FRÜHE ERFOLGE AUF EINER WELTBÜHNE
VORGESTELLT: DAS OPERNSTUDIO DER WIENER STAATSOPER
In einer neuen Serie stellen wir regelmäßig eines der Mitglieder des Opernstudios vor. Diesmal führte Andreas Láng ein Gespräch mit der russischen Mezzosopranistin Daria Sushkova.
AL Der Sängerinnenberuf ist hart, herausfordernd und nicht immer dankbar. Christa Ludwig hat beispielsweise oft erzählt, wie einsam Elisabeth Schwarzkopf außerhalb eines Opernhauses war. Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben?
DS Ich wollte seit meiner Kindheit Sängerin werden. In meiner Familie gibt es viele, die den Gesang lieben und ich glaube, dass sie mich zu einer professionellen Ausbildung inspiriert haben. Ganz grundsätzlich mag ich es, in einem ständig sich entwickelnden Prozess zu stecken. Und im Sängerinnenberuf finde ich genau diesen Aspekt zu 100 Prozent: Das unentwegte Lernen neuer Rollen, das Sich-Ausprobieren in den unterschiedlichsten Partien, die Kommunikation mit dem Publikum mittels Musik, überhaupt das Auf- der-Bühne-Stehen – all das macht mich wirklich glücklich! Natürlich sind die Umstände nicht immer so, wie wir sie uns wünschen, aber gerade in diesen »widrigen« Momenten entwickeln wir uns beruflich weiter. Und früher oder später – wenn man nicht aufgibt und seinem Weg treu bleibt – stellt sich die Zufriedenheit ein. Ich verstehe den Hinweis Christa Ludwigs, auch ich fühle mich außerhalb des Theaters manchmal sehr einsam, nach Aufführungen und Proben fühle ich mich oft am Boden zerstört, aber in diesen Situationen versuche ich, Unterstützung bei meiner Familie zu finden und mich meinen Lieblingsaktivitäten und Hobbys zu widmen.
AL Und was wären das für Hobbys?
DS In meiner Freizeit schaue ich gerne neue Filme an, male Bilder nach Zahlen, beschäftige mich ein wenig mit Astrologie und gehe mit Freunden spazieren und wandern.
AL Gab oder gibt es überhaupt einen Alternativberuf für Sie?
DS Um ehrlich zu sein, ist es schwer, sich einen anderen Beruf vorzustellen, aber wenn ich mich für etwas anderes entscheiden müsste, wäre es Schauspielerin.
AL Welche Musik hören Sie, wenn Sie fröhlich sind?
DS Meist populäre klassische Musik, Crossover oder Jazzkompositionen.
AL Welche Musik hören Sie, wenn Sie traurig sind?
DS Frank Sinatra. Durch seine Lieder geht es mir immer besser.
AL Gibt es eine Operngestalt die Ihnen besonders nahe ist?
DS Das Bild der treuen Penelope in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria. Ich habe großen Respekt vor Frauen, die ihren Entscheidungen treu sind und dadurch ihre innere Stärke unter Beweis stellen. Ich selbst strebe danach.
AL Wann oder wie haben Sie vom Opernstudio erfahren? Können Sie sie noch erinnern, was Sie bei der Audition vorgesungen haben?
DS Genau genommen war es ein Zufall. Ich durfte an einem Opernprojekt in Russland teilnehmen, das auch ein Vorsingen inkludierte, bei dem ich seitens der Wiener Staatsoper entdeckt wurde. Die daraufhin folgende Einladung, mich für das Opernstudio zu bewerben, nahm ich natürlich ohne zu zögern an. Auch hier kam es wieder zu einem strengen, diesmal drei Runden umfassenden Auswahlverfahren, bei dem ich mit Isabellas Arie »Cruda sorte« aus Rossinis L’italiana in Algeri und Polinas Romanze aus Tschaikowskis Pique Dame versuchte, alle Möglichkeiten meiner Stimme zu präsentieren. Bei der letzten Runde, im Dezember 2021, hatte ich einerseits enormes Lampenfieber und freute mich andererseits trotzdem ehrlich auf diesen Tag. Schließlich sang ich zum ersten Mal in Österreich und überhaupt erstmals in meinem Leben vor einem ausländischen Publikum! Glücklicherweise lief alles perfekt und ich erfuhr schon ein paar Stunden später, dass ich aufgenommen worden war. Am Ende hatte sich also ein Traum erfüllt und ich fand mich in diesem schönen Opernhaus als Studiomitglied wieder.
AL Und wie sieht das Leben im Opernstudio für Sie aus? Was konnten Sie bisher mitnehmen?
DS Das Leben im Opernstudio ist der Arbeit von professionellen Sängern in einem Opernhaus sehr ähnlich – auch hinsichtlich der Intensität. Zugleich führen wir unsere Studien weiter und lernen von den Erfahrungen der »Großen«, die gemeinsam mit uns auf der Bühne stehen. Das Studium selbst beinhaltet einen regelmäßigen Unterricht mit unserem Leiter, dem Bariton Michael Kraus, weiters Meisterkurse mit herausragenden Sängern aus der ganzen Welt wie Brigitte Fassbaender, Nicole Car, Simon Keenlyside, weiters Sprachkurse, Einzelunterricht an der Universität für Musik und Kunst sowie aktive Probenarbeit in der Wiener Staatsoper in kleinen, mittleren und sogar großen Rollen. Im September probten wir zum Beispiel für die Neuproduktion von Puccinis Trittico, in der ich die Rolle der Schwester Eiferin in Suor Angelica und die Rolle des Ciesca in Gianni Schicchi singe. Ich konnte mit anderen Worten schon während meines ersten Jahres im Opernstudio viele herausragende Opernsängerinnen und -sänger von heute aus nächster Nähe kennenlernen und in den unterschiedlichsten Bereichen vieles für mich mitnehmen.
AL Welche Auftritte an der Wiener Staatsoper waren bisher für Sie besonders wichtig und warum?
DS Selbstverständlich ist jede Rolle für mich wichtig, egal ob sie klein oder groß ist, aber dennoch gab es zwei Rollen, die aus der Menge besonders herausragen: Erstens die Giovanna in Rigoletto. Es handelte sich um mein Debüt auf der Bühne der Wiener Staatsoper, bei dem ich mich einem neuen und mir unbekannten Publikum vorstellte. Zweitens Prinz Orlofsky in der Fledermaus. Vor einigen Jahren habe ich diese Inszenierung in einer Aufzeichnung gesehen und bewundert, ohne auch nur davon zu träumen, selbst einmal in ihr mitwirken zu dürfen. Der Orlofsky war jedenfalls meine erste wirklich große Rolle auf der Bühne, noch dazu mit den für mich damals schwierigen Dialogen in deutscher Sprache.
AL Wenn es die Möglichkeit einer Zeitmaschine gäbe, welche Jahre der Operngeschichte würden Sie besuchen?
DS Ich würde gerne in die Zeit der Anfänge der italienischen Oper reisen, aber auch in die Zeit von Rossini sowie seinen jüngeren Zeitgenossen und Nachfolgern Bellini und Donizetti.
AL Zum Abschluss: Mit welchem Komponisten würden Sie gerne plaudern?
DS Mit Gioachino Rossini. Selbst Puschkin verglich dessen Musik einmal mit den goldenen Spritzern eines Champagners.