Im Fokus: Die Betriebsdirektorin
In dieser neuen Serie wird die Arbeit aller an einer Neuproduktion beteiligten Personen und Abteilungen beleuchtet. Blicken Sie mit uns hinter die Kulissen und erleben Sie, wie eine Neuproduktion entsteht!
Die Betriebsdirektorin, Sabine Hödl-Weinberger
Ist die erste Entscheidung bezüglich einer Neuproduktion einmal getroffen, sind also Stücktitel und eventuell die Besetzung der Hauptpartien, der Regisseur und der Dirigent fixiert, geht es darum, einen geeigneten Termin für die Premiere und die nachfolgenden Reprisen zu finden. Und hier beginnt der Aufgabenbereich der Betriebsdirektorin Sabine Hödl-Weinberger. Denn an ihr liegt es nun, den sogenannten weißen Spielplan, also den noch komplett leeren Vorstellungsplan einer ganzen Saison mit Stücken zu „befüllen“ – mit Neuproduktionen ebenso wie mit Repertoirewerken. Da jede einzelne Detailentscheidung einen Rattenschwanz an Folgeentscheidungen nach sich zieht und am Ende alles zusammenpassen und ineinandergreifen muss, ähnelt die nun folgende Prozedur fast einem komplexen Geduldspiel. Einem Geduldspiel freilich, das ohne intensive langjährige Erfahrung, ohne Kenntnis der unterschiedlichen Gewohnheiten und Bedürfnisse der Künstler, ohne Wissen um die Möglichkeit aller nicht einplanbarer Eventualitäten und vor allem ohne Liebe zur Gattung Oper gar nicht durchführbar wäre. Wie sehen nun die einzelnen Arbeitsschritte konkret aus? Zunächst sind mehrere Parameter zu prüfen: Gibt es von Haus aus auf Grund der Disponibilität einzelner Künstler nur bestimmte Zeitfenster in denen die vorgesehene Neuproduktion angesetzt werden kann? Handelt es sich bei dem Werk um eine großbesetzte Oper oder um eine mit wenigen Sängern und kleinem Orchester? Ist die Oper lang oder kurz? Sind einzelne Partien besonders herausfordernd, sodass auf die Erholungsphase der Interpreten Rücksicht genommen werden muss? Wie viele Rollen sind aus dem Ensemble besetzbar, ist überhaupt, und wenn ja, in welcher Stärke ein Chor erforderlich? Ist das Stück noch nie oder schon länger nicht am Haus gezeigt worden? Sollte man hinsichtlich der fünf- bis sechswöchigen Probenzeit vor einer Premiere auf bestimmte Besonderheiten achten? Das wären einige der zentralen Fragen – doch was für Antworten ergeben sich aus ihnen und vor allem, welche Lösungen verlangen sie? „Es ist hilfreich, die Planung in eine Zeit mit vielen Feiertagen legen zu können“, erklärt Sabine Hödl-Weinberger. „Denn was bedeutet eine lange Oper? Dass die Vorstellung früh beginnen muss und das ist, mit Rücksicht auf die Arbeitswelt, nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen möglich. Ideal ist diesbezüglich daher Ende Oktober/ Anfang November, denn hier kommen zu den Wochenenden noch der Nationalfeiertag und Allerheiligen dazu.“ Zugleich hat Sabine Hödl-Weinberger auf die Tourneezeiten des Orchesters zu achten, denn sind die Wiener Philharmoniker (und damit ein Teil des Staatsopernorchesters) auf Konzertreise, können Opern mit großen Orchesterbesetzungen wie eine Salome, eine Elektra, diverse Wagner- Opern mangels ausreichender Musikerzahl nicht durchgeführt werden. Steht außerdem eine noch nie gezeigte Oper zur Diskussion, sollten für alle Beteiligten, also Orchester, Chor, Sänger genügend Probenzeiten einkalkuliert werden. Herausfordernde Partien wie etwa jene des Tristan, erfordern weiters, dass zwischen den einzelnen Vorstellungen des Werkes jeweils zumindest drei Tage Pause eingeschoben sind, damit sich der Sänger stimmlich und physisch regenerieren kann. „Es gibt einige namhafte Künstlerinnen und Künstler, die, unabhängig von der Schwere der Rolle, grundsätzlich drei Tage Pause zwischen den Auftritten wünschen – was natürlich ebenfalls zu berücksichtigen ist“, so die Betriebsdirektorin. Aber auch der Chor, der das weltweit größte Repertoire beherrscht und entsprechend proben soll, kann nicht überbeansprucht werden. „In einer Spielzeit lauter Choropern zur Premiere zu bringen, wie etwa Moses und Aron, Meistersinger, Chowanschtschina ist unmöglich, da die Zeit zum Einstudieren fehlen würde.“ Sind Neuproduktionen (fast) durchwegs aus dem fixen Ensemble besetzbar, so erleichtert dies verständlicherweise viele Aspekte: Man muss sich zum Beispiel nicht nach dem Terminkalender der Sänger richten, da sie ohnehin immer zur Verfügung stehen. Gibt es nun grundsätzlich ungünstige Zeiten für eine Neuproduktion? „Zum einen ist der Februar recht problematisch, da durch den Opernball und die dafür notwendigen Vorbereitungen zumindest eine ganze Woche ausfällt“ zählt Sabine Hödl-Weinberger auf. „So ein „Loch“ ist schlecht für die Probenzeit und schlecht für die Aufführungsserie. Was sollen vor allem Gastsänger in dieser Zeit machen? Heimfahren, dableiben, woanders auftreten? Auch die Karwoche ist kein wirklich günstiger Termin. Und ein zu früher September-Premierentermin ist deshalb unmöglich, weil man die mehrwöchige Probenzeit nicht schon in den Sommermonaten, in denen die Staatsoper geschlossen ist, beginnen darf.“ Apropos Proben: Auch hier gilt es, vor allem in der Endprobenzeit, Rücksicht auf die Wünsche der Ausführenden zu nehmen. Manche wollen die Hauptproben und die Generalprobe möglichst eng beieinander angesetzt haben, um nicht Zeit zu verlieren, andere fühlen sich von zu schnell aufeinanderfolgenden Proben überlastet. „Bei dieser Frage ist es günstig, früh genug mit dem Dirigenten Rücksprache zu halten, aber eine für alle beglückende Lösung ist nur selten zu erzielen“, so die Betriebsdirektorin. Sind endlich alle Premieren, die dazu gehörigen Reprisen und die jeweiligen Proben unter Dach und Fach, „füllt“ Sabine Hödl-Weinberger die „Lücken“ mit Repertoirestücken auf, wobei auch hier wieder auf so manchen bereits im Vorfeld fixierten Sängerauftritt, auf Tourneen oder chorfreie Tage geachtet werden muss. Zu guter Letzt kann noch die Technik einen Strich durch die Rechnung ziehen. „Es kommt schon vor, dass ein Spielplan bis zum letzten Vorstellungstag fertig aufgestellt ist und sich dann herausstellt, dass das Bühnenbild einer geplanten Neuproduktion etwas komplizierter ausfällt, als ursprünglich angenommen, wodurch längere Aufbauzeiten notwendig werden, was sich wiederum auf die Stückabfolgen im Gesamtspielplan auswirkt. Und das kann bedeuten: Zurück an den Start.“ Dies alles geschieht wohlgemerkt ungefähr vier Jahre im Voraus. Etwas knapper, also einige Monate vor den eigentlichen Aufführungsterminen, erstellt Sabine Hödl-Weinberger schließlich für den Direktor gemeinsam mit dem musikalischen Studienleiter aus dem Ensemble Besetzungsvorschläge für die mittleren und kleineren Rollen. Ist das erledigt können im Prinzip nur mehr unerwartete Krankheitsfälle etwas am geplanten Ablauf ändern, denn dann müssen kurzfristige Ersatzsänger gefunden werden …