Königliche Farbe
Er ist beim Interview im März nur auf Zwischenstation in Wien und reist gleich weiter zum nächsten Liederabend: Piotr Beczala. Mit Schumann und polnischen Liedern im Gepäck, die er zwischen Warschau und Hamburg singt. Im Interview erzählt er über seinen kommenden Gustaf III. an der Staatsoper, über falsche Abkürzungen, richtige Entscheidungen, rote Teppiche und blaue Könige.
Derzeit leben Sie – wieder einmal – sehr aus dem Koffer. Alle paar Tage eine andere Stadt. Wie gehen Sie mit diesem reisenden Leben um?
Piotr Beczala: Es hat seine guten und seine schwierigen Seiten. Schwierig ist, wie Sie sagen: Man ist dauernd auf der Reise, im Flugzeug, unterwegs. Andererseits aber: Der Rhythmus auf solchen Reisen ist nicht schlecht! Ich singe in mehreren Städten mehr oder weniger dasselbe Programm, es muss also nicht mehr so viel geprobt werden. Im Grunde kann ich mir einen schönen Vormittag machen und singe dann nach einer Einspielprobe das Konzert. Das ist anders als im Opernbetrieb, in dem es – vor den Premieren – Vormittags- und Abendproben gibt. Solche Reisen haben also sehr gute Seiten. Und ich erlebe viele schöne Säle, viel unterschiedliches Publikum. Das freut mich!
Wie ist der Tag des Auftritts? Halten Sie da einen speziellen Rhythmus ein?
Piotr Beczala: Ja, ich schlafe mich aus, dann lese ich etwas, gehe spazieren, esse am frühen Nachmittag. Und zwei Stunden vor dem Auftritt singe ich mich sehr gezielt ein. Dann eben eine Einspielprobe – und es kann losgehen.
Dass die Anforderungen seitens des Sängers bei Opern- und Liederabenden unterschiedlich sind, ist klar. Wie sieht es aber mit dem Publikum aus? Gibt es aus Ihrer Sicht ein Lied- und ein Opernpublikum?
Piotr Beczala: Natürlich gibt es Überschneidungen, aber ich habe durchaus das Gefühl, dass ein spezielles Liedpublikum existiert. Jedenfalls ist es ein Publikum, das sehr genau weiß, was es in einem solchen Abend erlebt und das sich auch sehr gut darauf einstellt. Es ist ja nicht so, dass ich zur Einstimmung ein „La donna è mobile“ singe; sondern es geht um intime Lied-Stimmungen, die ihre eigene Atmosphäre haben. Und es geht bei einem Liederabend nur um den Sänger, den Pianisten und das Werk. In einer Oper gibt es ja noch die Inszenierung, das Bühnenbild und vieles mehr. Es ist ein sehr positives Gefühl, wenn man erlebt, wie sehr sich Zuhörer auf diese intimen Lieder einlassen und wie begeistert sie dann sein können.
Bei aller Begeisterung der Zuhörer sind Sie doch ein Sänger, der am Boden geblieben ist und sehr diesseitig und natürlich wirkt. Wie bannen Sie die Gefahr, bei all dem Erfolg abzuheben?
Piotr Beczala: Man darf ja abheben – und ich tue es auch. In der Vorstellung! (lacht) Aber sonst ist das eine sehr gefährliche Sache. Ich kenne das, es gibt junge Sängerinnen oder Sänger, die seit fünf Jahren auf der Bühne stehen und glauben, sie sind die zweite Callas oder der zweite Pavarotti. Oft wird dabei allerdings vergessen, dass die erste Callas und der erste Pavarotti einen langen Weg hinter sich hatten, bevor sie das wurden, was sie waren. Es gibt viele, die „interessant“ werden wollen und sich auch so fühlen. Interessant soll man aber künstlerisch sein, nicht über PR. Das dauert dann ein bisschen länger, man muss in vielen Vorstellungen beweisen, dass man was wert ist, dafür dauert die Karriere auch länger. Wenn man die Abkürzung über den roten Teppich nimmt, hat man vielleicht das Gefühl, dass es schneller geht. Aber diese Celebrity- Aufmerksamkeit ist nur von kurzer Dauer. Und wenn man am Boden bleibt, dann bekommt man auch eine gesunde Distanz zu dem, was man macht und zu sich selbst. Und vermeidet so viele Fehler. Das ist das Wesentliche! Denn wenn die Karriere gleich wieder zu Ende ist – was bringt einem das? Was hat man von einem Tenor, der nicht mehr singt? Ich habe vor einigen Tagen ein großartiges Interview mit Christa Ludwig gelesen – sie hat wunderbare Weisheiten gesagt, über Karriere und das Singen. Ich finde, man sollte das jedem jungen Sänger in die Hand drücken!
Im April singen Sie hier den Gustaf III. in Un ballo in maschera. Verdi sprach gerne von der Farbe eines Werks, der „Tinta“. Wie wäre die Tinta von Gustaf?
Piotr Beczala: Positiv. Strahlkräftig. Das königliche Blau mit gold-warmen Elementen.
Was mögen Sie an der Figur?
Piotr Beczala: Er ist ein Mann mit gutem Charakter, großmütig, humorvoll. Natürlich muss man den Menschen und die Politik trennen, das sind zwei Welten. Aber die Figur Gustaf ist menschlich, im guten Sinne. Ich mag ihn – vor allem im Vergleich zu anderen Verdi-Figuren. Zum Beispiel zu Don Carlo: da schneidet Carlo schlechter ab, was den Charakter betrifft!
Und im Vergleich zu Ihrer neuen Partie, dem Lohengrin?
Piotr Beczala: Lohengrin ist ein sehr pflichtbewusster Ritter. Sehr geradlinig. Er versagt zwar in der Sache, aber nicht durch seine Schuld. Lohengrin gibt anfangs vor, was passiert, wenn die falsche Frage gestellt wird – und zieht am Ende die Konsequenz. Man kann ihm kein falsches Spiel vorwerfen. Er ist aber mit Sicherheit kein Kerl von nebenan. Ihn so zu zeichnen, geht schief.
Nach dem Dresdner erfolgreichen Lohengrin: haben Sie Lust auf mehr Wagner?
Piotr Beczala: Nicht auf mehr Wagner. Sondern auf mehr Lohengrin!
Sie singen derzeit Edgardo, Rodolfo, Faust, Gustaf, Werther. Wechseln Sie bewusst ab: Bald nach dem Lohengrin zum Beispiel Donizettis Edgardo?
Piotr Beczala: Ein solcher Repertoire-Wechsel ist zwar schwer, aber sehr gut und notwendig, um die Flexibilität der Stimme zu sichern. Lohengrin hat mir bei Edgardo sehr geholfen, in der klaren Attacke, beim konsequenten Durchziehen eines Klanges, auch beim kontrollierten Piano. Der Lohengrin hat mich weitergebracht, das merke ich zum Beispiel auch bei der Bohème.
Lohengrin bleibt also im Repertoire?
Piotr Beczala: Der Lohengrin war eine richtige Entscheidung, und er bleibt im Repertoire. Schön wäre eine Serie in jeder Spielzeit. Wir werden sehen …
Das Gespräch führte Oliver Láng
Un ballo in maschera | Giuseppe Verdi
17., 20., 23., 26. April
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Künstlergespräch | Agrana Studiobühne - Walfischgasse
21. April
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