Ein Gespräch über den Tod
Anlässlich der Premiere Věc Makropulos führten Dr. Andreas und Oliver Láng mit dem Altabt Gregor Henckel Donnersmarck, der Pflegedienstleiterin des Mobilen Caritas Hospizes Wien Karin Böck und mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann ein Gespräch über den Tod.
Thomas von Aquin wurde einst gefragt, wie er seinen Tag verbrächte, wenn er erführe, dass er am kommenden sterben müsste. Er antwortete: Wie jeden anderen Tag. Wie viel innere Stärke braucht eine solche Haltung?
Altabt Gregor: An sich sind wir uns ja jeden Tag bewusst, dass wir sterblich sind. Ob das morgen ist, in ein paar Jahren oder noch heute Abend, das ist nicht von entscheidender Bedeutung. Denn das Ereignis an sich ist todsicher. Das muss man, denke ich, vorausschicken. Es geht in vielen Fällen wohl darum, dafür stehe ich von Berufswegen ein, dass es das eigentliche Leben nach dem Tod gibt. Das ist keine Vertröstung oder Opium fürs Volk, sondern ein Hoffnungshebel vom Jenseits ins Diesseits. Also hier Gutes tun, aber sich auch als Mensch verstehen, der auf etwas noch Größeres zugeht.
Konrad Paul Liessmann: Das ist eine Perspektive. Man kann mit einer Gelassenheit wie Thomas von Aquin antworten oder auch wie Martin Luther, der auf eine gleichlautenden Frage gesagt haben soll, er würde noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Aber es ist etwas anderes, auf eine hypothetische Frage zu antworten als es dann tatsächlich auch zu tun. Es ist ein Unterschied zu wissen, dass man sterblich ist – das gehört zum Menschsein – und zu wissen, wann dieses faktum brutum eintreten wird. Ich sehe da noch einen verwandten Aspekt: Wir sind heute in der Lage, die Lebenserwartung eines Menschen medizinisch ziemlich genau zu errechnen. Die meisten Menschen allerdings wollen dies nicht wirklich wissen. Mit 20 oder 30 zu erfahren, dass die Wahrscheinlichkeit, mit 40 an Krebs zu erkranken, hoch ist – das möchten die meisten vermeiden. Zu einem sinnvollen Leben vor dem Tod kann es auch gehören, nicht genau zu wissen, was uns die Zukunft bringt.
Karin Böck: Ich erlebe dieses angesprochene Spannungsfeld zwischen dem Vorsatz und dem tatsächlichen Tun in der Praxis, beim Begleiten von Menschen, die schwer krank sind. Wir haben ein bekanntes Buch dazu herausgebracht, Feiert das Leben. In diesem antworten Prominente, Patienten und Angehörige, was sie im Falle eines nahen Todes gerne noch machen würden. Es gibt natürlich solche, die es dann tatsächlich durchhalten und eine gewisse innere Ruhe bewahren, aber es sind nicht viele, die das schaffen. Die Meisten schwanken zwischen Leben-Wollen und Sterben-Wollen. Ich erinnere mich an einen Patienten, dem bei klarem Bewusstsein mitgeteilt wurde, dass er verbluten wird. Er sagte zu mir: „Das werden wir aber nimmer hinauszögern!“ Aber am nächsten Morgen hat er den Arzt gefragt, ob es nicht doch noch eine Chance für ihn gibt? Menschen, die erfahren, dass ihr Leben sehr begrenzt ist, reagieren einfach sehr unterschiedlich. Es gibt da keine allgemeine Regel.
Altabt Gregor: Nach Sigmund Freud kann ja das Unbewusste den eigenen Tod gar nicht wahrnehmen. Interessant ist, dass zwei, drei Generationen nach Freud das zweite Vatikanische Konzil, ohne sich direkt auf ihn zu beziehen, eine Aussage veröffentlichte, die sehr kompatibel mit diesem Gedanken ist: „Sehr zu recht wehrt sich ein tiefer, innerer Instinkt des Menschen mit Empörung gegen sein folgenloses Verlöschen im Tod“.
Konrad Paul Liessmann: Die These, dass der Tod nicht wahrgenommen werden kann, lässt sich sehr weit zurückverfolgen. Epikur prägte den berühmten Satz, dass der Tod uns gar nichts angeht. Denn der Tod ist das Ende aller Wahrnehmung. Solange wir sind, ist der Tod nicht, wenn der Tod ist, sind wir nicht mehr. Gemeint ist bei Freud und anderen, dass wir uns unseren Tod ja auch nur in der Voraussetzung unseres Seins vorstellen können. Man kann sich selbst im Denken nicht wegdenken. Man muss aber den Tod, und das ist gute christliche Theologie, als radikales Nichtsein verstehen, und nicht als einen Wandel der Gestalt. Diese Ansicht gab es in der griechischen Philosophie, also dass die Seele den Körper verlässt und in ein Schattenreich eintritt. Christlich aber ist: Wirklich zu Sterben und dann zu warten, ob die Gnade Gottes eine Auferstehung auch des Leibes ermöglicht.
Im Falle der Emilia Marty ist aber weniger der Tod das Erschreckende, sondern das Überleben.
Konrad Paul Liessmann: Das Leiden der Emilia Marty besteht ja darin, dass sie alle überlebt, übrigens ein beliebtes Thema in der Kunst, man denke nur an den fliegenden Holländer. Das macht ihr Leben unerträglich. Wenn aber die Lebenserwartung generell steigt, fällt dieser Aspekt zumindest zum Teil weg. Ein heute 80-Jähriger hat ja wahrscheinlich einige gleich alte Ansprechpartner in der Gesellschaft.
Karin Böck: Die Einsamkeit gibt es bei alten Menschen schon sehr, in Wien etwa, in vielen Singlehaushalten. Und es gibt viele, die sagen: „Es ist genug. Ich habe so viel erlebt, so viele Verluste, so viel Leid.“ Und sogar manche, die noch nicht alt sind, meinen: „Ich habe mein Leben gelebt: Wenn es aus ist, ist es aus.“
Ist das auch tatsächlich so gemeint, oder nur ein daher gesagter Satz?
Karin Böck: So eine Aussage, wenn sie ehrlich gemeint ist, passiert nicht von heute auf morgen, sondern es gibt einen Weg dorthin. Sonst ist es ein Stück Koketterie. Menschen durchleiden manchmal Unglaubliches – manche haben einfach genug, andere aber wollen dennoch leben, weil sie das Gefühl haben, dass Ihnen das Leben etwas schuldig geblieben ist.
Verlieren Menschen nicht auch die Lebenslust, weil sie einfach schon alles erlebt haben? Also einfach Lebens-müde sind? Auch ohne Leid.
Karin Böck: Das kenne ich so nicht.
Konrad Paul Liessmann: Das Leben will leben. Auch wenn es mitunter Menschen gibt, die eine Form des Lebensüberdrusses haben oder suizidal veranlagt sind. Aber generell ist es so, dass, solange man halbwegs in einem „intakten“ Zustand ist, leben und Neues entdecken will. Das ist nach 30, 40 oder 80 Jahren nicht ausgeschöpft. Man darf auch nicht vergessen, dass uns unser modernes Leben suggeriert, dass man bis praktisch zuletzt alles haben kann, also Neugier, Sexualität, Lernen, Vitalität und so weiter. Das schafft auch einen gewissen Druck. Dieser Nietzscheanische Gestus, alles war schon, alles kehrt wieder, es gibt nichts Neues, ist unserer Kultur nicht mehr eingeschrieben. Das hat mit einer bestimmten Säkularisierung zu tun: Wir haben nur ein Leben, und das wollen wir verlängern, wo es nur geht.
Karin Böck: Zumindest scheint alles machbar. Wir hören ja immer nur, was die Medizin alles kann, aber nie, was sie nicht kann. Alles angeblich möglich zu machen führt eben zu solchen Ansichten.
Altabt Gregor: Ich würde gerne einen Moment in meinem Leben schildern: Als ich im 69. Lebensjahr war – ich hatte zwölf Jahre als Abt in Heiligenkreuz hinter mir und erreicht, was ich dort erreichen konnte, spürte auch eine ziemlich starke Belastung – stellte ich mein Amt als Abt zur Verfügung. Das war auch eine Art Tod. Und ich habe gefühlt, dass es richtig war. Man muss auch abgeben und beenden können. Ich habe nicht vor, bald zu sterben. Aber ich habe durchaus den Eindruck, dass mein Leben über den Zenit hinaus ist und ich dem Tod entgegengehe. Ob ich mir damit leicht tue oder nicht ist natürlich eine andere Frage.
Wird der Tod tabuisiert?
Karin Böck: Der Umgang mit dem Tod ist einfach verloren gegangen. Früher war er präsenter, Menschen sind daheim gestorben, sind früher gestorben. Nicht zu vergessen die Kriegstoten in Mitteleuropa. Man war dem Tod vertrauter.
Altabt Gregor: Das Sterben wird ja auch „weggeschoben“, der Tod als nicht akzeptabel ins Spital gebracht.
Konrad Paul Liessmann: Was früher allerdings mitunter auch geschah. Denken wir an Goethe: Er hat den Tod verdrängt, wo er nur konnte, ging zu keinem Begräbnis. So ist er für viele zum Prototypen des modernen Menschen geworden. Tätig und kreativ bis ins hohe Alter, epikureisch im Sinne von: Der Tod geht uns nicht an.
Wieweit kommt zur Sorge um den Tod die Frage nach dem, was bleibt?
Karin Böck: Ich erlebe das oft, sich Menschen fragen und darüber reflektieren: Was bleibt von mir? Wo bleibe ich ein Stück unsterblich? Sie finden das in ihren Kindern, in dem, was sie geschaffen haben. In Projekten, die sie entwickelt haben, also auch in geistigen Kindern. Oder sie sehen, dass sie anderen etwas mitgegeben haben, was in den Menschen weiterlebt.
Brauchen wir den Tod nicht, um überhaupt tätig zu werden? Weil unserer Endlichkeit uns Grenzen setzt? Sonst denkt man sich ja immer: Nächste Woche fange ich an.
Konrad Paul Liessmann: Das ist richtig. Aber nur weil das Leben verlängert wird, bedeutet es nicht unbedingt, dass man sich mehr Zeit lässt. Im Gegenteil. Es kann es dazu führen, dass mehr Dinge unterzubringen sind. Heute reicht es nicht, in einer Stadt zu studieren, es müssen drei sein; Berufe, Karrieren, Familien, Weltreisen, alles muss – am besten im Plural - in ein Leben hinein. Für all das, was einer glaubt tun zu müssen, ist das heutige lange Leben zu kurz. Und wäre auch zu kurz, wenn man 300 Jahre alt würde.
Altabt Gregor: Wobei Lebensverlängerung, auch wenn bis 800, immer noch etwas anderes als Unsterblichkeit ist.
Konrad Paul Liessmann: Ich persönlich sehe die Unsterblichkeitsfantasien, wie die großen Religionen sie entwickelt haben, als Abwehrreaktionen, um sich dem Tod nicht stellen zu müssen.
Altabt Gregor: Zum Verdrängen des Todes. Ich bin dankbar, dass ich in Heiligenkreuz leben darf – dort ist es üblich, im Haus zu sterben. Wenn also für einen Mitbruder der Zeitpunkt kommt, an dem jede medizinische Hilfe ausgeschöpft ist und der Tod unausweichlich vor der Tür steht, wird der Abt anordnen, dass er ins Haus gebracht wird und sich das Kloster um ihn kümmert. Wir halten Wache beim Sterbenden und danach Totenwache – zunächst am Bett und danach bei der Aufbahrung des Verstorbenen in der Totenkapelle. Und ich habe das Gefühl, dass gerade die jüngeren Mitbrüder diesen Aspekt sehr schätzen, weil man heute, nach dem Verschwinden der Großfamilien, eine entsprechende Erfahrung, die uns hilft die Endlichkeit des Lebens vor Augen zu halten, außerhalb des Klosters nur mehr selten machen kann.
Konrad Paul Liessmann: Es ist ja paradox. Einerseits zeigen Untersuchungen, dass es noch keine Generation gegeben hat, in der junge Menschen so viele Tode, gewaltsame Todesarten in ästhetisierter Form, also etwa in Filmen oder Computerspielen, erlebt haben wie heute. Der Tod dominiert gewissermaßen unsere Unterhaltungsindustrie, er fasziniert uns auf rätselhafte Art und Weise. Andererseits hat unsere Gesellschaft den Tod ausgelagert – wie viele tatsächliche Leichen sieht ein durchschnittlicher heutiger Mensch schon in seinem Leben? Er ist auch nicht mehr ein gleichsam natürliches Ende der letzten Lebensphase, und nicht von ungefähr empfinden ihn die meisten behandelnden Ärzte letztendlich als Niederlage. Den Tod zu besiegen – das bleibt auch eine Hoffnung der modernen Medizin!
Karin Böck: Das ist wahrscheinlich gar nicht so paradox. Gerade weil viele Menschen kaum mit dem wirklichen Tod konfrontiert werden, haben sie die notwendige Distanz, um besagte Filme anzusehen zu können. Ich für meinen Teil, ertrage Filme, in denen Menschen brutal ums Leben kommen nur sehr schlecht, je realistischer ein Krimi ist, desto eher schalte ich um. Da ich täglich mit dem Tod zu tun habe, möchte ich mich nicht auch noch Zuhause beim Fernsehschauen mit ihm beschäftigen. In Bezug auf die Ärzte, die den Tod als Niederlage empfinden, möchte ich allerdings einwenden, dass hier längst ein Prozess des Umdenkens eingesetzt hat. In der Palliativmedizin bzw. der Palliativpflege geht es heute vielmehr darum mit Menschen über die Lebensqualität zu reden und nicht nur über die Lebensverlängerung. Es dreht sich nicht um die Frage Sieg oder Niederlage, sondern darum, dem Betreffenden und den Angehörigen, in dieser wichtigen Lebensphase begleitend zur Seite zu stehen. Es passiert gar nicht so selten, dass Angehörige, die sehr dankbar sind, dass es das Sterben Zuhause passieren durfte, in diesem Zusammenhang den Begriff „schön“ verwenden und sich gleichzeitig dafür entschuldigen.
Es hat den Anschein, dass man sich heute in der westlichen Welt zwar vor dem Tod fürchtet, aber die Angst vor einer Art Hölle verschwunden ist.
Karin Böck: Nein, es kann nach wie vor passieren, dass manche Menschen von Momenten im eigenen Leben wissen, die sie moralisch nicht gutheißen und dann, wenn es ans Sterben geht, massive Furcht vor dem entwickeln, was nach dem Tod auf sie wartet und Schmerzen, Unruhe und Übelkeiten entwickeln, die keine physische Ursachen besitzen. Es ist daher unsere Aufgabe diese Ängste anzusprechen, zu einem Seelsorger zu vermitteln oder mit der eigenen Einstellung eine Antwort zu finden.
Altabt Gregor: Deshalb bin ich Papst Franziskus so dankbar, dass er die Barmherzigkeit Gottes in den Vordergrund stellt. Adrienne von Speyer, eine Mystikerin des 20. Jahrhunderts, erzählte übrigens, dass sie die Gnade bekommen hätte einen Blick in die Hölle zu werfen … sie soll leer gewesen sein.
Konrad Paul Liessmann: Wenn man sich an die großen Verbrecher der Menschheitsgeschichte erinnert – so ein bisschen Angst vor der Hölle würde denen nicht schaden.
Karin Böck: Ich habe einmal eine alte Patientin betreut, die knapp vor ihrem Tod der Meinung war, dass sie schon gestorben wäre, aber Gott sie nicht wolle - wegen ihrer hässlichen Nase. Als ich dann genauer nachgefragt habe, sprudelte es förmlich aus ihr heraus: „Auch der Bursch, auf den ich als junges Mädchen gestanden bin, hat mich immer ausgespottet – so lange, bis ich zur SS ging.“ Dieses „zur SS ging“ war also das eigentliche Thema und das musste ausgesprochen werden - es ging somit um eine Art Versöhnung mit der Lebensgeschichte.
Herr Professor Liessmann, für Sie muss es ärgerlich sein, da Sie nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glauben, dass es keine abschließende Gerechtigkeit gibt.
Konrad Paul Liessmann: Ich ärgere mich nicht. Mein Bestreben ist es, in meinem Rahmen, dazu beizutragen, dass ein menschwürdiges Leben vor dem Tod in dieser Gesellschaft möglich ist. Es ergibt für mich keinen Sinn, die Verbrechen, Brutalitäten und Grausamkeiten dieser Welt zu akzeptieren, weil es vielleicht in einem anderen, jenseitigen Leben besser sein wird. Allerdings: Ich glaube auch nicht an das Paradies auf Erden.
Altabt Gregor: Auch Christen haben den Auftrag, diese Welt so liebevoll und gut wie möglich zu gestalten, nur kommt danach halt noch das Wichtigste.
Konrad Paul Liessmann: Gerade in der Oper Vec Makropulos wird übrigens noch ein weiterer Gedanke von Unsterblichkeit behandelt: Seit Generationen wird hier ein und derselbe Gerichtsprozess um ein Testament geführt. Das zeigt, dass wir Menschen im Allgemeinen davon ausgehen, dass z. B. Recht und Besitzverhältnisse quasi ewige Kontinuität über das einzelne Individuum hinaus haben. Wir wollen festlegen, was nach unserem Tod passiert, dass etwas von uns selbst weiterlebt, dass auch nach unserem Tod unser "letzter Wille" respektiert und ausgeführt wird.
Wie begleitet man einen Sterbenden? Seelsorgerlich, pflegerisch und als einer, der sagt: nachher ist es aus?
Konrad Paul Liessmann: Es gibt mittlerweile einen eigenen Seitenzweig der Philosophie - die "Philosophische Praxis" - der Menschen in unterschiedlichen Krisensituationen Gespräche und Beratungen anbietet. Es gab eine Philosophie, den Platonismus, der versucht hat, philosophisch die Unsterblichkeit der Seele nachzuweisen, es gibt in der Philosophie pantheistische Konzeptionen – etwa bei Spinoza. Aber ich gebe eines zu: Sich der Einsicht auszusetzen, dass man endlich ist, dass das Leben einmal Nichts sein wird, dass dieses Nichts, dieses Hineingehalten werden ins Nichts nicht wegzudiskutieren ist, das kann man nur schwer ertragen.
Karin Böck: Für mich ist alles zusammengefasst im Begriff „begleiten“. Wenn Menschen begleitet werden sollen, tun wir das auch, indem wir zu versuchen begreifen: wer sind diese Menschen, wo sind die Aufträge an uns, was wollen Menschen wissen, wo braucht man uns nicht. Manchmal reicht es, einfach dazusitzen und dabei zu sein, die furchtbare Situation auszuhalten.
Altabt Gregor: So sehe ich es auch. Wir Christen sind konsequent Vertreter des Glaubens an ein Lebens nach dem Tode bei Gott, wir können die Sakramente, die Zeichen die Heil vermitteln anbieten, und es gibt Menschen denen das viel bedeutet. Es ist fast schon lustig, dass das Stift Heiligenkreuz mit einer Begräbnisliturgie, einem Requiem in allen Hitparaden gelandet ist, und wir unzählige viele Mails von Australien bis Alaska von Menschen bekamen, die uns dafür dankten.
Letzte Frage: Wenn die Emilia Marty der Oper nicht der jungen Sängerin das Rezept für die Unsterblichkeit angeboten hätte, sondern Ihnen und das in verschiedenen Dosierungen: Unsterblichkeit für 10 Jahre, für 20, für 70 – hätten Sie das Rezept auch verbrannt oder das Elixier eingenommen bzw. in welcher Dosierung?
Konrad Paul Liessmann: Ich hätte das Elixier eingenommen – und zwar die Dosierung für 300 Jahre.
Karin Böck: Ich ebenfalls, ebenfalls für 300 Jahre. (lacht)
Altabt Gregor: Auch wenn ich gerne lebe - ich stehe dazu: Mein Leben ist mir von Gott geschenkt und er wird es mir auch nehmen, ich brauche kein Unsterblichkeitselixier in dieser Welt.
Die Gesprächspartner:
Karin Böck MAS (Palliative Care), Pflegedienstleiterin, Mobiles Caritas Hospiz der Erzdiözese Wien
Gregor Henckel Donnersmarck, nach einer Managerlaufbahn Eintritt ins Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, 1999-2011 ebendort Abt.
Konrad Paul Liessmann, Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien; Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist