Immer der Leidenschaft nach
Eine neue Spielzeit bedeutet nicht nur: neue´Produktionen. Neue Werke. Neue Künstlerkombinationen. Sondern auch: Neue Künstlerinnen und Künstler, und besonders auch: neue Ensemblemitglieder. Noch bevor letztere die Bühne der Staatsoper betreten, werden sie erst einmal unter die Fittiche des Hauses genommen. Direktor Dominique Meyer, der sie ja ausgewählt und engagiert hat, begrüßt sie ganz offiziell im Namen des Hauses, Betriebsdirektorin Sabine Hödl erklärt ihnen das Wesentliche zum Proben- und Vorstellungsbetrieb der Staatsoper. Die Regiekanzlei, ihre künftig zentrale Anlaufstelle, Oberspielleiterin Katharina Strommer und Studienleiter Thomas Lausmann besprechen gleich zu Beginn mit den neuen Sängern die Vorgangsweisen und Usancen im Haus. Ebenso hilft der Solistenverband der Wiener Staatsoper den jungen Künstlern von Anfang an und kann als Anlaufstelle für viele Fragen dienen. Und damit fängt schon das Leben an der Staatsoper an. Heuer stand der eine oder die andere tatsächlich in den Eröffnungsvorstellungen auf der Bühne, Svetlina Stoyanova etwa, die als Dryade in Ariadne auf Naxos glänzen konnte. „Ich war unmittelbar vor der Aufführung sehr aufgeregt“, erzählt sie, „aber meine Kolleginnen in der Garderobe waren so unglaublich reizend, dass ich all meine Aufregung vergessen habe. Ich tanzte herum, verteilte Süßigkeiten als Toi toi toi. Im Augenblick des Auftretens war ich natürlich voller Adrenalin, fühlte mich aber erstaunlich ruhig und spürte, dass ich genau dort bin, wohin ich mich zugehörig fühle.“ Während sie und ihr Kollege Samuel Hasselhorn (er als Ottokar im Freischütz) gleich in den ersten Tagen auf der Bühne standen, probt der junge Bassist Peter Kellner, der seinen Weg über Bratislava, Klagenfurt und Graz nahm, für die Neuproduktion der Trojaner. Ebenfalls in dieser Neuproduktion singt auch der Tenor Lukhanyo Moyake, ein Gewinner des renommierten Wettbewerbs Neue Stimmen. Und auch ein drittes neues Ensemblemitglied steht in den Trojanern auf der Bühne, die ungarische Mezzosopranistin Szilvia Vörös, die ihr Staatsopern-Debüt allerdings schon im September absolviert hatte – als Flora in der Traviata. „Ich liebe es Sängerin zu sein, alleine schon, weil das Repertoire riesig ist und man so viel wunderbare Musik kennen lernen kann. Und ich liebe es, weil ich mich auf der Bühne in eine andere Person verwandeln kann – Tag für Tag“, antwortet sie voller Emphase und Begeisterung auf die Frage nach dem Besten an ihrem Beruf. Ihre Kollegin Stoyanova fügt hinzu: „Das Schönste ist auch noch, dass man anderen Menschen durch die Musik Glück und vielleicht sogar Hilfe bescheren kann“.
Fragt man nach „dem“ Opernmoment im Leben der jungen Sängerinnen und Sänger, also nach einem einschneidenden Schlüsselerlebnis, wird gleich zweimal eine Wagner-Aufführung genannt. Vörös: „Im Jahr 2013 erhielt ich ein Stipendium der ungarischen Wagner-Gesellschaft und konnte die Bayreuther Festspiele besuchen. Nach einer Lohengrin-Aufführung brach ich in Tränen aus und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. So etwas war mir nie zuvor passiert. Ich war absolut fasziniert – und vielleicht habe ich damals verstanden, was das Geheimnis der Wagner’schen Musik ist.“ Auch Michael Laurenz, der seine musikalische Laufbahn als Trompeter begonnen hatte, fand seinen Schlüsselmoment im Lohengrin. Allerdings nicht in Bayreuth, sondern in Erfurt. „Klaus Florian Vogt sang die Titelrolle, es war sein Debüt, ich an der zweiten Königstrompete. Seither habe ich diese überragende Begeisterung für das Genre Oper.“
Sehr Unterschiedliches hört man, wenn die Frage nach den drei Begriffen, die den jungen Künstlern spontan beim Namen Wiener Staatsoper in den Sinn kommen, gestellt wird. „Faszination, Stolz, Gustav Mahler“, meint Michael Laurenz, „riesig, unglaublich, Traum“ fällt Svetlina Stoyanova ein, „Hochkultur und die besten Musiker überhaupt“ fügt Samuel Hasselhorn hinzu und Szilvia Vörös ergänzt mit „reiche Vergangenheit, Qualität und Verantwortung“. Warum aber überhaupt Musik?
Warum Oper? Fiona Jopson, die seit heuer fix im Ensemble ist, in der vergangenen Spielzeit aber schon in der Kinderoper Cinderella oder in Macbeth auf der Bühne stand, fasst ihre Berufswahl kurz zusammen: „Musik ist schon immer ein großer Teil meines Lebens gewesen. Ich bin in Australien aufgewachsen und lernte zunächst Klavier, nahm Ballettstunden – und erkannte bald, dass ich es einfach liebe, Musik zu hören.“ Als sie dann mit 17 Jahren erstmals eine Oper miterlebte – La Bohème – war es um sie geschehen. „An diesem Abend wusste ich, dass Musik ab nun die Hauptrolle in meinem Leben spielen würde.“ Bei Michael Laurenz, der ja, wie bereits erwähnt, vor seiner Sängerkarriere bereits Instrumentalist war, lag der Urgrund des Gesangsstudiums zunächst darin, ein besserer Trompeter zu werden, bevor ihn die Leidenschaft für den Gesang als solchen packte. Für Hasselhorn liegt die Antwort auf das Warum auf der Hand: „Weil Musik doch eigentlich eines der schönsten Dinge ist und die menschliche Stimme das besonderste und schönste Instrument.“ Und auch für Szilvia Vörös gab es eigentlich gar keine Wahl: „Was ich von Anfang an wusste, war, dass ich ohne Musik nicht existieren kann.“ Ganz ähnlich formuliert es Stoyanova: „Ich habe Musik einfach immer geliebt und konnte mir nicht vorstellen, mein Leben ohne sie zu gestalten. Und so wechselte ich nach nur einem Monat meines Psychologie-Studiums zum Gesangsstudium – um meiner wahren Leidenschaft zu folgen.“ Ein weiteres Warum, nämlich jenes, warum gerade Oper eine so einzigartige Wirkung auf den Menschen ausübt, beantwortet Fiona Jopson poetisch: „Oper hat die Fähigkeit, uns über eine emotionale Umhüllung durch Geschichte und Musik aus unserem Leben in eine andere Welt zu transportieren.“ Nicht minder begeistert zeigt sich Michael Laurenz: „Es ist das besondere Zusammenspiel, die einzigartige Verbindung aller Kunstformen wie auch die unglaubliche Nachhaltigkeit des Genres. Für den einen ist es Genuss, für den anderen Arbeit, für viele Selbstverwirklichung, für alle Leidenschaft!“
Oliver Làng