Geigerin Adela Frasineanu
Den Kaffee, einen verlängerten Braunen, rührt sie nicht an. Wie denn auch? Denn die junge Geigerin hat viel zu erzählen, sehr sehr viel. Über die Ausbildung und den Beruf, über Ernsthaftigkeit in der Musik, Kopf und Bauch, echte und vermeintliche Stars, das Orchester, Solistentum und Kammermusik. Und das alles in einem erstaunlichen Redetempo und mit einem beeindruckend geringen Bedarf an Zwischenatmung. Vor allem aber mit Verve, Begeisterung, Überlegung. Am Ende des Interviews schickt ein zufällig anwesender Musikerkollege vom Nachbartisch ein SMS: „Aus all dem kann man jetzt deine Biografie schreiben!“ Nun, die Biografie wird es vielleicht nicht. Aber ein Einblick in ihr Musizieren und ihre Sicht auf Musik…
Sie, das ist die Geigerin Adela Frasineanu, geboren in Brasov (Kronstadt) in Siebenbürgen, in eine halb Musiker- (der Vater ist Trompeter), halb Arzt- (die Mutter) Familie. In früher Kindheit kommt sie nach Deutschland und beginnt im Alter von sechs Jahren, „weil man es so gemacht hat“, mit dem Musikunterricht. Das bedeutet zunächst: „Klopfen auf allem, auf Tassen und Trommeln“, also musikalischer Vorbereitungsunterricht. Am Ende des Jahres kommt die Wahl des zukünftigen Instruments, und bevor sie noch, wie die anderen, „Klavier“ rufen kann, hat die Geigenlehrerin der Schule ihr auch schon die Violine zugeteilt. „Ich glaube, es wäre mir auch jedes andere Instrument recht gewesen“, meint sie heute. Und fügt hinzu: „Eine ziemlich unromantische Geschichte, oder?“ Romantisch oder unromantisch: Sie lernt Geige und ist bei der Lehrerin in besten Händen. „Sie war von Anfang an fürsorglich und mütterlich, das war genau das, was ich damals brauchte“. Im nächsten Satz räumt Frasineanu gleich noch einmal mit der Romantik auf: „Es ist ja meist eine Illusion, dass Kinder von sich aus gerne üben. Es muss jemand dahinterstehen.“ Jemand, das war der Vater, und dank ihm wurden bald Fortschritte gemacht; und als sich dann erste Erfolge bei frühen regionalen Wettbewerben einstellten, kam der eigene Wille zum Üben schließlich auch in Schwung. „Da hatte ich das Gefühl: es bringt was.“ „Dahinterstehen“, darauf legt sie Wert, bedeute übrigens nicht Druck, „den hatte ich nie. Meine Eltern waren nur einfach der Meinung, dass, wenn man etwas macht, es ordentlich werden soll. Egal, ob es sich um Musik oder etwas anderes handelt.“
Was folgte, waren viele Kilometer. Denn von der Musikschule wechselte sie als Jungstudentin nach Weimar, pendelte wöchentlich 90 Kilometer hin und zurück. Dann wählte sie ein Musikgymnasium in Berlin, „eine Spezialschule“, in der ein Schwerpunkt auf eine entsprechende Förderung gelegt wurde. In den letzten Schuljahren pendelte sie wieder, diesmal nach Rostock. Und mit ihrem Trio zu Konzerten um den Globus, bis nach Japan. Und zu Meisterkursen in alle Ecken Deutschlands, weiters zu Wettbewerben und mit Jugendorchester-Tourneen in fast alle Länder Europas. Das Berufsmusikertum war aber immer noch keine ausgemachte Sache. „Mich hat so vieles interessiert. Ich dachte: Vielleicht studiere ich nach der Matura ganz etwas anderes. Zum Beispiel etwas mit Sprachen?“ Daraus wurde nichts, weil Frasineanu nach besagter Matura die Sache mit den außermusikalischen Studien „verpeilte“, wie sie sagt, also: die Anmeldefristen aller Universitäten verpasste. Sie machte demnach das, was sie am besten konnte – und musizierte. Stationen brachten sie dabei unter anderem nach Salzburg, wo sie in Prof. Igor Ozim einen genialen Lehrer fand, der „alle musikalischen Vorgänge ganz genau begründen konnte. Warum eine Betonung auf dieser Note ist und nicht auf jener.“ Aus dieser Zeit hat die Geigerin vielleicht auch ihren Sinn für eine Ernsthaftigkeit und Schlüssigkeit einer Interpretation gewonnen. „Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern darum, dass es Logik gibt und man wissen muss, warum man etwas so und nicht anders macht. Nur ein schöner Ton ist keine Begründung. Dadurch verliert der intellektuelle Anspruch seine Bedeutung, was sich wiederum in der Musik niederschlagen wird.“ Womit das Thema Effekthascherei erreicht ist, ein Wort, das Frasineanu nur mit etwas verkniffenen Lippen ausspricht. Ähnlich wie „Oberflächlichkeit“. „Das ist der Zeitgeist. Alles muss die Norm sprengen, muss noch neuer, schneller, unglaublicher sein. Aber dafür ist Musik nicht da. Sie muss den Menschen berühren. Und berühren kann sie nur, wenn sie nicht oberflächlich ist.“ Kann also Effekthascherei niemals wirklich ans Herz gehen? „Nein!“ meint Frasineanu. Kurz und entschlossen.
Das genannte Herz geht ihr auf, wenn es um das Staatsopernorchester geht. Zu diesem ist sie, nach Zwischenstationen in anderen namhaften Klangkörpern, 2014 gestoßen. „Ich habe in sehr guten Orchestern gespielt und auch das Zwischenmenschliche war fast immer großartig. Aber es hat immer das gewisse Etwas gefehlt, und so habe ich immer weitergesucht. Bis ich hier gelandet bin.“ Das gewisse Etwas, das drückt sich unter anderem darin aus, dass man im Staatsopernorchester wirklich gerne musiziert und nicht nur Dienste absolviert. Vor allem: gerne miteinander musiziert. „Das Orchesterspiel hier ist oft wie Kammermusik. Einer bringt etwas ein, ein anderer reagiert, und es entwickelt sich ein Dialog. Man kann vieles ausprobieren, sich etwas trauen, man hat im Orchester Raum, sich musikalisch auszuleben, gleichzeitig existiert nicht so ein Druck wie bei Solisten.“ (Apropos Solisten: Die musikalische Qualität so mancher Kollegin oder manches Kollegen sei so hoch, wie es sie selbst unter Solisten kaum gäbe.) Dazu die Möglichkeit, „mit all den Dirigenten zusammenzuarbeiten! Das ist, ohne es gutzureden, einfach einzigartig.“ Und das Schönste sei überhaupt, dass es bei allem hohen Niveau nicht darum geht, dass sich der Einzelne profiliert. „Denn Musik, die fürs Orchester geschrieben wurde, lebt eben nicht davon, dass 100 geniale Musiker es sich selbst und den anderen beweisen wollen. Sondern, dass sie gemeinsam musizieren und harmonieren!“ In Wien jedenfalls, so lächelt sie, sei das Glück perfekt. „Natürlich kann nicht immer alles eine Sternstunde sein. Aber die Sterne, die es hier gibt, die findet man nirgendwo anders…“
Oliver Láng