© Nikolaus Karlinsky

Grüss Gott, Herr Kammersänger

Der der Wiener Staatsoper seit vielen Jahren eng verbundene Bariton und Publikumsliebling Adrian Eröd wurde am 8. Mai 2017 im Teesalon der Wiener Staatsoper mit dem Berufstitel „Kammersänger“ ausgezeichnet. Die Verleihung erfolgte durch den Geschäftsführer der Bundestheater-Holding Mag. Christian Kircher und Staatsoperndirektor Dominique Meyer. Zu den Gästen und Gratulanten zählten u. a. Ulrike Sych (Rektorin der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien), Georg Springer, Peter Edelmann sowie die SängerkollegInnen KS Herwig Pecoraro, Hans Peter Kammerer, Daniela Fally, Clemens Unterreiner, Janina Baechle und Morten Frank Larsen.

In seiner Rede sprach Staatsoperndirektor Dominique Meyer von einem „Familientreffen“ bei der Verleihung und würdigte KS Adrian Eröd und dessen Leistungen am Haus sowie seine „wunderbare internationale Karriere“: „Jede Begegnung mit Adrian Eröd und jede seiner Vorstellungen ist eine Freude – seit seinem ersten Auftritt an der Wiener Staatsoper ist er ein Liebling des Publikums. Er hat seine Verbundenheit zur Wiener Staatsoper immer gezeigt und ich hoffe, dass wir diese Verbundenheit nach wie vor erleben werden. Die Reise soll einfach so weiter gehen!“

KS Adrian Eröd bedankte sich bei seiner Familie, seinen Wegbegleitern, Kollegen und Staatsoperndirektor Dominique Meyer. Für KS Adrian Eröd ist die Auszeichnung, über die er sich „wahnsinnig freue“, eine „noch größere Einbindung in das ‚Wir‘ der Wiener Staatsoper, die für mich wie eine Familie ist. Das, was wir jeden Abend auf der Bühne präsentieren, sind Edelsteine, die dadurch entstehen, dass wir gemeinsam versuchen, Antworten auf Fragen zu finden, die ein Stück uns stellt. Oper kann nichts anderes sein als ein ‚Wir‘.“

„Diese Urkunde zu überreichen, war ein ganz tiefer, persönlicher Wunsch und eine wirklich große Herzensangelegenheit. Es gibt wenige Menschen, die so viel Freude auslösen, wenn man über sie spricht“, so Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Mag. Christian Kircher, der KS Adrian Eröd seit der Studentenzeit kennt und seine Karriere seit 30 Jahren mitverfolgt: „An jedem Abend, an dem du singst, bist du ausgezeichnet. Und: Du bist normal geblieben!“


Adrian Eröd im Interview mit Andreas Láng

März 2017

„Herr Kammersänger“ – wie fühlt sich das an?

Adrian Eröd: Ich weiß nicht, ich bin es ja noch nicht (lacht). Aber als ich vor kurzem im Gang zwischen den beiden Bühneneingängen die dort hängende Fotogalerie der bisherigen Kammersänger gesehen habe, dachte ich ganz unweigerlich: „Bald hängt auch dein Bild hier, bald gehörst du in diese Gemeinschaft“ – und das war, ich will es gar nicht leugnen, schon ein besonderes Gefühl. Und obwohl ich mich in diesem Haus seit langem daheim fühle, dieser Kammersängertitel schafft schon eine noch tiefere Verbundenheit, zudem einen noch größeren Grad der Verantwortung, des Verpflichtet-Seins als bisher.

Apropos Verpflichtet-Sein: Wer ist nach Ihnen Ihr größter Kritiker – darf Ihre Frau nach einer Vorstellung etwas anmerken?

Adrian Eröd: Sie muss sogar, ich fordere die ehrliche Kritik ein! Meine Frau ist selbst Sängerin und kennt wie niemand anderer meine Stimme. Dementsprechend habe ich nach einer Aufführung nur eine kurze Schonfrist – wenn wir auf dem Heimweg mit dem Auto in die Wienzeile einbiegen, wird bereits Tacheles geredet.

Im März singen Sie, wie schon bei der Premiere, den Albert in Massenets Werther – mit einem Unterschied, diesmal wird auch ihr Rivale von einem Bariton gesungen …

Adrian Eröd: Was die paradoxe Situation ergibt, dass der ungestüme Werther plötzlich durch die tiefere und schwerere Stimme von Ludovic Tézier in dieser Serie als der stimmlich erwachsenere, stimmlich männlichere wirkt. Interessanterweise hat Massenet ja in dieser sogenannten Bariton-Fassung die Partie des Werther nicht wirklich umgeschrieben, sondern nur die hohen Töne nach unten transponiert. Wie auch immer, es nützt alles nichts: Der Werther bekommt meine Bühnenehefrau trotzdem nicht. (lacht)

Wie böse, wie kalt ist Albert? Ist er überhaupt liebesfähig oder kann ein Rivale bei ihm nur die Eitelkeit verletzen?

Adrian Eröd: Er ist sicher ein steifer Geschäftsmann, aber ich würde ihn nicht als böse bezeichnen, zumindest nicht am Beginn der Oper. Und seine doch gefühlvolle Arie, die er im 1. Akt singt, beweist, dass er sehr wohl Emotionen kennt, zu großen Gefühlen fähig ist. Sein Verhältnis zu Werther ist freilich komplex: Er weiß, dass Werther seine Frau Charlotte liebt, die Frage ist nur, was eine Inszenierung mit diesem „Wissen“macht. Man kann es anlegen als „Ich verstehe, dass du in meine Frau verliebt bis, weil sie tatsächlich bezaubernd ist“, man kann aber, wie in unserer Produktion, noch den drohenden Hintergedanken hinzufügen „aber spiel’ dich nicht, denn sie ist eben meine Frau und ich kann auch ganz unangenehm werden.“

Aber fühlt sich Albert nicht als Mörder, immerhin händigt er Werther die Pistole aus …

Adrian Eröd: Ihm ist sicher klar, was Werther mit der Waffe anstellen wird, aber auf Grund seiner Erziehung, seines Weltbildes ist er sich keiner aktiven Schuld bewusst, quasi nach dem Motto: Jeder ist für seine Taten verantwortlich, und wenn Werther die Pistole benützt, um sich umzubringen, dann ist das seine Entscheidung.

In dieser Inszenierung stößt Albert am Ende der Oper Charlotte von sich als sie sich hilfesuchend an ihn wendet …

Adrian Eröd: Diesen quasi pantomimischen Schluss haben wir mit Regisseur Serban unentwegt verändert – ich glaube wir kamen insgesamt auf 14 oder 15 Versionen. Selbst in der Pause der Premiere hat er an diesen letzten zwei Minuten herumgebastelt, um dann in der Premierenfeier wieder eine andere Möglichkeit vorzuschlagen. Eine Fassung, die genau eine Probelang gehalten hat, lief darauf hinaus, dass Albert Charlotte ohrfeigt. Just diese Probe hatte Karl Löbl gesehen und in der Einführungsmatinee darüber diskutieren wollen, warum Albert seine Frau schlägt – wir konnten ihn beruhigen, dass die Handgreiflichkeit bereits eliminiert wurde. Also, überlebt hat folgende Lösung: Die – in dieser Regie – schwangere Charlotte wendet sich an Albert, der jedoch einfach weggeht, nicht aus Kaltherzigkeit, sondern weil er es innerlich nicht schafft, sie zurückzunehmen.

Sie haben in vielen laufenden Produktionen beiden Premieren mitgewirkt: Kehren Sie gerne in diese Rollen zurück, stört es sie womöglich insgeheim, wenn andere „Ihre“ Partien verkörpern?

Adrian Eröd: Bei fremden Inszenierungen kann es mitunter ja vorkommen, dass sie einem nicht zusagen und man sich einiges zurechtlegen muss, schon aus diesem Grund fühle ich mich in einer Produktion, die ich mitentwickelt habe, natürlich zu Hause. Und was die Kollegen in „meiner“ Rolle betrifft: Nein, es stört mich wirklich nicht, im Gegenteil, ich bin sogar neugierig, was andere machen und gelegentlich sage ich mir: Der hat wirklich ein interessantes Detail entdeckt, warum bin ich nicht darauf gekommen. Vielleicht übernehme ich es sogar?

Es ist ein ursprünglicher Bestandteil der Philosophie des Theaters, dass eine Vorstellung beim Publikum eine Katharsis auslösen soll. Erleben die Darsteller solche kathartischen Momente auf der Bühne ebenso, oder ist das nicht vorgesehen?

Adrian Eröd: In den großen Meisterwerken die kein Interpret je ganz ausloten kann, in denen man stets neue Abgründe, neue Aspekte entdeckt, können solche kathartischen Momente auch auf der Bühne entstehen, vor allem, wenn alle Rädchen ineinandergreifen und das gerade Geschaffene abzuheben scheint. Interessanterweise muss es diesbezüglich keine Kongruenz mit den Zuschauern geben: Das Publikum kann also durch und durch ergriffen, verändert, aufgerüttelt, seelisch gereinigt sein, ohne dass wir Interpreten etwas Ähnliches empfinden. Umgekehrt passiert es genauso: Wir erleben ein „Wow“und die Reaktion der Zuschauer ist neutral bis verhalten. Natürlich gibt es auch den idealen Fall, dass beide Seiten innerlich erhöht werden – das nennt man dann wohl Sternstunde.