Eine neue (Theater-)Welt entsteht
Der Staatsoper stehen spannende Zeiten bevor: Sie erhält im Herbst 2024 eine weitere Spielstätte, den Französischen Saal im Künstlerhaus am Karlsplatz. Diese neue Arbeits- und Spielstätte verschreibt sich ganz dem jungen Publikum und dem künstlerischen Nachwuchs. Das vielfältige Angebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, das schon jetzt an der Staatsoper stattfindet, wird am Französischen Saal noch mehr Raum und Möglichkeiten bekommen. Wir haben den Architekten des Projekts, Matthias Molzbichler, um einen Bericht von der Baustelle gebeten.
Was passiert auf der Baustelle gerade?
MATTHIAS MOLZBICHLER Die Fundierungsarbeiten der Baugrube sind soeben abgeschlossen worden. Diese Arbeiten wurden auch archäologisch begleitet, um bei Funden sofort reagieren zu können. Es wurde dann damit begonnen, die inneren Wände zu betonieren. Innerhalb der historischen Bausubstanz wird eine eigenständige neue Raumschale geschaffen, in der der neue Französische Saal entsteht.
Im Künstlerhaus wird ein Theater für 250 Personen gebaut, das dem neuesten Stand der Technik entspricht. Die Gebäudehülle ist aber dem historischen Ensemble des Künstlerhauses verpflichtet. Wo liegen für einen Architekten in diesem Gegensatz die Herausforderungen? Was hat Sie überrascht, worauf machen Sie sich noch gefasst?
MM Die historische Hülle stellt an die neue Funktion weniger Herausforderungen als man denkt. Es entsteht ein vollkommen neuer Saal mit allen Nebenräumen, der jedoch bautechnisch von der historischen Substanz gänzlich entkoppelt ist. Mit Ausnahme der geometrischen Gegebenheiten, wie zum Beispiel der Lage der Türen in der Fassade, konnten wir uns relativ frei bewegen. Bautechnisch gesehen ist der Bauablauf jedoch sehr anspruchsvoll. Der Museumsbetrieb im Künstlerhaus soll möglichst uneingeschränkt fortlaufen, und auch Nachbarn wie der Musikverein sollen nicht gestört werden. Wir hoffen, dass wir auch weiterhin von unvorhergesehenen Komplikationen verschont bleiben!
Haben Sie schon einmal ein Theater gebaut? Was ist für Sie – als Architekt, aber auch als Besucher – ein richtig gutes Theater? Was wünschen Sie dem Französischen Saal?
Der Französische Saal ist unsere zweite Arbeit für ein Opernhaus. Die oftmals komplexen Zusammenhänge der Funktionen müssen für die Besucher*innen ganz selbstverständlich und einfach wirken. Für das Opernerlebnis ist die Raumakustik mit Klangqualität, Sprachverständlichkeit und Nachhallzeit von entscheidender Bedeutung. Eine gut sichtbare Bühne für alle Zuschauer*innen ist ebenfalls wichtig, um ein unvergessliches Erlebnis zu schaffen. Die gesamte Technik soll zurückgenommen im Hintergrund funktionieren. Mit Beginn der Vorstellung sollte der Fokus voll und ganz auf der Darbietung liegen, ohne Ablenkungen. Die Gestaltung des Opernsaals muss sich diesen Anforderungen verpflichten. Die Aufenthaltsqualität im Haus ist wichtig. Die Menschen sollen ihre Zeit gerne hier verbringen. Eine Ästhetik, die zum Anlass hinführt und einladend wirkt, spielt eine wesentliche Rolle. Es ist jedoch nicht notwendig, dass es »theatralisch« wirkt. Eine gute Orientierung und offene, barrierefrei Zugänglichkeit, die das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein, sind ebenfalls wichtig. Wir wünschen uns für den Französischen Saal, dass die Menschen gerne hingehen und in die Intensität und Schönheit der Opernwelt vollständig eintauchen können.
→ Matthias Molzbichler ist Architekt und geschäftsführender Gesellschafter der MHM Ziviltechniker GmbH
Das Gespräch führte Gertrud Renner