Nachruf Ernst Ottensamer

Er hatte noch viel vor im Leben. So ist es aber mit einem Schlag gekommen: Prof. Ernst Ottensamer, dienstältester Soloklarinettist des Staatsopernorchesters und der Wiener Philharmoniker, verstarb an einem Herzinfarkt am 22. Juli 2017. Der Schreck und die Verstörung, die eine solche Nachricht auslösen kann, sie haben weit über die unmittelbare Umgebung des Musikers hinausgegriffen. Wenn jemand, der dermaßen mitten im Leben stand, die Welt so plötzlich verlässt, so macht das viele Weggefährten innehalten und mehr als nachdenklich werden. Zwar nicht als direkter Pultkollege, aber doch als jemand, der jahrzehntelang mit Ernst Ottensamer in einer Reihe in Orchestergräben und auf vielen Konzertpodien der Welt zusammen musiziert hat, möchte ich im herzlichen Andenken über ihn berichten.
Ernst Ottensamer ist gebürtiger Oberösterreicher; er maturierte in Linz und bekam dort auch seinen ersten Klarinettenunterricht. Die weitere Ausbildung erhielt er in Wien, an der damaligen Hochschule für Musik. Bei Peter Schmidl holte er sich (als dessen erster „Meisterschüler“) am Instrument den Feinschliff. Nach einem erfolgreichen Probespiel wurde er kurzfristig in das Bühnenorchester der Staatsoper aufgenommen und avancierte 1979 zum Orchestermitglied der Wiener Staatsoper. Drei Jahre später wurde er in den Verein Wiener Philharmoniker aufgenommen. Sein Weg auf die Solostimme war gleichsam vorgezeichnet und er hatte diesen wichtigen Platz in der Orchestergemeinschaft 34 Jahre lang inne.

Zusätzlich zu seiner Arbeit im Orchester war er als Kammermusiker und Lehrer tätig. Mit der ihm eigenen Strebsamkeit unterrichtete er ab 1986 an der Universität für Musik in Wien. Das gewisse Grundvertrauen in vorgegebene Lehrinhalte sowie deren konsequente Umsetzung in die musikalische Praxis hat dabei seiner Zuverlässigkeit und Prägnanz eine starke Kontur gegeben. Nennen wir es „Stilbildung“, die für ihn eine wichtige Säule des Kunstverständnisses war, und die er an die nächste Generation weitergegeben hat. Dabei geht es in allernächster Beziehung um seine Söhne, die beide in die Fußstapfen des Vaters getreten sind; zusammen mit dem Vater haben sie die Formation der „Clarinotts“ gebildet. Kammermusik war ein wichtiges Anliegen im künstlerischen Wirkungsbereich Ottensamers. Was man für den feinsinnigen musikalischen Umgang im kleinen Kreis benötigt, über dergleichen verfügte er in außerordentlichem Ausmaß. Zugleich besaß er den in diesem Bereich so vorteilhaften Instinkt, und ebenso das, was man als „Macherqualitäten“ bezeichnen könnte.

Kein nur annähernd passender Bericht zu Ernst Ottensamer kann ohne Worte über seine Persönlichkeit als Mensch auskommen. Mit ihm war es immer leicht, ins Gespräch zu kommen. Trotz seiner manchmal fast trockenen Art war es allemal möglich, die Begeisterung für die Sache herauszuhören, wenn es ihm um etwas ging. Und als für die Musik Entflammter war er da ein stets unternehmungsfreudiger, fast bis zur Risikobereitschaft glühender Enthusiast. Mit einem Augenzwinkern konnte er dabei das grundsätzliche Faible für Humor unter Beweis stellen. Seine Attitüde am Instrument war keine plakative Schaustellung der Kunst – eher fast ein Understatement. Mit der so genannten „Spielastik“ wollte er nichts zu tun haben. In dieser Form war es ihm möglich, beim Spiel fast ohne „Gestik“ auszukommen – es ging vorrangig ums Zuhören, welche Melodienbögen, welche Ausbrüche er dabei geformt hat.
Wenn er heute noch einmal um die Ecke käme, in unternehmungslustigem Schlenderschritt, und eine Wortspende für uns parat hätte … vermutlich augenzwinkernd und mit dem ihm eigenen Aufwerfen des Kopfes, man könnte ihm in den Mund legen: „ Ja, hätt ich gewusst, dass ich euch so abgeh’ … vielleicht hätt ich mir mit dem Herzanfall noch ein bißl Zeit g’lassen.“

Wir werden noch oft und viel an ihn denken, seine Kunst in Ehren halten und uns gut an sie und an ihn erinnern, im Orchestergraben wie am Podium. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und da im Besonderen seiner Frau Cilli.

Reinhard Öhlberger