Geschlechterkampf mit Rossini
Frau Gritskova, bei der Isabella handelt es sich um ein Staatsopern-Rollendebüt. Haben Sie die Rolle schon an einem anderen Haus gesungen?
Margarita Gritskova: Das ist mein echtes Debüt – ich singe die Rolle jetzt das erste Mal in meinem Leben und bin sehr glücklich darüber. Natürlich habe ich schon viele verschiedene Vorstellungen gesehen und schätze diese Ponnelle- Inszenierung besonders. Klassische Inszenierungen, von einem echten Meister in Szene gesetzt, sind ja immer ein Genuss. Sie hingegen haben den Mustafà 2013 – als Einspringer – bereits einmal an der Staatsoper gesungen.
Adam Plachetka: Ich hatte damals das Glück, dass ich gleichzeitig Cenerentola gecovert habe und deshalb stimmlich für Rossini bereit war. Es wurde eine tolle Vorstellung, die im Rückblick wahrscheinlich meine Technik verändert hat. Ich stand damals neben Agnes Baltsa und war fasziniert, wie frisch ihre Stimme klingt. Und dachte mir, dass ich bei mir etwas ändern muss, damit meine Stimme leichter wird. Der einzige Nachteil war, dass ich – als Einspringer – nur wenig proben und deshalb die Vorstellung nicht richtig genießen konnte. Dafür haben wir diesmal ausreichend Proben und ich freue mich schon sehr auf meine erste „richtige“ Serie.
Wie sehen Sie den Charakter der Isabella? Wie hat Rossini sie musikalisch angelegt?
Margarita Gritskova: Die Partie ist sehr facettenreich und schön, es gibt für die Isabella-Sängerin lange Phrasen, die eine Sicherheit ausstrahlen. Damit wird ihr Charakter – ganz im Gegensatz zu einem jungen Mädchen, das sich nicht unter Kontrolle hat – gut gezeigt. Denn Isabella ist mutig, selbstsicher und die einzige Figur des Stücks, die klug, schlau und initiativ ist. Sie ist darüber hinaus eine sehr starke Frau, deren musikalische und szenische Darstellung ich sehr spannend finde.
Und der Mustafà? Was braucht man da als Sänger?
Adam Plachetka: Ich finde es toll, wenn eine Rolle witzig und brillant ist – und das ist beim Mustafà der Fall. Ob mir beides auch gelingt, das werden wir erst sehen. (lacht). Nein, im Ernst: Ein Rossini-Bass ist im Moment ein gutes Fach für meine Stimme. Die Tessitura – auch wenn man ab und zu die Höhe braucht – ist nicht zu hoch, es gibt selten ganz tiefe Töne. Das ist genau, was ich gern habe. Die größte Herausforderung sind die Koloraturen, wenn man sie länger nicht gesungen hat. Das bedeutet aber nur, dass man zwei Wochen vor dem Probebeginn üben muss – das ist aber auch nicht das Schlimmste, was einem passieren kann. (lacht).
Sie haben neben der Isabella auch Rosina und Cenerentola an der Wiener Staatsoper gesungen. Wo liegen die gesanglichen Unterschiede?
Margarita Gritskova: Sie sind sehr unterschiedlich … Rosina ist jung, verliebt, ungeduldig, frisch, emotional und ein bisschen eine „Soubrette“. Sie ist klug und schlau, hat aber noch keine Erfahrung. In ihrer Partie hört man flexible, zierliche und ungeduldige Koloraturen sowie augenblickliche Änderungen der Laune, wechselnde Nuancen, Sprünge und helle glückliche Aufstiege. Cenerentola hingegen ist sehr fleißig, brav, naiv, seriös und sucht keine kreativen Lösungen, um sich zu helfen. Ohne Alidoro bliebe sie vielleicht ewig ein Dienstmädchen. Als Folge hört man die traurige und ruhige „Una volta c’era un re“. Hier klingen die Phrasen nach Fragen, und man spürt wie Hoffnung, Unsicherheit, Weh und ein unruhiges Herz zusammenkommen. Erst am Ende singt sie ein glückliches Rondo. Isabella wiederum glänzt mit Selbstbeherrschung und Vernunft in Situationen, in denen die Männer versagen und niemand ihr helfen kann. Als Folge hat Isabella drei schöne große Arien mit langen Kantilenen sowie sichere, ruhige, mutige Koloraturen. Und man spürt immer innere Gelassenheit.
Welche der drei Figuren kommt Ihnen vom Charakter persönlich am nächsten?
Margarita Gritskova: Das ist schwer zu sagen, weil das Leben ja oft sehr wechselhaft ist und es viele unterschiedliche Phasen gibt (lacht). Eigentlich kann ich mich in jede Figur hineinversetzen, diese fühlen.
Sie haben hier zuletzt den Don Giovanni gesungen. Das ist vom Figurencharakter her das genaue Gegenteil. Mögen Sie solche Abwechslungen?
Adam Plachetka: Ja. Ich mag es sehr gerne und brauche es auch. Daher kann ich auch nie wirklich die Frage beantworten, welche Partie meine Lieblingsrolle ist. Mir gefällt die ganze Palette. Jede Rolle hat etwas Besonderes und es wäre mir wahrscheinlich langweilig, immer nur ein Liebhaber oder immer nur ein Bösewicht zu sein.
Ist der Mustafà ein Anti-Giovanni?
Adam Plachetka: Ich glaube, er sieht sich als Giovanni. Dann aber ist ihm langweilig – und damit fängt die ganze Geschichte an. Er braucht eine neue Anregung – eine Italienerin. Im Grunde ist es genau das, was auch Giovanni ständig fühlt – die Sehnsucht nach dem Neuen.
Demnächst singen Sie hier den Grafen im Figaro. Genau genommen bekommen alle drei – Graf, Giovanni und Mustafà – nicht, was sie wollen.
Adam Plachetka: Bekommt Giovanni nicht, was er will? Ich hab immer das Gefühl, dass er einen Weg weg von allen und allem sucht. Und Mustafà? Er kommt mit seiner Frau wieder zusammen. Das sehe ich als ein Happy End an. Aber es stimmt natürlich: Es sind alles nicht die erfolgreichsten Charaktere. Giovanni und Conte finde ich sehr ähnlich, Mustafà ist was ganz anderes. Da kann man viel mehr Spaß haben und muss sich selbst nicht ernst nehmen. Damit meine ich nicht, dass z.B. Conte keine komische Figur ist, aber man kann ihn sicher nicht komisch spielen. Den Mustafà aber darf man manchmal richtig übertreiben.
Hat Mustafà gute Eigenschaften? Und der Graf?
Adam Plachetka: Ich würde sagen, dass sie beide überzeugt sind tolle Menschen zu sein. Ob sie wirklich etwas Gutes haben, ist eine andere Frage. Sie sind halt Herrscher, die den Bezug zur Realität längst verloren haben. In deren Welten machen sie gar nichts Schlimmes, es scheint nur für uns lächerlich und unfassbar zu sein, weil wir eine andere Perspektive haben.
Aus der Sicht der Isabella: Welcher ist, wenn es schon sein muss, attraktiver – Mustafà, Graf oder Giovanni?
Margarita Gritskova: Ich glaube Mustafà. Isabella ist zu klug und zu erfahren, um sich auf Giovanni einzulassen. Sie ist zu anständig, um ohne Notwendigkeit den Grafen zu täuschen. Er ist attraktiv, klug, aber nicht lustig. Mustafà ist eine charismatische und humorvolle Person, mit dem sie mit leichtem Herzen flirten und herumblödeln kann, um ihre Ziele zu erreichen.
Wie würde eine Isabella mit einem Giovanni umgehen?
Margarita Gritskova: Ich glaube mit Giovanni gäbe es zwei Möglichkeiten: Die erste – die Träume verwerfen und keine Annäherung zulassen. Die zweite – eine Annäherung zulassen, jedoch die eigene Stärke finden, um rechtzeitig bereit zu sein, ihn zu verlassen
Die Fragen stellte Oliver Láng
L’italiana in Algeri | Gioachino Rossini
1., 5., 8. April
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