Ein Konzentrat an Dramatik und Leidenschaft
Elena Zhidkova kehrt als dämonische Fürstin zurück. Wie eine stimmliche und charismatische Urgewalt triumphierte die aus Russland stammende Elena Zhidkova vor zwei Jahren bei ihrem Debüt im Haus am Ring: Gegeben wurde damals, im Februar 2014, die Staatsopern Erstaufführung von Adriana Lecouvreur, in der die junge Mezzosopranistin als rachsüchtige schone Fürstin Bouillon ihre Nebenbuhlerin mit einem vergifteten Veilchenstrauß beseitigte. Mit zwei ganz anderen Rollen setzt die international überaus gefragte Zhidkova nun ihre Zusammenarbeit mit der Staatsoper fort: als Fremde Fürstin in Dvořáks symbolträchtiger Märchenoper Rusalka und im April, beim zweiten Gastspiel des Hauses im Sultanat Oman, als Werther-Charlotte.
Nach der „bösen" Fürstin Bouillon stellt sich Zhidkova dem Wiener Publikum nun also mit einer weiteren „Bösen" vor – denn die Fremde Fürstin, die, scheinbar aus dem Nichts auftauchend, sich wie eine verführerische Dämonin zwischen Rusalka und ihren Prinzen drangt, gehört wohl zu den dunkelsten Charakteren der Opernliteratur – nichtsdestotrotz oder gerade deshalb aber auch zu den sehr gefragten. „Die Fremde Fürstin ist zwar eine eher kürzere Partie", so Elena Zhidkova, „aber sie ist einerseits essenziell für die Handlung des Stuckes, da sie die Peripetie, den Umschwung bringt – durch sie wird aus einer schonen und zumindest hoffnungsfrohen Liebesgeschichte eine tieftraurige Tragödie. Andererseits ist die Rolle für die Interpretin schon deshalb eine spannende Herausforderung, weil sie von Dvořáks vom musikalischen wie darstellerischen Gehalt her wie ein Konzentrat konzipiert wurde: man hat nicht unendlich viel Zeit, um auf die Buhne zu gehen und sich dann langsam warmzuspielen. Nein, die Fürstin bringt augenblicklich mit ihrem rätselhaften Auftauchen eine geballte Ladung an Dramatik und zur Schau gestellten Leidenschaft ins Geschehen und das muss die jeweilige Sängerin schauspielerisch wie vokal glaubhaft vermitteln."
Elena Zhidkova gibt übrigens in der aktuellen Vorstellungsserie ihr internationales Rollendebut in der Partie und kann es demzufolge praktisch nicht mehr erwarten, auf der Buhne zu stehen und die schone Teufelin nach der langen Vorbereitungszeit endlich lebendig werden zu lassen. „Sie ist im Prinzip in allen Aspekten das spiegelbildliche Gegenteil von Rusalka", umreist Zhidkova das Profil der Fürstin. „Rusalka ist liebevoll, die Fürstin von Hass und Verachtung getrieben, Rusalka ist arm, die Fürstin reich, Rusalka zeigt die aufopfernde Liebe, die Fürstin ist pure Erotik. Genau genommen entsprechen die beiden Frauengestalten ein bisschen jenen in Tannhäuser – Elisabeth und Venus." Besetzungstechnisch ist die Fremde Fürstin eine typische Zwischenfachpartie, die sowohl von einem dramatischen Sopran als auch von einem Mezzo gesungen werden kann, wobei Elena Zhidkova fur ihre Stimmlage insofern eine Lanze bricht, als sie auf die für diese Partie notwendige warme Stimmfarbe hinweist, die die unterschwellige zerstörerische Aggression der Fürstin übertünchen und stattdessen verführerisch bezaubern soll.
In Bezug auf neue Rollen hat Elena Zhidkova ein arbeitsreiches Jahr hinter sich. Vor der aktuellen Fürstin nahm sie nämlich zuletzt Partien wie Ortrud in Lohengrin, Dido in den Trojanern, Eboli in der französischen Fassung des Don Carlos und Charlotte in ihr persönliches Repertoire auf – jeweils mit großem Erfolg beim Publikum (die italienische Eboli folgt als nächster Schritt). Doch Zhidkova gehört nicht zu jenen, die eine Rolle „schnell, schnell" einstudieren und womöglich am ersten Probentag noch nicht sattelfest wirken. „Ich mochte die jeweilige Partie so früh anfangen, dass noch Zeit bleibt, sie wegzulegen und reifen zu lassen, bevor ich mich mit ihr dem Dirigenten, dem Regisseur und den Kollegen stelle", erklärt die Mezzosopranistin. „Bei der Fremden Fürstin kam noch dazu, dass ich als Slawin zwar ziemlich viel vom Tschechischen verstehe, aber dennoch Zeit gebraucht habe, all die sprachlichen Feinheiten und Schattierungen zu begreifen, um sie entsprechend interpretatorisch umzusetzen."
Betrachtet man Elena Zhidkovas Rollenspektrum genauer, fallt auf, dass die Charlotte etwas aus der Reihe tanzt: Sie ist weder rachsüchtig, noch zerstörerisch, nicht mächtig noch eine Heldin, sondern eine Liebende, die dem Wunsch der sterbenden Mutter folgend den falschen Mann heiratet. „Bevor ich anfing die Charlotte zu studieren, habe ich mir schon Gedanken gemacht, ob die Rolle neben all den Kundrys, Ortruds und Ebolis wirklich zu mir passt", scherzt die Mezzosopranistin. „Aber irgendwann, nach wochenlanger intensiver Auseinandersetzung mit dieser lyrischen anmutigen Frau, hat es Klick gemacht und ich habe den Zugang gefunden. Und außerdem – so undramatisch ist die Charlotte auch wieder nicht: man denke nur an die Briefszene, an das letzte Duett mit ihrem Ehemann oder an die Szene mit dem sterbenden Werther. Auf jeden Fall ist sie eine ebenso starke Frau wie beispielsweise die Fremde Fürstin – nur zieht sie aus dieser Starke andere Konsequenzen."
Andreas Lang
Rusalka
9., 13., 18., 21. Februar 2016
Werther
Gastspiel Oman
14., 16. April 2016