Die Pianisten der Staatsoper: Studienleiter Thomas Lausmann

Im Opernhaus ist er praktisch allgegenwärtig. Sei es auf der Probe, in der Direktion, im Zuschauerraum oder in der Kantine, wo immer man hinkommt, ist er schon da, und das sowohl akustisch wie körperlich: Thomas Lausmann, Studienleiter der Wiener Staatsoper. Wenn er nicht gerade probt, plant, SMS schreibt oder in einer Besprechung ist, eilt er durch das Haus. Neuerdings in Turnschuhen, einfach, weil „ich so auf den Stufen schneller bin“. Dazu eine ausgesprochen hörbare Stimme und ein enormer Kaffeekonsum: so schaut der Berufsalltag des Studienleiters aus. Als solcher ist er der Leiter des gesamten musikalischen Dienstes, also für Korrepetitoren, Bühnenmusik, das Studieren und Begleiten der Sänger und vieles andere zuständig. Eine künstlerische – und organisatorische Aufgabe. Beides schätzt Lausmann, und beides braucht er. „Es kommt auf den Ausgleich an. Immer nur in Proben sitzen, wäre mir zu wenig. Und immer nur am Schreibtisch arbeiten, auch. So aber balanciert sich beides aus und ich kann ein paar Stunden dies, ein paar das machen.“ Beides betreibt er mit gleicher Passion: Schwärmen kann er gleichermaßen über umfangreich ausgearbeitete Tabellenmaterialien wie auch über Sänger, Dirigenten und Opern.

Begonnen hat er als Klavierschüler in Deutschland, entdeckte seine Liebe zur Musik, übte ab 14 „sehr viel“, um zu erkennen, dass ihn weniger das Solopianisten-Dasein als das gemeinsame Musizieren mit anderen interessiert. Also betrieb er viel Kammermusik, studierte nebenbei Jus, gewann einen Wettbewerb und tourte ein Jahr lang quer durch Deutschland. Und stand vor der Entscheidung: Musiker oder Jurist? Knapp vor dem ersten Staatsexamen entschied er sich für erstes, ging in die USA, um dort ein Aufbaustudium zu absolvieren – und erhielt eine Assistentenstelle als Begleiter. Ganz gegen seinen Willen, so erzählt er, kam er als Korrepetitor in eine Gesangsklasse und schnell fügte sich das eine zum anderen. Noch während des Studiums erhielt er eine Stelle als Solorepetitor an der Washington Opera und der New York City Opera. Ob ihn nicht auch anderes interessiert hätte, wie zum Beispiel Dirigieren? „Ich habe Chor- und Orchesterleitung studiert– aber nicht, um es hauptberuflich zu machen, sondern weil das Dirigieren von Proben und Ensembles zu meinem Aufgabenfeld gehört und ich Sänger bzw. Gesang besser verstehen wollte“. Doch das Auf-der-Bühne-Stehen, mit dem dazugehörigen Rampenlicht, lockt ihn nicht. „Abgesehen davon“, lacht er, „können andere viel besser dirigieren.“

Unter den vielen unterschiedlichen Funktionen, die sein Beruf mit sich bringt, will er keine als die liebste oder schönste sehen. Das Arbeiten und Aufbauen eines jungen Sängers findet er ebenso spannend wie das Musizieren mit einem Weltstar, das präzise Organisieren und das Mitspielen im Orchester ebenso bereichernd wie ganz allgemein das Gefühl, etwas zu einem funktionierenden Ganzen beigetragen zu haben. „Wenn man in einer Vorstellung sitzt und alles klappt – dann ist das schon ein Glücksgefühl!“ Dass er als Studienleiter täglich viele Stunden im Opernhaus verbringt und in seinen Ferien auch noch in Bayreuth als musikalischer Assistent und Studienleiter für den Ring arbeitet, sieht er nicht als außergewöhnlich oder gar Theater-spezifisch an. „Wenn man seinen Beruf mit Freude und Leidenschaft betreibt, dann ist das meistens auch mit viel Arbeitszeit verbunden. Wenn einer aus ganzem Herzen Astronaut ist, arbeitet er auch viel. Oder Forscher. Oder Anwalt.“ Besondere Hobbys gehen sich freilich neben seinem Beruf kaum noch aus, nur zweien widmet er sich mit besonderer Hingabe: „Ich esse gerne – um das aber tun zu können, muss man auch kochen. Aber glücklicherweise macht mir das Kochen fast ebenso große Freude.“ Auch hier also: Auf die ausgleichende Balance kommt es an!

Oliver Láng