© Sofia Vargaiová
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Herbert Fritsch

Herbert Fritsch, »Eroberer von unbekannten Räumen« (Sabrina Zwach in Opernring 2 7/2021) betrat die Bühnen der Welt nach einer Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Als Schauspieler unter anderem durch langjährige Tätigkeit an Frank Castorfs Berliner Volksbühne abgehärtet, drehte er ab den 1980er Jahren Filme, die zum Teil bei Festivals reüssierten, zum Teil wütenden Widerspruch hervorriefen. »Über meinen Film Die Suppe hat mir der Leiter des Festivals von Locarno einen vier Seiten langen Brief geschrieben«, erzählt Fritsch während der Proben zu Fin de partie an der Wiener Staatsoper. Es ist seine zweite Arbeit an diesem Haus nach Il barbiere di Siviglia (2021).

Als Theaterregisseur debütierte Fritsch an der Berliner Volksbühne mit einer kleinen Beckett-Arbeit: Nicht-Ich. Über Luzern, Halle, Wiesbaden, Schwerin, Magdeburg und Leipzig führte der Weg schließlich wieder nach Berlin, wo die Volksbühne ein weiteres Mal zu seiner künstlerischen Heimat wurde. Dort entstanden höchst erfolgreiche Arbeiten wie Die (s)panische Fliege (2011), der die Mann (2015) oder Pfusch (2016). Ein zentrales Element seiner Inszenierungen ist die Raumbühne, die Fritsch als sein eigener Bühnenbildner stets selbst entwirft. Legendär wurde die Inszenierung von Dieter Roths Ein-Wort-Drama Murmel Murmel (2012), lange im Repertoire der Berliner Volksbühne und auch im Rahmen zahlreicher Gastspiele zu sehen. Fritsch inszenierte auch an der Berliner Schaubühne, dem Schauspielhaus Bochum, dem Schauspiel Frankfurt und dem Wiener Burgtheater (zuletzt Zentralfriedhof, 2024). Durch die intensive Musikalität seiner Inszenierungen wurden bald auch Opernhäuser auf Fritsch aufmerksam. 2012 inszenierte er Jacques Offenbachs Banditen in Bremen und Péter Eötvös’ Tri Sestri in Zürich. Weitere Arbeiten in Zürich, Basel, Luzern, an der Komischen Oper Berlin und an der Staatsoper Hamburg folgten. Zuletzt arbeitete er für experimentelle musikalische Formate unter anderem mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und dem Popmusiker Herbert Grönemeyer zusammen.

Fin de partie begleitet Fritsch ein halbes Künstlerleben lang. Als junger Schauspieler gab er viele Male den Clov in einer Inszenierung von Niels-Peter Rudolph. Seine eigene Interpretation des Werks in der Musik von György Kurtág grenzt Fritsch aber vor allem gegen die deutsche Tradition der strengen, düsteren Beckett-Exegese ab. An Fin de partie interessiert Fritsch, wie er erklärt, ein veränderter, weil angstfreier, ja, »fröhlicher« Blick auf den Topos der Vergänglichkeit. Aber auch das Thema der Resilienz, des »Verankert-Seins« im Augenblick, beschäftigt den Regisseur, der seiner Sängerin und seinen Sängern auf den Proben wie üblich viel abverlangt – dabei aber selbst als vor- und mitspielender Regisseur womöglich von allen Personen auf der Probebühne am meisten in Bewegung ist.