Junges Tenor-Glück für die Opern Verdis!
Francesco Meli, einer der führenden lyrischen Tenöre, singt wieder in Simon Boccanegra.
"Himmel beraubt der Sonne, Natur, ohn’ Blütenwonne / sind Herzen ohne Lieb!“ So darf im Mai der Tenor Francesco Meli wieder als Edelmann Gabriele Adorno schmachten und um seine Amelia Grimaldi zittern und bangen. Bis sich am Ende Simon Boccanegra dann doch nicht als Nebenbuhler, sondern als ihr Vater herausstellt, und der durch Gift Sterbende, in seinen letzten Zügen liegend dem jungen Mann die Hand seiner Tochter verspricht. Francesco Meli ist damit wieder in einer seiner Glanzrollen zu erleben. Bisher insgesamt acht Mal, vier Mal im Frühjahr 2011 und ebenso oft im Jahr darauf, stand er im Haus am Ring in dieser Partie bereits auf der Bühne. Eine durchschlagskräftige Attacke, Agilität und Höhensicherheit attestierte ihm damals die Presse für seine Interpretation.
So wie der Gabriele Adorno, stammt auch Francesco Meli übrigens aus Genua. 1980 erblickte er in der ligurischen Kapitale das Licht der Welt. Er wurde, so wie es sich in Italien eigentlich fast gehört, hineingeboren in eine musikalische, wenn auch nicht professionell musizierende Familie. Bei ihm zu Hause wurde einfach mit Vergnügen gesungen, zur eigenen Unterhaltung, verriet der Sänger einmal in einem Interview. Vor allem sein Großvater sang besonders gerne und gut, spielte Klavier, Gitarre und Harmonika. Schließlich, so geht die Familienlegende, soll der Urgroßvater Melis sogar gelegentlich halbprofessionell auf Bühnen aufgetreten sein.
Mit dem Wunsch, oder besser, dem großen Traum, das Opernsingen ganz zum Beruf zu machen, sticht Francesco Meli jedenfalls einsam aus der Familienchronik heraus. Mit der Umsetzung des Traumberufs begann er dann mit 17 Jahren. Damals bereits startete er sein Gesangsstudium, zunächst bei der Sopranistin Norma Palacios am Konservatorium „Niccolò Paganini“ in seiner Heimatstadt, später wurden die Mezzosopranistin Franca Mattiucci und dann der bekannte Tenor Vittorio Terranova seine Lehrer. 2002 erfolgte schließlich sein Debüt auf der Opernbühne. Er sang in Macbeth beim „Festival die Due Mondi“ in Spoleto, wo er ebenso als Solist in Rossinis Petite Messe solennelle und Puccinis Messa di gloria zu erleben war. Kurz darauf folgten dann schon Auftritte in Lissabon, Bologna, Florenz, Neapel, Verona und Turin. An Italiens wohl bedeutendster Bühne, die Scala in Mailand, holte ihn zum ersten Mal kein Geringerer als Riccardo Muti, als er ihn für Dialogues des Carmélites von Poulenc engagierte. Da war Francesco Meli gerade einmal 23 Jahre alt. Unter Muti gab er schließlich auch sein Debüt an der Wiener Staatsoper. 2008 sang er den Ferrando in Così fan tutte an der Seite von Barbara Frittoli, Angelika Kirchschlager und Ildebrando D’Arcangelo. Das war noch in der Direktionszeit von Ioan Holender. Doch auch sein Nachfolger Dominique Meyer wurde schon früh, als er noch das Théâtre des Champs-Élysées in Paris leitete, auf den jungen Italiener aufmerksam. Nach einem beeindruckenden Vorsingen in Mailand, engagierte Meyer ihn sofort für sein Pariser Haus, unter anderem für den Fenton in Verdis Falstaff.
Riccardo Muti nimmt in jedem Fall eine besonders wichtige Stellung in der noch immer jungen, doch steilen Karriere von Meli ein. Mit Muti konnte der Tenor schon oft zusammenarbeiten. An diesem Dirigenten bewundert der Sänger die Genauigkeit und das Wissen, und wie sorgfältig er mit den Sängern an einer bis ins kleinste ausdifferenzierten Interpretation arbeitet. Das galt schon für das Verdi-Jahr 2013, als sich Muti den Tenor als Gabriele Adorno an der römischen Oper wünschte.
Auch in Salzburg wollte Muti bei seinen jüngsten Verdi-Dirigaten auf ihn nicht verzichten. So gestaltete Meli unter seiner Leitung erst im letzten Jahr bei einem konzertanten Ernani im Großen Festspielhaus die Titelrolle. Bereits 2013 war er der Ismaele in zwei Nabucco Vorstellungen. Das war jener Sommer, in dem Meli seinen Salzburger Festspiel- Einstand gab. Einmal mehr mit Verdi, allerdings als Carlo VII in der selten gespielten Giovanna d’Arco.
An der Seite von Anna Netrebko als Giovanna und Plácido Domingo als Giacomo. Die Netrebko kannte er dabei bereits aus Wien, wo die beiden 2011 als Liebespaar in Donizettis Anna Bolena ihre Köpfe verloren. Damals konnte Meli erstmals in Wien seine besonderen Belcanto-Qualitäten beweisen, fuhr mit der ungemein fordernden Partie des Lord Percy einen von Publikum wie Presse laut akklamierten Erfolg ein.
Mit Belcanto reüssierte er genauso in Pesaro, beim Rossini-Festival, wie auch in Lyon, wo er an der Seite von Natalie Dessay als Elvino in Bellinis La sonnambula auf der Bühne stand. Dass er längst in dramatischere Regionen strebt, weiß die Opernwelt spätestens seit dem Sommer 2014. Damals ritterte er als Manrico im Salzburger Festspiel-Trovatore um seine Leonora in Gestalt von Anna Netrebko. Außerdem brachte ihn die Produktion erneut mit Plácido Domingo zusammen, mit dem er erst jüngst auch in Verdis I due Foscari an der Mailänder Scala zu erleben war.
Verdi ist dabei das Stichwort und der Dominator in Melis Repertoire. Verdis Tenorpartien liegen ihm und den lyrischen Qualitäten seiner Stimme besonders. Wobei hier vor allem Luciano Pavarotti ein großes Vorbild für ihn darstellt, der die großen Verdirollen immer ganz aus den Möglichkeiten seiner lyrischen Stimme zu interpretieren wusste. Natürlich hat Meli längst Rollen wie den Werther von Massenet, den Don José in der Carmen oder den Cavaradossi in Tosca im Repertoire. Dennoch sind es vor allem die Musikdramen Verdis, denen sein ganzes Herz gehört, aktuell etwa besonders dem Carlo VII, dem Rodolfo in Luisa Miller, dem Alfredo in La traviata, dem Manrico und dem Riccardo in Un ballo in maschera. Genua darf sich also nicht nur in der Oper glücklich schätzen, einen solchen Sohn zu haben!
Stefan Musil