäre, die ein Theater ausstrahlt. Und dann gibt es diesen Moment, wenn Dirigent, Orchester und Sängerinnen und Sänger alle zusammenwirken, wenn alles zu einem großen Ganzen verschmilzt. Das hat auch viel mit dem Publikum zu tun. Wenn es interessiert ist, mit uns mitgeht... kann man das auf der Bühne förmlich spüren. Das macht für mich auch den Zauber aus. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mit uns sind und wir alle gemeinsam einen Abend erleben.
Ihr Staatsopern-Debüt gaben Sie als Mitglied des Opernstudios im Jahr 2020. Wenn Sie heute zurückblicken: Haben Sie das Gefühl, dass diese Beginnzeit weit zurückliegt und Sie heute eine andere sind?
Ich fühle mich eigentlich immer noch sehr frisch im Beruf (lacht). Wenn ich an die fünf Jahre denke, dann fühle ich zunächst einmal große Dankbarkeit. Für die Chancen, für das, was passiert ist. Natürlich... wenn ich mich an die »kleine« Stephanie im Opernstudio erinnere, dann fühle ich, dass ich heute nicht mehr dieselbe Sängerin bin. Es hat sich doch so vieles geändert. Stimmlich, aber auch, dass ich mich gesanglich und in dem, was ich kann, sicherer fühle. Und ich habe viel an Erfahrung gewonnen. Wie schade, dass ich die damalige Stephanie nicht beruhigen kann: »Alles ist ok! Es wird gut! Mach dir keine Sorgen!« Heute frage ich mich nicht mehr: Bin ich genug? Denn: Ich bin genug! Das ist sicherlich der größte Unterschied zu damals.
Weil wir heuer ein Bruckner-Jahr haben: Es gibt eine Anekdote aus seinem Leben, dass er zuweilen vor lauter Komponieren geradezu in einem Saustall hauste. Die Ausrede war: keine Z&eit, ich muss arbeiten! Kennen Sie das zumindest in abgeschächter Form? Diese allesverdrängende Arbeit?
Ja, freilich, wenn man zum Beispiel auf eine Premiere fokussiert ist. Da ordnet sich vieles unter. Ich als Sängerin denke mir: Du darfst nicht schreien, musst auf die Ernährung achten. Alles, was einen umgibt, muss die Arbeit unterstützen. Daher ist es so wichtig, dass man eine Umgebung hat, die einem zur Seite steht. Meine Familie und mein Freund verstehen das und was ich mache, ist auch für sie wichtig. Natürlich, wenn die Premiere oder die erste Vorstellung einer Aufführungsserie erst einmal vorbei ist, entspannt sich das alles und ich habe auch mehr Raum fürs Chillen.
Viel Disziplin also.
Im Vorfeld einer Premiere versuche ich zum Beispiel, möglichst bewusst und regelmäßig zu essen, damit ich zumindest das unter Kontrolle habe. Viele Sängerinnen und Sänger suchen sich kleine Dinge, die ihnen – zumindest im Kopf – das Gefühl einer festen Ordnung geben.
Es ist der Versuch der Kontrolle im letztlich Unkontrollierbaren: der Kunst.
Genau. Andererseits natürlich: Zu viel Kontrolle in allem ist ja auch nicht gut, man muss dem Gefühl und der Spontaneität Raum geben. Es ist besser, diese Aspekte nicht zu sehr zu kontrollieren.
Wenn Sie nun so intensiv auf eine Premiere hinleben, haben Sie nicht manchmal die Sorge, dass Sie das Leben außerhalb verpassen?
Die Oper ist ja mein Leben! Ich liebe meine Arbeit und ich bin, wie schon gesagt, so dankbar für alles. Jeder Tag im Opernhaus ist schön. Ich habe hier in Wien so ein gutes Leben, jeden Tag, wenn ich in die Staatsoper komme, denke ich: »Wow, ich bin soo glücklich!« Ich weiß natürlich, was Sie meinen: Dass für das restliche Leben die Pausetaste gedrückt ist. Aber so ist es nicht. Ich kann immer »normale« Abende finden, die ich mit Freunden verbringe und so weiter. Aber da ich meine Arbeit so liebe, ist sie mein Leben. Denken Sie nur: Allein schon, wen man aller trifft! Mit wem ich auf der Bühne stehen darf! In der Traviata etwa mit Lisette Oropesa. Wie oft habe ich sie mir auf YouTube angehört, und jetzt singe ich mit ihr!
Wann war eigentlich der Moment, an dem Ihre Eltern erstmals so richtig stolz auf ihre Sängerin-Tochter waren?
Als klar war, dass ich ins Opernstudio der Staatsoper komme, habe ich meine Mutter angerufen. Sie war gerade in einem Restaurant, hat geweint und eine Flasche Champagner bestellt. Das war so ein Moment! Oder auch, als ich in Elektra erstmals auf der Staatsopern-Bühne gestanden bin. Meine Eltern sind so lieb zu mir, sie kommen zu all meinen wichtigen Auftritten… sie sind schon so richtig stolz! (lacht)
Und wie gehen Sie mit dem Druck, den der Beruf mit sich bringt, um? Stichwort Mental health…
Das ist ein sehr wichtiges Thema! Jede und jeder reagiert da anders. Ich bin stark, aber natürlich gibt es Situationen wie Einspringen, die herausfordernd sind. Das klingt jetzt wie ein Klischee, aber auch in solchen Fällen gilt: The show must go on! Das Schöne ist, dass in solchen Augenblicken das gesamte Haus hinter einem steht, die Kolleginnen und Kollegen einem helfen. Als ich im Rosenkavalier eingesprungen bin: Adrian Eröd, Louise Alder, Thomas Ebenstein, sie alle haben mich hinter und auf der Bühne so sehr unterstützt! Nach dem Einspringen war ich unglaublich glücklich, regelrecht high. Im Grunde sind wir aber alle Profis und wissen: Wir können das alles schaffen!