Kirill Kourlaev - Bühnenabschied eines Publikumslieblings
Für seine zahlreichen Fans war es eine unerwartete Nachricht: Kirill Kourlaev, Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts, beendet mit nur 34 Jahren mit Saisonende seine aktive Karriere als Tänzer.
Seine letzte Hauptpartie tanzte er bereitsam 19. Mai als Kronprinz Rudolf in Sir Kenneth MacMillans tragischem Ballettdrama Mayerling, wo er einmal mehr seine intensive, facettenreiche Darstellungskraft und energiegeladene Tanzkunst unter Beweis stellen konnte. Dieser Abend wurde ihm in Anerkennung und Würdigung seiner hervorragenden Leistungen für die Wiener Staatsoper und für die Volksoper Wien gewidmet. „Kronprinz Rudolf ist eine der schönsten Rollen für einen Tänzer. Es gibt viel zu tanzen, zu schauspielern und eine österreichische Geschichte, was mir besondere Freude macht“, so Kourlaev. Bis Saisonende wird er aber noch seine weiteren geplanten Auftritte in Don Quixote, Van Manen | Ekman | Kylián und der Nurejew Gala wahrnehmen.
Kirill Kourlaev über seine Beweggründe nach 16 Spielzeiten Abschied von der Bühne zu nehmen: „Das professionelle Tanzen ist ein Hochleistungssport, der viel Erfüllung bringt, aber natürlich den Körper auf Dauer sehr beansprucht und den einen mehr, den anderen weniger belastet. Die physischen Beeinträchtigungen in meinem Fall hätten mich ohnehin gezwungen, in naher Zukunft aufzuhören. Ich habe großen Respekt vor Bühne und Publikum und kann mir nicht erlauben, nicht mehr 100 Prozent geben zu können. So sehr ich es liebe, auf der Bühne zu stehen und zu tanzen, habe ich für mich entschieden: Es ist besser, ein Jahr früher zu gehen als einen Tag zu spät.“
Ballettdirektor Manuel Legris nahm dazu in einer Presseaussendung Stellung: „Kirills Entscheidung hat mich einerseits sehr getroffen: Es ist bedauerlich, wenn sich ein für die Compagnie so wichtiger Tänzer wie er auf der Höhe seiner Zeit zurückzieht. Andererseits kann ich ihm nur größten Respekt zollen für seinen klaren Entschluss, von dem er nicht mehr abzubringen war. Er hat als Künstler gespürt, dass es der richtige Moment ist aufzuhören. Für das, was er uns und unzähligen Ballettliebhabern gegeben hat, sind wir voll Dank und Anerkennung und wir wünschen ihm das Beste für seine berufliche Zukunft abseits der Bühne, die er gut vorbereitet hat.“
Kirill Kourlaev möchte sich künftig gerne in anderen Tanzstilen weiterentwickeln und sich vor allem seinen Aktivitäten im Bildungsbereich widmen. 2013 gründete er gemeinsam mit seiner Ehefrau Olga Esina, Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts, das internationale Bildungsförderungsinstitut „Das Elite-Lyzeum“ im ersten Wiener Gemeindebezirk, das unter anderem mit Ballett-, Gesangs-, Klavierund Schachunterricht ein großes Spektrum anbietet. Seit 2005 österreichischer Staatsbürger, hat er seine gesamte Tänzerkarriere in Wien verbracht und viele eindrucksvolle Partien an der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien verkörpert. Geboren in Moskau, erhielt er seine Ausbildung an der Klassischen Ballettschule in seiner Heimatstadt. Mit 16 Jahren kam er nach Österreich und studierte zunächst am Ballettkonservatorium St. Pölten, anschließend an der Ballettschule der Wiener Staatsoper. 2000 erhielt er einen Elevenvertrag beim Wiener Staatsopernballett, ein Jahr später wurde er ebenda Corps de ballet-Mitglied, 2004 avancierte er zum Halbsolisten, 2009 zum Solotänzer des Balletts der Wiener Staatsoper und Volksoper. 2012 wurde Kirill Kourlaev schließlich zum Ersten Solotänzer des Wiener Staatsballetts ernannt.
Zu seinen bedeutendsten Rollen zählten vor allem jene in Handlungsballetten, darunter KronprinzRudolf in MacMillans Mayerling und Lescaut in dessen Manon, Karenin in Eifmans Anna Karenina und Kommissar in dessen Giselle Rouge, Tybalt und Graf Paris in Crankos Romeo und Julia und Fürst Gremin in dessen Onegin, aber auch James in Lacottes La Sylphide, Johann in Petits Die Fledermaus, Espada in Nurejews Don Quixote, Lanquedem in Legris’ Le Corsaire, Drosselmeyer in Harangozós Der Nussknacker, Der Engel in Neumeiers Josephs Legende, Crassus und Antonius in Zanellas Spartacus, Frédéri in Petits L’Arlésienne, Inspektor in Béjarts Le Concours, Don José in Bombanas Ballett: Carmen, Oberon in Elos Ein Sommernachtstraum, Blaubart in Thoss’ Blaubarts Geheimnis sowie diverse Hauptpartien in neoklassischen und zeitgenössischen Choreographien von Robbins, van Manen, Kylián oder van Cauwenbergh. Gleich mehrere Choreographen ließen sich von Kirill Kourlaevs Persönlichkeit inspirieren, so kreierte er Partien in Zanellas Renard, Cavallaris Tschaikowski Impressionen, de Banas Marie Antoinette und Windspiele sowie in McDonalds und Pages Ein Reigen. Darüber hinaus war er mehrfach in Übertragungen vonNeujahrskonzerten der Wiener Philharmonikersowie bei Eröffnungen des Wiener Opernballs zu sehen. Gastspiele führten ihn in viele europäische Länder und nach Übersee.
„Es ist das Beste, das mir in meinem Leben passieren konnte, meine Tänzerkarriere 16 Jahre auf der Bühne der Wiener Staatsoper zu verbringen. Ich bin glücklich und bereue keinen einzigen Moment“, hält Kirill Kourlaev fest.
Iris Frey