Eine Wunderbare Rolle

Die amerikanische Koloratursopranistin Audrey Luna debütiert an der Wiener Staatsoper als Ariel in Thomas Adès’ Tempest – und damit in einer geradezu mörderisch schweren Partie, die der Interpretin in dieser Inszenierung auch einiges an akrobatischem Geschick abverlangt. Zwischen zwei Probenterminen gab sie Andreas Láng das nachfolgende Interview.

Sie haben Ariel schon an der New Yorker Met erfolgreich gesungen. Wie kam es zu diesem Engagement? Haben Sie damals extra für diese Rolle vorgesungen und dann den Zuschlag erhalten?

Audrey Luna: Ja, nur hat das Vorsingen an der Met – es war übrigens mein erstes an jenem Haus und außer James Levine haben unter anderem auch Met-Intendant Peter Gelb und Thomas Adès zugehört – nicht nur mein Engagement für die Ariel-Partie gebracht, sondern zugleich ein Angebot der Königin der Nacht und eine Mitwirkung in einer Ariadne auf Naxos-Produktion. Das heißt die Königin und die Najade durfte ich sogar noch vor der Tempest-Premiere singen.

Wie lang dauert es bis man so eine schwere Partie lernt? Ein Jahr, zwei Jahre?

Audrey Luna: Ich hatte genau genommen nicht mehr als sechs Wochen Zeit bis zur besagten Met-Audition, denn dort musste ich ja genau diese Rolle vorsingen. Also als ich die Noten zum ersten Mal sah, dachte ich mir: „Wer zum Kuckuck soll das singen können? Nun ich versuche es!“ – und ich warf mich gemeinsam mit meinem Korrepetitor in die Schlacht. Die Tessitura ist weniger das Problem, die Schwierigkeit liegt in dem Wie. Beim Vorsingen selbst war ich dann unendlich nervös, weil ich die Partie auf jeden Fall haben wollte – Gott sei Dank, hat es geklappt. Das wohl Schwierigste sind ja gleich die ersten fünf Minuten, da ist alles drinnen was die Rolle verlangt.

Sie haben schon Zerbinetta, Olympia, Lucia, Königin gesungen, aber auch ungewöhnlich viel Zeitgenössisches …

Audrey Luna: Das verdanke ich wohl Tempest. Seit ich Ariel singe, erhalte ich sehr viel Angebote für moderne Werke. Jetzt kommt Le Grand Macabre dran.

Wo überall haben Sie Ariel gesungen?

Audrey Luna: Zunächst in einer gerafften Konzertversion an der Santa Cecilia in Rom – unter der Leitung von Thomas Adès, 2012 erstmals auf einer Opernbühne in Quebec, noch im selben Jahr an der Met und nun eben hier an der Wiener Staatsoper.

Als Ariel wird von Ihnen nicht nur sängerischer sondern auch körperlicher Einsatz gefordert …

Audrey Luna: Die Choreographin hat für die Premiere in Quebec zwei Monate mit mir gearbeitet und dann für die Premiere an der Met noch einmal zwei Monate. Ich habe dadurch eine ganz neue Bewegungssprache gelernt, wobei es sich nicht um durchchoreographierte Bewegungsfolgen handelt, sondern um ein Set an Gesten, die ich dann improvisatorisch frei einsetze – wodurch jede Aufführung anders ist.

Wie würden Sie Adès’ Musik in wenigen Worten beschreiben?

Audrey Luna: In wenigen Worten, hm: aufregend, berauschend, erhebend. Aber mit wenigen Worten ist es nicht getan. Die Musik von Tempest zeigt so viel über den Menschen an sich und so wie die Charaktere daherkommen, ich meine von der Komposition her, das sind lauter Seelengemälde. Ich finde es zum Beispiel unheimlich spannend, wie Ariel, dieser Geist, der ja vom Wesen her unempathisch sein sollte, mit dem Menschen mitfühlt und sich zum Schluss als Person quasi in Luft auflöst. Eine wunderbare Rolle, ein wunderbares Stück!