In die Musik eintauchen

Das Verfluchte Geisterschiff klingt über weite Strecken nach Richard Wagners Originalmusik, die aber aufgebrochen, umgruppiert, gekürzt und zugespitzt wird. Natürlich wollten wir die schönsten Melodien aus dem Fliegenden Holländer nützen, aber um die Opulenz und Weiträumigkeit von Wagners Musik knapper und flotter zu machen, hat zum Beispiel die Schiffs-Ratte, die überraschende Wendungen ins Geschehen bringt und für die nötige Leichtigkeit sorgt, eine ganz andere Musik: sehr lebendig, sodass im Aufeinandertreffen der Ratte mit dem geheimnisvollen Fliegenden Holländer und seiner naturgemäß schwereren Musik witzige Situationen entstehen. 

Weiters gibt es etwa ein ausgelassenes Geburtstagslied von Sentas Vater Daland, der in unserer Deutung eine Art sympathischer Hippie ist, sowie stimmungsvolle Unterwassermusiken, zu denen das Publikum gemeinsam durch die Unterwasserwelten der Wiener Staatsoper »taucht« und dabei verschiedene Rätsel lösen wird…

... seine Überlegungen zur Adaption von Richard Wagners Musik und den Kompositionsprozess:

Ich wollte gerne den charakteristischen, dichten Klang von Wagners Orchester einfangen: gleichzeitig musste mein kleines Orchester flexibel genug bleiben, um gemeinsam mit dem Publikum zwischen unterschiedlichen Spielorten wechseln zu können, denn Das verfluchte Geisterschiff ist ja eine Wanderoper. Daher habe ich einen Kompromiss gefunden, einerseits besondere ungewöhnliche Instrumente wie die Harfe und die Tuba zu verwenden, die auch bei Wagner vorkommen. Andererseits aber prinzipiell ein solistisch besetztes, dirigiertes Ensemble beizubehalten. Denn in einigen Situationen kommt das Publikum einzelnen Instrumenten sehr nahe. Ich glaube, dass es ein echtes Erlebnis ist, zum Beispiel neben einem Kontrabass zu stehen und zu hören, wie dieses große Instrument mit einer Riesen-Schildkröte kommuniziert…

Der Kompositionsprozess ging sehr flüssig von der Hand, da ich mich mit meiner Musik am hervorragenden Libretto von Margit Mezgolich entlangbewegen konnte, das ein sehr gutes Timing hat. Besonders bei einer Oper für junge Leute (aber eigentlich in jeder Oper) ist meiner Meinung nach das Um und Auf, dass die dramaturgischen Bögen straff gespannt sind und es spannend bleibt, weil die Musik das Geschehen stets weitertreibt. 

Musiktheater birgt die große Chance, eine vielfältig bunte Musik zu präsentieren, die unterschiedliche Stile vermengt. So wie Alban Bergs Wozzeck: von komplexer Polyphonie bis hin zum Kinderlied kommt alles vor. Daher hatte ich keine Sorge, dass die im Verfluchten Geisterschiff von mir neu komponierten Teile mit Wagners Musik konkurrieren würden, solange die komponierte Musik im Dienst der Handlung steht.

... den Charakter des neuen Stückes im Verhältnis zur Wanderoper Die Entführung ins Zauberreich (2021) und seine Erwartungen an die Premiere:

Ich finde, dass das Verfluchte Geisterschiff allein schon durch den völlig anderen Charakter der Musik Richard Wagners eine ganz andere Atmosphäre kreiert als Die Entführung ins Zauberreich. Die Schwärmerei von Senta für den geheimnisvollen Fliegenden Holländer ist in unserer Lesart eine Art psychologischer Projektion eines jungen Teenagers, und das heimliche zentrale Motiv unserer neuen Wanderoper ist die Freundschaft zwischen Senta und Erik, die auf die Probe gestellt wird und sich letztendlich bewährt. Eigentlich eine sehr zarte Geschichte, die durch Statist*innen, Tänzer*innen usw. auch optisch sehr abwechslungsreich erzählt wird, um der Schwere von Wagners Musik genug Leichtigkeit entgegenzustellen.

Besonders gespannt bin ich darauf, ob es uns wieder gelingen wird, das Publikum für die 75 Minuten, die Das Verfluchte Geisterschiff  dauern wird, abzuholen, zu verzaubern und zu begeistern. Ich bin zuversichtlich!